Herbergssuche auf burgenländisch

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Bisher gab es im Burgenland keine stationären Therapieeinrichtungen für den Bereich Psychiatrie. Das soll sich jetzt mit dem "Psychiatrieplan 2000" ändern.

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Bisher gab es im Burgenland keine stationären Therapieeinrichtungen für den Bereich Psychiatrie. Das soll sich jetzt mit dem "Psychiatrieplan 2000" ändern.

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Fast druckfrisch liegt der Psychiatrieplan 2000 für das Burgenland vor, erstellt von Universitätsprofessor Karl Dantendorfer von der Universitätsklinik für Psychiatrie im Wiener AKH. Beauftragt wurde Dantendorfer von der Burgenländischen Krankenanstalten Gesellschaft (KRAGES) vor mehr als einem Jahr. Mit dem Psychiatrieplan soll nun das Konzept zur "regionalen integrierten Vollversorgung" für burgenländische Patienten mit psychiatrischen Erkrankungen umgesetzt werden. Höchste Zeit meinen viele, denn Patienten und deren Angehörige mussten bisher weite Anfahrtsstrecken in Kauf nehmen.

Die Burgenländer waren bisher Stiefkinder in puncto psychiatrischer Versorgung. "Auf die derzeit im Burgenland bestehenden Mängel ist wiederholt hingewiesen worden. Am augenfälligsten ist sicherlich das völlige Fehlen stationärer Therapieeinrichtungen", bemerkt Dantendorfer. Der Grund dafür sei unter anderem in der relativ dünnen Besiedelung des Burgenlands zu finden.

Bisher wurden die meisten psychisch erkrankten Patienten aus dem Burgenland - rund 430 Aufnahmen pro Jahr - in zum Teil über 200 Kilometer vom Wohnort entfernten psychiatrischen Krankenanstalten anderer Bundesländer versorgt. Nord- und mittelburgenländische Patienten wurden in Mauer bei Amstetten und südburgenländische Patienten in Graz Feldhof behandelt. Um eine vorübergehende Verbesserung für Patienten aus dem Burgenland sowie deren Angehörige zu erreichen, erklärte sich das psychiatrische Krankenhaus Klosterneuburg-Gugging in Niederösterreich bereit, diese Patienten vorübergehend aufzunehmen. Rund 200 Patienten aus Österreichs östlichstem Bundesland werden derzeit pro Jahr in Gugging versorgt. "Zwar wird die Betreuung in Gugging von den burgenländischen Patienten und ihren Angehörigen als große Erleichterung empfunden und sehr gut angenommen, doch muss klar sein, dass das nur eine Übergangslösung sein kann", betont Dantendorfer; schon allein deshalb, weil der Vertrag mit Gugging 2005 ausläuft. Zudem soll die Landesnervenklinik Gugging in den kommenden Jahren geschlossen werden. Und: Gugging platzt derzeit aus allen Nähten. Die Aufnahmezahl lag im vergangenen Jahr erstmals über 4.000.

Bis 2005 muss daher der Burgenländische Psychiatrieplan umgesetzt sein, um die Versorgung der Burgenländer auch weiterhin zu gewährleisten. Dieser Plan sieht je 40 bis 45 Betten in den beiden Zentren Eisenstadt (Krankenhaus der Barmherzigen Brüder) und im Krankenhaus Oberwart vor. Andere stationäre Therapieformen, etwa die hochspezialisierte, langdauernde stationäre Therapie der Kinder- und Jugendpsychiatrie, Alkohol-Entwöhnungsbehandlungen und Langzeit-Psychotherapieformen werde durch diese Bettenzahl allerdings nicht abgedeckt, stellt Dantendorfer fest. "Bei Eisenstadt rechnen wir damit, dass wir das Haus bereits 2003 aufsperren können." Bei Oberwart sei nach dem derzeitigen Stand ein Neubau geplant - voraussichtliche Eröffnung ist 2007. "Sofern alles glatt geht, sollte die Finanzierung in den nächsten Jahren kein Problem sein. Darüber herrscht politischer Konsens."

Regionalisierung Die beiden Abteilungen sind jeweils mit einer Tagesklinik mit zehn Plätzen und einer Ambulanz verbunden. Auch die Vernetzung mit Beratungsstellen des Psychosozialen Dienstes ist vorgesehen. "Sehr wichtig ist mir die Forcierung der extramuralen Strukturen", betont Dantendorfer. "Es gibt gewisse Bereiche, die sind sehr schlecht abgedeckt - derzeit gibt es etwa keine Übergangswohnungen und Tagesstruktureinheiten für Patienten nach einer stationären Behandlung." Menschen, die zwar nicht mehr in einem Krankenhaus behandelt werden müssten, jedoch noch nicht vollständig in Berufs- und Sozialleben integriert werden können, finden derzeit im Burgenland kaum Angebote. Der Effekt ist, dass Patienten oft länger als nötig in einer Landesnervenheilanstalt untergebracht werden, um "auf Nummer sicher" zu gehen.

"Die Tatsache, dass die stationären Behandlungsmöglichkeiten im Burgenland völlig neu geschaffen werden müssen, hat jedoch zumindest den Vorteil, dass bei der Planung neuesten Erkenntnissen Rechnung getragen werden kann", ist Dantendorfer optimistisch. Die Schwierigkeiten der Umstellung von zentralisierten Großeinrichtungen auf kleinere, regionalisierte Behandlungsangebote, wie sie in anderen Bundesländern und auch international bestehen, gebe es daher im Burgenland nicht. So könne rasch eine moderne psychiatrische Versorgung entstehen. Der Psychiatrieplan orientiert sich unter anderem an folgenden Leitlinien: * Die psychiatrische Versorgung muss in das System der allgemeinen Gesundheitsversorgung eingebunden sein. Das bedeutet vor allem die Schaffung von psychiatrischen Abteilungen an öffentlichen Krankenanstalten, die der Grundversorgung dienen.

* Die Versorgungsangebote sollten in geographisch definierten Regionen möglichst nahe des individuellen Lebensumfeldes zu Verfügung stehen.

* Die verschiedenen Versorgungsebenen (stationär, nicht-stationär, psychosozial, komplementär) sollten in allen Bereichen miteinander vernetzt sein und kooperieren.

Der "Psychiatrieplan Burgenland 2000" kann bei Univ.-Prof. Karl Dantendorfer via E-Mail bestellt werden: karl.dantendorfer@univie.ac.at Zum Thema: Aus für Gugging Die Landesnervenheilanstalt Gugging bei Klosterneuburg, Niederösterreich, ist wohl ein Synonym für "Psychiatrie". Nun wurde das endgültige Aus für die Nervenklinik beschlossen. Gugging soll, so der Plan, von 2005 bis 2008 in das Landeskrankenhaus Tulln übersiedeln. Dadurch, so die Argumentation, könne das volle medizinische Leistungsangebot auch in Zukunft gesichert werden. Weitere Gründe sind: die Verhinderung einer Stigmatisierung durch Aufnahme in eine Nervenklinik und die wirtschaftlichen Vorteile durch gemeinsame Betriebsführung und sinkende Investitionskosten. Einzig das Künstlerhaus, das in Gugging bereits als eigenständiger Betrieb ausgegliedert wurde, soll als Kunstobjekt am bestehenden Standort weitergeführt werden.

In Niederösterreich herrscht in Sachen Psychiatrie derzeit Aufbruchstimmung. An sieben Standorten sind psychiatrische Abteilungen vorhanden oder sollen an bestehende Krankenhäuser angeschlossen werden. Waidhofen an der Thaya, ein neues Zentrum in Hollabrunn und Neunkirchen haben bereits aufgesperrt. Geplant sind weiters je ein Zentrum in St. Pölten und Mödling. Die große Landesnervenheilanstalt Mauer soll verkleinert werden.

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