„Ich fühle eine gewisse Verantwortung“

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Er kritisiert den Zynismus in unserer Wirtschaft, fördert soziales Engagement. Der Unternehmer und bauMax-Vorstand Martin Essl im FURCHE-Interview. Das Gespräch führte Claus Reitan

Martin Essl, Vorstand der bauMax AG, über die Krise, Wertemangel und Unternehmensführung als Christ.

Die Furche: Unter welchem Blickwinkel betrachten Sie die Krise und ihre Folgen?

Martin Essl: Diese Krise hat die Welt grundlegend verändert. In den USA ließ der Finanzminister, der zuvor CEO von Goldman Sachs war, deren Konkurrenten Lehman Brothers in den Konkurs schlittern. Bedauerlicherweise besteht hier auch eine persönliche Dimension. Die in giftige Papiere verpackten Kredite wurden außerhalb der USA verkauft, mit besten Ratings von jenen Agenturen, deren Aufsichtsräte von denselben Agenturen bewertet wurden. So wurden Investoren hinters Licht geführt. Das führte von der Immobilienblase zur Finanzkrise. Die Staaten mussten noch nicht verdiente Milliarden in den Blutkreislauf der Wirtschaft pumpen. Jetzt wird wieder über Boni gesprochen. Es scheint, als hätte die Welt nichts gelernt. Das macht mir Sorgen. Denn es handelt sich um eine dramatische Situation: Als Auswirkung der Krise hat das Weltvermögen um zwölf Prozent abgenommen. Die Anzahl der Menschen, die in Armut leben, hat sich binnen eines Jahres von 500 Millionen auf eine Milliarde verdoppelt. Niemand kann sagen, es sei nichts passiert.

Die Furche: Fehlt es im Management an sozialer Verantwortung? Oder liegt das alles an überzogenen Renditeerwartungen?

Essl: All das gehört zu den Ursachen. Viele Unternehmen sind börsennotiert. Und es ist zu einer Unsitte geworden, die Beurteilung eines Unternehmens rein auf die Ertragsfähigkeit abzustellen. Einen Befund aufgrund von Quartalsberichten zu erstellen, ist uninteressant. Es wird dies alles zu wenig kontrolliert. Es kann nicht gesund sein, dass nur fünf Prozent der Finanztransaktionen durch Warenströme gedeckt sind, 95 Prozent der Beträge werden nur hin- und hergeschoben. Da entsteht kein nachhaltiger Nutzen. Da läuft im System etwas falsch. Wie gesagt: Manche spreche schon wieder über Boni. Wir agieren zynisch. Es geht darum, dass ein erheblicher Teil der Weltbevölkerung ein massives Überlebensproblem hat.

Die Furche: Sie müssten eigentlich für die Transaktionssteuer sein.

Essl: Selbstverständlich. Und für eine Kontrolle, dass nicht wieder solche giftigen Papier konstruiert werden. Und ich bin dafür, dass jene Leute, die die Fehler gemacht haben, die Folgen übernehmen. Es wurden ja viele Papier auch in Österreich verkauft. Der Kreislauf der Wirtschaft hat gelitten, bei den Banken werden Gebühren erhöht, das wird dann mit Basel II erklärt: Das Geld werde eben teurer. So werden einige Dinge zugedeckt. Es geht nicht nur um die Menschen mit Hunger. Es gibt kaum eine Gesellschaft, die nicht als Folge der Krise einen Nachteil oder eine Vermögensminderung erleidet. Etwa in Zentral- und Südosteuropa ...

Die Furche: ... wo Ihr Unternehmen besonders engagiert ist.

Essl: Wir machen dort rund 60 Prozent des Gruppenumsatzes. Aber das Thema ist: Dort gab es die samtene Revolution, einen Umsturz ohne Blutvergießen. Die Leute bekamen die Zuversicht, alles werde neu. Darum sind wir dorthin gegangen. Es gab einen bemerkenswerten Aufstieg. Doch Zentral- und Südosteuropa kennzeichnen instabile politische Verhältnisse. Die Regierungen sind es durch die letzten Jahre gewohnt, in Aufschwungsphasen ihre Akzente zu setzen. Für den jetzigen Abschwung gibt es keine Erfahrungen. Noch dazu, wo Spekulanten mit Wetten gegen die Währungen kleiner Länder Gewinne erzielten. Weil dem Staat wegen der Wirtschaftshilfen jetzt Mittel fehlen, werden jenen Bevölkerungsgruppen Leistungen gestrichen, die sich am wenigsten darüber beklagen. Zugleich werden die Steuern angehoben, konkret in Ungarn die Mehrwertsteuer. Das geschieht jetzt, in einer Phase steigender Zinsbelastungen, denn die meisten Fremdwährungskredite wurden zwangsweise konvertiert. Ungarn etwa wird Jahre brauchen, ehe es wieder ein Wachstum erreicht. Ich habe Hochachtung vor der Gesellschaft in Zentral- und Südosteuropa, wie sie das erduldet und bewältigt.

Die Furche: Wieso kommt es etwa zu Spekulationen? Fehlt es an Ethik? Und wer soll sie herstellen?

Essl: Es gibt keine einfache Antwort. Ich bin kein Freund der Ansicht, es gehörte alles reglementiert. Ich sehe das Problem vielmehr darin, dass die Gesellschaft einen Mangel an Werten erlebt. Es werden zu sehr Egoismen gezüchtet. Obwohl die Teamleistung immer das bessere Ergebnis ergibt, zählt die Einzelleistung. Der Wettbewerb steigert die Leistung, aber unsere Systeme sind zu sehr hochgeschraubt. Es fehlen allgemeine Werte, die Gültigkeit haben. Jeder sitzt in seinem kleinen Boot ohne Navigationssystem.

Die Furche: Wer sollte ein GPS der Werte herstellen? Die Religion?

Essl: Ich bin als Christ auf die Welt gekommen, mit allen Stärken und Schwächen. Ich lese jeden Tag im Wort Gottes. Obwohl die Bibel vor Jahrhunderten geschrieben wurde, kann ich jeden Tag für mich etwas herauslesen. Ich mache nicht alles mit, ich fühle eine gewisse Verantwortung, fühle mich verpflichtet, etwas zu tun, mich in diese Welt einzubringen.

Die Furche: Was bedeutet das in der Unternehmensführung?

Essl: Ein großes Thema ist, wie ich mit meinen Mitmenschen umgehe. Wir haben dazu einiges im Leitbild niedergeschrieben. Wir stellen den Menschen als Krone der Schöpfung Gottes in den Vordergrund. Wir wollen versuchen, Nutzen zu stiften. Also den Kunden ein besseres Produkt anbieten. Die Mitarbeiter bilden wir aus, wir fördern sie. Und wir haben, sicher aus christlichen Erwägungen, wichtige Entscheidungen getroffen, um gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Auf der einen Seite ist es die Förderung der modernen Kunst, auf der anderen Seite sind es soziale Aktivitäten, die über bauMax laufen.

Die Furche: Unterstützen Sie Institutionen oder Personen? Und wie?

Essl: Wir haben zuerst Institutionen unterstützt, dann haben wir dieses Engagement erweitert und mit der Integration behinderter Menschen in unsere Teams begonnen. Jeder unserer 140 Märkte hat mindestens einen Menschen mit mentaler oder psychischer Behinderung integriert. Hier machen wir sehr positive Erfahrungen. Und schließlich haben meine Frau und ich vor zwei Jahren den Essl Social Prize gegründet, den ersten weltweiten Preis für Social Entrepreneure. Erster Preisträger ist Pater Sporschill, der in Rumänien Kinder von der Straße holt. Mit dem Preisgeld wurde ein Wohn- und Ausbildungshaus für Jugendliche errichtet. Die zweite Preisträgerin ist eine Ungarin: Tiborné Szekeres hat als Einzelperson eine Institution für Menschen mit Behinderung geschaffen. Nun wird ein Hospiz errichtet, damit Menschen mit mentaler Behinderung im Alter würdig betreut werden können. Das ist europaweit ein Pionierprojekt. Menschen wie Pater Sporschill oder Frau Szekeres sind die wahren Stars.

Die Furche: Corporate Social Responsibility also, was Sie tun …

Essl: Wir stehen dazu, in guten wie in schlechten Zeiten. Gerade jetzt ist sie allgemein en vogue. Ich bin gespannt auf die CSR-Berichte in zwei Jahren. Da wird sich die Spreu vom Weizen trennen.

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