#Ich muss wahnsinnig aufpassen#

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Katharina Schuchter begleitet Frauen in der Schwangerschaft # und damit in einer der sensibelsten Phasen ihres Lebens. Jeder ihrer Blicke auf den Monitor wird gedeutet, jede Diagnose kann Klagen nach sich ziehen. Eine Pionierin im Bereich der Pränataldiagnostik erzählt.

Es ist eine Arbeit auf einem schmalen Grat: zwischen Hoffen und Bangen, zwischen Leben und Tod. Gerade kürzlich war wieder so ein Fall, erzählt die ruhige, fast schüchtern wirkende Frau im weißen Mantel: Eine Patientin, bereits Mutter eines Kindes, erfährt, dass sie wieder schwanger ist. Der kleine Mensch in ihrem Leib scheint gesund zu sein. Und doch stürzt für die Frau eine Welt zusammen: Die Wohnung, die Lebensplanung # alles ist auf ein Kind ausgerichtet. Vor allem aber der Vater, für den ein zweites Kind nicht in Frage kommt. Soll sich die werdende Mutter für ihren Partner und damit gegen das Ungeborene entscheiden? Oder umgekehrt? #Das ist schon ein Wahnsinn für diese Frau#, sagt Katharina Schuchter im Untersuchungszimmer ihrer Ordination im vierten Wiener Gemeindebezirk.

Wie allen anderen Frauen in Konfliktsituationen hat Schuchter auch dieser Patientin dringend geraten, sich Hilfe zu holen: bei der #aktion leben# oder einer Psychotherapeutin ganz in der Nähe, die früher direkt in Schuchters Ordination mit dem programmatischen Namen #med4women# tätig war.

Es sind vor allem ältere Schwangere jenseits von 35 Jahren, die zu Katharina Schuchter kommen oder von ihren Frauenärzten hierher geschickt werden. Da ab diesem Alter das Risiko, ein Kind mit Down-Syndrom zu bekommen, sprunghaft zu steigen beginnt, wächst automatisch auch die Angst. Wird mein Kind gesund sein? Wie groß ist das Risiko einer Behinderung? Jeder irritierte Blick der untersuchenden Ärztin auf den Monitor wird interpretiert. Zugleich mehren sich jene Fälle, in denen Gynäkologen von Eltern später auf #Schadenersatz# geklagt werden, weil diese eine Behinderung übersehen hätten. #Ich muss wahnsinnig aufpassen, dass mir kein Fehler passiert#, beschreibt Katharina Schuchter ihre Arbeitssituation. #Der Druck ist schon enorm geworden#. Auch jener auf die Frauen, die durch das Internet zusätzlich verunsichert sind. #Da muss man schon sehr viel Ruhe und Sicherheit ausstrahlen, die Frauen bestärken und sagen: #Dem Kind geht es gut.##

Auch Katharina Schuchter ist es gut gegangen, damals, als ihre Mutter im Alter von 43 Jahren mit ihr schwanger war. Das Mädchen kommt 1964 als jüngstes von sechs Kindern in Salzburg zur Welt und wird in eine Künstlerfamilie hineingeboren. Vater Gilbert ist Pianist und Dirigent, die Mutter lehrt halbtags am Mozarteum, Schwester Gabriele und Bruder Georg, der später bei einem Bergunfall ums Leben kommt, werden Schauspieler, eine weitere Schwester Musikerin. Katharina spürt bald die Bürde des großen Namens: #Meine Klavierlehrerin hat mir gesagt: Wenn du Schuchter heißt, dann musst du besser Klavier spielen!#, erinnert sich die heute 46-Jährige. Schließlich entschließt sie sich, Medizin zu studieren.

#Wir leben nicht in einem Supermarkt#

Sie geht nach Wien und entdeckt ihr Interesse an der Gynäkologie. #Es ist ein so vielseitiges Fach#, schwärmt Schuchter, #einerseits die Geburten, die immer wieder ein Wunder sind; und auch die Möglichkeit, sehr manuell zu arbeiten.# Die junge Doktorin geht nach London, um bei Kypros Nicolaides das neue Feld vorgeburtlicher Untersuchungsmethoden zu studieren. Schließlich kehrt sie 1992 heim und beginnt im Rahmen ihrer Facharztausbildung am Wiener Donauspital (SMZ Ost), gemeinsam mit einem Kollegen die Abteilung für Pränataldiagnostik aufzubauen. Bis heute ist sie ihr Spezialgebiet # als Oberärztin im Donauspital wie auch als Wahlärztin im Institut #med4women#.

Der Zwiespältigkeit vorgeburtlicher Untersuchungen ist sich Schuchter bewusst. Immerhin 90 Prozent jener Frauen, bei denen nach einer Fruchtwasserpunktion ein Down-Syndrom diagnostiziert wird, entscheiden sich für einen Abbruch. #Andererseits muss man auch eine große Toleranz haben#, betont die Medizinerin. Für sie selbst überwiegen insgesamt die positiven Aspekte der pränatalen Untersuchungen: die Möglichkeit, in der überwiegenden Zahl der Fälle die Eltern zu beruhigen; die Option, bei einer Fehlbildung ein spezialisiertes Geburtskrankenhaus auszuwählen; oder, wie unlängst, die Möglichkeit, bei einer unzureichenden Versorgung eines Fötus einen optimalen Geburtstermin festzusetzen. #Ohne Pränataldiagnostik wäre dieses gesunde Kind gestorben#, betont die Ärztin in ihrem Untersuchungszimmer.

Es ist eben ein Arbeiten auf einem schmalen Grat. Sensibilität, wie sie Katharina Schuchter von ihren Patientinnen bescheinigt wird, macht die Sache etwas leichter. In Zukunft will sich die Medizinerin, die selbst # ohne bewusste Entscheidung # ledig und kinderlos geblieben ist, sich aber mit ihren Geschwistern, Neffen und Nichten eng verbunden fühlt, vermehrt ethischen Fragen widmen. #Den Satz, Für mich kommt kein krankes Kind in Frage# höre ich schon sehr oft#, sagt sie mit ruhiger Stimme. #Wir leben aber nicht in einem Supermarkt, wo man sich das einfach aussuchen kann.#

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