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Die angebliche Problemlösung ist selbst das Problem: Karin E. Leiter über Euthanasie.

Die von "Exit" sind Profis und arbeiten mit Schweizer Gründlichkeit. Da wird nicht lang herumlaviert. Da wird gleich mal Gift kredenzt: Geschätzte 150 Schlafmittel-Cocktails bereiten die "Sterbehelfer" der führenden Tötungsorganisation alljährlich zu - nur ein Bruchteil dessen, was die rund 55.000 Vereinsmitglieder Jahr für Jahr verlangen.

Karin E. Leiter bringt in ihrem neuen Buch "(K)eine Zeit zum Sterben" drastische Beispiele, um ihr Nein zur Euthanasie, aber auch zur apparativen Lebensverlängerung um jeden Preis zu begründen. Denn der Missbrauch ist allgegenwärtig: wenn in Zürcher Altenheimen Euthanasie zur Alternative für schlechte Pflege wird; wenn Beatmungsgeräte und Magensonden zur Folter werden, weil Ärzte aus Angst vor juristischen Folgen Patientenverfügungen ignorieren; oder wenn allein die tödliche Spritze vom Leiden zu erlösen scheint - und ewig das Gewissen quält.

Mit packenden Geschichten und jeder Menge hilfreicher Dokumente im Anhang macht sich Leiter, altkatholische Priesterin und Mitbegründerin der österreichischen Hospizbewegung, auf die Suche nach dem "guten Sterben". Ausgangs- und Brennpunkt dieser Suche ist dabei vor allem sie selbst: Schon als Krankenschwesternschülerin für das Thema Sterbebegleitung sensibilisiert, wird sie 1988 durch die eigene Krebserkrankung in das Thema hineingeworfen. Drei bis vier Wochen wurden ihr damals prophezeit. Geworden sind es bisher 14 Jahre.

Es ist ihr persönlicher Zugang zum Sterben, der das Buch bewegend macht. Die Autorin gibt den Schicksalen Gesichter - etwa jene von Ernestine und Paul. Gefangen im eigenen Jammer, bittet der mehrfach amputierte Diabeteskranke um "Sterbehilfe". Leiter gelingt es, Paul von dieser Bitte abzubringen: Zwischen ihm und seiner Frau arrangiert sie ein Rendezvous am Sterbebett. Als auch Ernestines soziale Einbettung gesichert ist, kann Paul endlich in Ruhe sterben.

Ein romantisch verklärter Idealfall, gewiss. Der Alltag in den Spitälern, Alten- und Pflegeheimen ist oft genug der vors Sterbebett geschobene Paravent des Schweigens. Was aber tun, wenn Todkranke auf dem Wunsch nach Tötung beharren? "Jetzt heißt es nicht, diesen Menschen zu beseitigen, damit das Leiden endlich ein Ende hat", ist Leiter überzeugt. "Jetzt heißt es, mit allen Möglichkeiten moderner Palliativmedizin und der gesamten Palliativ-Care das Leiden auf allen Ebenen zu lindern."

Das besondere Engagement der Autorin gilt dem Kampf gegen die "Sprachschlampigkeit": "Sterbehilfe" würde niemals das bezeichnen, was es meint, vielmehr müsse von Tötungshilfe die Rede sein. In diesem Sinn hält Leiter auch über Koryphäen wie Walter Jens oder Hans Küng gnadenlos Gericht: "Nicht, weil sie für aktive Euthanasie eintreten, sondern weil sie auf dem Niveau eines billigen Boulevardjournalismus Argumentationsgirlanden geknüpft haben, spreche ich Hans Küng und Walter Jens ihre Kompetenz zu diesem Thema ab!"

Etwas weniger Polemik hätte dem Buch bisweilen gut getan, zumal man an anderer Stelle - etwa zum Thema "Selbstbestimmung" - sehr bedenkenswerte Sätze liest: "Wer das Recht auf den Tod einklagt, macht das Töten zur Pflicht!" Angesichts der Eu-thanasie-Freigabe in den Niederlanden und ähnlichen Tendenzen in der Schweiz ein beklemmender Befund.

(K)EINE ZEIT ZUM STERBEN Euthanasie - Problem oder Lösung? Von Karin E. Leiter.

Verlag Tyrolia, Innsbruck 2002 320 Seiten, kart., e 19, 90

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