Ich war eben nicht stark genug, damit fertig zu werden", erklärte ein ehemalige Scharfschütze in einer TV-Dokumentation sich und der interviewenden Reporterin seine "Intrusionen" (plötzlich aufkehrende Erinnerungsfetzen samt Panikgefühlen). Immer wieder überfielen ihn Erinnerungsbilder des Grauens: Menschen erschießen und ihnen dabei ins Gesicht sehen. Soldaten wären es ja "nur" gewesen, beruhigte er sich, keine Zivilisten, daher sei er kein Kriegsverbrecher. Aber eben auch kein Kriegsheld, meine ich, wie er den Vorbildern der Propaganda und Programmierung als Ideal von Sieg und Kameradschaft , von Pflichterfüllung und Durchhaltevermögen entsprechen würde.
Waren es früher Lieder und Gedichte, Appelle und Reden "an meine Völker", sind es heute Filme, die "laufenden Bilder", die Männern vorzeigen, was Soldatenehre bedeutet: der Hierarchie gehorchen, wie grausam oder sinnlos ihre Befehle auch sein mögen, das Leben riskieren, wie aussichtslos das Wagnis auch sein mag, sich selbst zum Opfer bringen, wie unsinnig diese Märtyrerrolle auch sein mag.
Im Film geht das alles ganz leicht. Im Film rennt Forrest Gump mit seinem zerschossenen Kameraden dem Tod davon. Aber im Leben, im wirklichen Leben, steht einem der Tod immer zur einen Seite, und das Grauen steht auf der anderen.
Ich denke dabei an einen jungen Österreicher, 19 Jahre alt, der im Jugoslawieneinsatz zum Grenzschutz abkommandiert war. Er hatte nicht damit gerechnet, dass es auch neben ihm "einschlagen" könnte. Und wie die Kameraden reagieren würden. Und wie er selbst. Unvorbereitet. Viel zu jung, psychisch nicht gefestigt, einsam mit seinen hohen Ansprüchen an sich selbst.
"Stark genug". Diese Suggestivformulierung fordert, die eigene Biographie und das eigene "Täter sein" zu ertragen - und auch die eigene Ohnmacht gegenüber dem Leid einer vergewaltigten Bevölkerung - ohne Gewissensqualen, ohne intrusive Rückblenden, ohne Reue - Erinnerungen höchstens "verkehrt ins Gegenteil": beschönigt, glorifiziert. Aber zeigen nicht gerade Gewissensbisse, dass das Gewissen weiß, dass nicht gut war, was man getan hat?
"Alles kam wieder hoch" stammelte auch der Scharfschütze aus dem ehemaligen Jugoslawien im Fernsehen. Und Selbstmordgedanken seien ihm gekommen. "Ja hört das denn nie auf?!" fragte er verzweifelt, und dann wurde von den psychotherapeutischen Hilfen berichtet - sich frei reden, trauern lernen - und von sozialpädagogischer Beschäftigungstherapie. Die Männer sollten keine Drogen brauchen, um weiter leben zu können, und eine neue Identität finden. Aber kann man seiner Biografie davonlaufen? Aber: darf man Folgen "wegtherapieren", wenn doch die Ursachen beseitigt gehörten?
Die Autorin ist Psychotherapeutin und lehrt seit vielen Jahren Gewaltprävention an der Universität Wien. 2001 erschien ihr Buch "Schaff' Dir einen Friedensgeist. Gewaltprävention in Alltag" im Aaptos Verlag.
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