"HuscH, HuscH ist nicht meines"

Werbung
Werbung
Werbung

24-Stunden-Betreuerinnen aus Osteuropa die Familienbeihilfe als Lohnbestandteil anzubieten, ist nichts anderes als Lohndumping.

Bei uns in der Steiermark haben wir für die Krippe und den Kindergarten immer schon bezahlt, und trotzdem sind die Einrichtungen dort voll.

Ich komme selbst aus einem kleinen Wirtschaftsbetrieb und weiß, dass die 30-Stunden-Woche nicht tragbar ist - zumindest nicht von heute auf morgen.

Sie ist habilitierte Molekularbiologin, Mutter dreier Kinder im Alter von 19, zehn und sechs Jahren sowie seit Dezember Ministerin für Frauen, Familien und Jugend (ÖVP) im Bundeskanzleramt von Sebastian Kurz. Ein Gespräch mit Juliane Bogner-Strauß über die heißesten Eisen ihres Ressorts.

Die Furche: "Eine Führungsfunktion und Muttersein muss heute vereinbar sein", haben Sie unlängst gesagt, als bekannt wurde, dass Sie im Sommer für ein paar Wochen auch noch das Ressort Ihrer schwangeren Kollegin Elisabeth Köstinger übernehmen. Diese Vereinbarkeit hat aber Voraussetzungen. Welche sind es bei Ihnen?

Juliane Bogner-Strauß: Was die Ressortübernahme betrifft, so geht es in erster Linie um eine formale Vertretung. Außerdem ist das Ressort von Ministerin Köstinger gut aufgestellt, das wird gut funktionieren. Und was mich selbst betrifft, so habe ich erstens einen Mann, mit dem ich mir die Betreuung immer schon partnerschaftlich geteilt habe; und zweitens haben wir die Kinderbetreuungsangebote schon sehr früh genutzt: Die Kinder sind mit einem Jahr in die Krippe und dann in den Ganztagskindergarten gekommen und auch jetzt noch teilweise in der Nachmittagsschule. Außerdem haben wir ein tolles Netzwerk aus Familie und Freunden.

Die Furche: Eltern ohne dieses Glück sind ausschließlich auf Betreuungseinrichtungen angewiesen. Diese Woche starten die Bundesländer-Verhandlungen über den weiteren Ausbau, wobei dafür 2019 seitens des Bundes gerade einmal tausend Euro veranschlagt sind. Wie kann das sein?

Bogner-Strauß: Dieser Tausender ist symbolisch zu verstehen, es wird sicher mehr Geld geben. Wir müssen aber noch abklären, nach welchen Kriterien wir die Länder beim Ausbau zweckmäßig unterstützen können. Bei den Drei-bis Sechsjährigen haben wir mit einer Quote von 94 bis 97 Prozent ja schon eine sehr hohe Abdeckung erreicht, nun geht es darum, für die Unterdreijährigen etwas zu tun. Hier stehen wir noch bei 25 bis 28 Prozent.

Die Furche: Viele fordern endlich mehr Qualität und kleinere Gruppen, auch angesichts neuer Anforderungen, Stichwort Sprachförderung. Bräuchte es nicht längst eine Qualitätsoffensive?

Bogner-Strauß: Die wird es auch geben. Wir wollen einen Qualitätsrahmen für alle Bundesländer - von der Ausbildung der Betreuerinnen bis zur Gruppengröße. Aber das Wichtigste sind jetzt die Bundesländerverhandlungen, weil zwei der drei 15a-Vereinbarungen im August auslaufen. Wir haben ja noch ein paar Jahre Zeit, um wichtige Dinge umzusetzen. Besser eines nach dem anderen gut aufbereiten, als alles husch husch durchziehen. Das ist nicht meines.

Die Furche: Von "husch, husch" kann zumindest im Elementarbereich keine Rede sein. Seit Langem werden ein Bundesrahmenplan und ein zweites verpflichtendes Kindergartenjahr gefordert. Hier zu investieren - womöglich mit Gratismittagessen, um auch Kinder aus benachteiligten Familien zu erreichen - würde sich nach Expertenmeinung nachhaltig rechnen.

Bogner-Strauß: Aber 96 Prozent der Kinder besuchen schon zwei Kindergartenjahre. Außerdem bin ich der Meinung, dass Dinge, die etwas wert sind, auch etwas kosten sollten. Das Essen zu Hause kostet ja auch etwas. Bei uns in der Steiermark haben wir für Krippe und Kindergarten immer schon bezahlt, und trotzdem sind die Einrichtungen dort voll. Es gibt ja auch sozial gestaffelte Beiträge in Abhängigkeit vom Einkommen.

Die Furche: Apropos Einkommen: Der 1,5 Milliarden teure Familienbonus, das Prestigeprojekt der Regierung, wird von vielen als ungerecht kritisiert. Laut Liste Pilz profitieren Alleinverdienerinnen mit Teilzeitjob und rund 800 Euro Bruttogehalt gar nicht, Spitzenverdienerinnen mit drei Kindern wie Sie aber mit 4500 Euro.

Bogner-Strauß: Spitzenverdiener zahlen schon eine Menge ein in den Steuertopf, durch den andere unterstützt werden. Österreich ist bei den Familienleistungen sozial gut aufgestellt, zehn Prozent des Bundesbudgets fließen hierher. Der Familienbonus ist hingegen bewusst als Steuerentlastung gedacht. Wobei wir in Österreich ein Medianeinkommen von 1950 Euro haben und es bei 1750 Euro Bruttoeinkommen pro Kind und Jahr einen Steuerbonus von 1500 Euro gibt, also eine hundertprozentige Entlastung von der Lohnsteuer; bei 2300 Euro Bruttogehalt und zwei Kindern gibt es 3000 Euro plus. Und für Alleinerzieherinnen und -erzieher gibt es auch noch 250 Euro pro Jahr und Kind. Außerdem hat die Steuerreform 2016 eine Negativsteuerentlastung gebracht. Österreich tut also schon sehr viel.

Die Furche: Wird es eine staatliche Unterhaltsgarantie für Alleinerziehende geben?

Bogner-Strauß: Wir überlegen eine Reform, im Justizministerium wurde dazu eine Arbeitsgruppe eingerichtet. Wenn es hier ein Ergebnis gibt, gehen wir das Thema an.

Die Furche: Reformiert werden soll jedenfalls die Familienbeihilfe, indem man sie den Lebenshaltungskosten anpasst -also im Ausland meist kürzt. Unabhängig davon, ob das EU-rechtskonform ist, fürchten viele, dass es für Frauen aus Osteuropa deutlich unattraktiver werden könnte, als 24-Stunden-Betreuerin in Österreich zu arbeiten.

Bogner-Strauß: Diesen Frauen die Familienbeihilfe als Lohnbestandteil anzubieten, ist nichts anderes als Lohndumping. Dagegen sollte ganz entschieden vorgegangen werden.

Die Furche: Sie wollen also dafür eintreten, dass diese Frauen besser entlohnt werden?

Bogner-Strauß: Ich möchte jedenfalls nicht, dass Lohn und Familienbeihilfe in einen Topf geworfen werden.

Die Furche: Aber de facto werden diese Frauen weniger Geld erhalten - und es sich überlegen, ob sie nicht lieber in ihrer Heimat Menschen pflegen als in Österreich.

Bogner-Strauß: Das sind Spekulationen. Jetzt geht es einmal darum, allen Kindern gegenüber fair zu sein. Das geht aber nur, wenn man die Familienbeihilfe als das sieht, was sie ist -nämlich ein teilweiser Ersatz der Lebenshaltungskosten.

Die Furche: Klar ist, dass der Pflegebereich völlig neu aufgestellt werden muss. Um die Care-Arbeit an alten Menschen und Kindern fairer zu verteilen, fordert das Frauenvolksbegehren u. a. eine 30-Stunden-Woche für alle. Sie haben erklärt, das Begehren nicht unterschreiben zu wollen. Was stört Sie konkret an diesem Punkt?

Bogner-Strauß: Ich komme selbst aus einem kleinen Wirtschaftsbetrieb und weiß deshalb, dass die 30-Stunden-Woche für die Wirtschaft einfach nicht tragbar ist - zumindest nicht von heute auf morgen. Außerdem kann schon jetzt jeder in Elternteilzeit gehen, sobald er in einem Betrieb über 20 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter tätig ist. Nur nehmen davon viel zu wenige Eltern Gebrauch.

Die Furche: Woran liegt das?

Bogner-Strauß: Ich weiß es nicht. Aber wenn Menschen Dinge nicht freiwillig machen, warum soll ich eine Verpflichtung herbeiführen?

Die Furche: Man könnte noch mehr Anreize setzen, vor allem für Väter.

Bogner-Strauß: Wir machen schon viel Bewusstseinsarbeit in Sachen Väterbeteiligung. Ich möchte auch das Kinderbetreuungsgeldkonto nach einem Jahr evaluieren, um zu sehen wie der Familienzeitbonus wahrgenommen wird. Wenn Väter einmal in Karenz gehen, sind sie ja später eher bereit, in Teilzeit zu gehen. Derzeit sprechen die Zahlen aber noch für sich: 75 Prozent der Frauen, aber nur sieben Prozent der Männer arbeiten Teilzeit, wenn sie Kinder unter 15 Jahren haben. Das kann nicht gut gehen in der Pension.

Die Furche: Wobei der Anreiz, als Frau zu Hause zu bleiben, durch den Familienbonus noch steigt.

Bogner-Strauß: Ich sehe das nicht so. Jede Frau soll selbst entscheiden können, ob und wie lange sie zu Hause bleibt. Der Familienbonus kann aber ein Anreiz dafür sein, arbeiten zu gehen und 1750 Euro oder mehr zu verdienen.

Die Furche: Kommen wir zu einem Bereich, der viele Familien täglich herausfordert -die Schule. Viele Eltern beklagen die Schwierigkeit, im Sommer eine Betreuung für ihre Kinder zu organisieren. Und die schulautonomen Tage erleben sie als Ärgernis par excellence.

Bogner-Strauß: Dem kann ich nur zustimmen! Bildungsminister Faßmann und ich haben deshalb auch vor, die schulautonomen Tage als Herbstferien zu vereinheitlichen. Aber da muss man auch die Lehrer-, Schüler-und Elternvertreter mit ins Boot holen. Und zu den Sommerferien: Wir wissen, dass neun Wochen lange sind, aber als ersten Schritt gibt es von uns schon eine Family-App, auf der man alle Anbieter von Sommerprogrammen abrufen kann. Außerdem bieten bereits viele Schulen Sommerbetreuung an. Ich verstehe aber den Ärger, viele Eltern sehen sich ja den ganzen Sommer nie, weil sie sich den Urlaub aufteilen müssen.

Die Furche: Eine andere Querschnittsmaterie zwischen Bildungs-und Familienpolitik ist das Kopftuchverbot in Kindergärten und Volksschulen. Die rechtliche Zulässigkeit des "Kinderschutzgesetzes" ist umstritten. Aber wie soll es überhaupt exekutiert werden?

Bogner-Strauß: Als ersten Schritt schauen wir uns einmal die Gutachten an und prüfen, wie man das am besten umsetzen und jungen Mädchen die Chance geben kann, in Freiheit und ohne Mobbing oder Diskriminierung aufzuwachsen.

Die Furche: Viele betonen, dass Verbote kontraproduktiv seien und die Bewusstseinsbildung von der muslimischen Community kommen müsste. Sind Sie hier im Gespräch?

Bogner-Strauß: Ich habe bereits mit dem Präsidenten der Islamischen Glaubensgemeinschaft, Ibrahim Olgun, erste gute Gespräche geführt und auch gefragt, ob es nähere Zahlen gibt - nicht nur zu Kindern mit Kopftuch, sondern auch zur Integration muslimischer Frauen am Arbeitsmarkt. Die wirtschaftliche Unabhängigkeit ist ja extrem wichtig zum Schutz vor Diskriminierung und Gewalt. Man hat mir zugesagt, dass man sich kundig machen wird, aber dass es auch schwierig ist, hier zu Daten zu kommen.

Die Furche: Integration und Schutz vor Gewalt wären auch Ziele von außerschulischer Jugendarbeit und Familienberatungsstellen. Doch auch hier kürzt die Regierung.

Bogner-Strauß: Es wird hier tatsächlich minimale Einsparungen geben -weil wir das Budget konsolidieren und unseren Kindern keine Hypothek hinterlassen wollen.

Ich verstehe den Ärger über die neun Wochen Ferien, viele Eltern sehen sich ja den ganzen Sommer nie, weil sie sich den Urlaub aufteilen müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung