"Ich suche das Gespräch mit allen Gruppen"

19451960198020002020

Der 54jährige Radiologe Reinhart Waneckist neuer Staatssekretär für Gesundheit (FPÖ).Er gilt bei Insidern als "integrativ und intelligent", als Mann mit guten Kontakten undals Branchenkenner. Waneck warärztlicher Direktor und Vorstand derRöntgenabteilung des Krankenhauses der barmherzigen Schwestern in Wien. Sein Ziel ist es, die Gesundheitspolitik aus der Parteipolitik herauszuhalten.

19451960198020002020

Der 54jährige Radiologe Reinhart Waneckist neuer Staatssekretär für Gesundheit (FPÖ).Er gilt bei Insidern als "integrativ und intelligent", als Mann mit guten Kontakten undals Branchenkenner. Waneck warärztlicher Direktor und Vorstand derRöntgenabteilung des Krankenhauses der barmherzigen Schwestern in Wien. Sein Ziel ist es, die Gesundheitspolitik aus der Parteipolitik herauszuhalten.

Werbung
Werbung
Werbung

dieFurche: Warum gibt es jetzt wieder ein eigenes Staatssekretariat für Gesundheit?

Reinhart Waneck: In den letzten fünf Jahren ist die Artikulationsmöglichkeit im Gesundheitswesen zu kurz gekommen, weil Gesundheit im großen Sozialministerium untergegangen ist. Ich habe das auch bemerkt, als ich einen Rundgang bei den Mitarbeitern gemacht habe. Sie sind erleichtert, nach dem Motto: Egal wer kommt, Hauptsache wir können uns jetzt wieder nach außen darstellen. Das ist eines der wesentlichen Signale dieser Regierung: Sie möchte, daß Gesundheit wieder ihren Stellenwert zurückbekommt. Mein Ziel ist es, die Gesundheitspolitik auf eine große Konsensbasis der betroffenen Gruppierungen stellen und sie aus der Tages- und Parteipolitik herauszuhalten, wenn das irgendwie möglich ist.

dieFurche: Sie sind Radiologe. Hatten Sie bereits ausreichend Gelegenheit, das Gesundheitswesen zu durchleuchten?

Waneck: Im Prinzip ja. Natürlich nur von der ärztlichen Seite her. Als Krankenhausdirektor sieht man das Gesundheitswesen jedoch nicht nur durch die ärztliche Brille. Ich habe mich relativ viel mit dem Gesundheitswesen beschäftigt.

dieFurche: Sie sind selbst Arzt. Würden Sie auch für Ärzte unpopuläre Maßnahmen durchsetzen? Besteht nicht die Gefahr, daß man Sie als Lobbyist der Ärzteschaft sieht?

Waneck: Diese Gefahr besteht nicht nur, das wird ja bereits behauptet. Aber wer mich kennt, weiß genau, daß ich immer in der Lage war, Interessen zu trennen. Für mich ist der Mensch, der Patient, das primär schützenswerte Gut. Der Arzt muß einerseits die Ökonomie beachten, andererseits ist er verpflichtet das Notwendige für den Menschen zu tun. Ich fühle mich als Vertreter der Patienten unter Bedachtnahme der ökonomischen Gegebenheiten.

dieFurche: Also Sie scheuen sich nicht, Maßnahmen umzusetzen, die Ärzten nicht gefallen könnten?

Waneck: Nein. Mein Prinzip ist das offene Gespräch mit allen Gruppen. Es muß jeder einsehen: Wenn irgendwo Beschränkungen drohen, sind alle davon betroffen. Und ich glaube, ich werde hier die Unterstützung der Österreichischen Ärztekammer finden.

dieFurche: Die Krankenkassen haben 1999 mehr als drei Milliarden Schilling Defizit gemacht. Wo sehen Sie Möglichkeiten zur Einsparungen im Gesundheitswesen?

Waneck: Ich glaube, man muß die gewachsenen Strukturen permanent anpassen und verbessern. Es wäre wunderbar, wenn ich mich mit den Krankenkassen, allen Betroffenen und Gruppierungen zusammensetzen und sagen könnte, das ist die Lösung für die nächsten vier Jahre. So wird es nicht sein. Man kann vielleicht ein Konzept erarbeiten, das für die nächsten Jahre hält. Aber dazwischen muß man laufend Korrekturen vornehmen.

dieFurche: Sie nehmen eine große Weichenstellung vor: die Einführung des Selbstbehaltes beim Ambulanz- und Arztbesuch. Ist das ihrer Meinung nach die einzige Möglichkeit, das Gesundheitswesen zu sanieren?

Waneck: Es ist mir klar, daß der Selbstbehalt die Menschen am meisten interessiert. Nur läuft die Diskussion um den Selbstbehalt in die falsche Richtung. Der Selbstbehalt ist eine der möglichen Maßnahmen zur Korrektur, sie steht aber eher am Ende. Eine andere Möglichkeit sind Einsparungen im Bereich der Verwaltung der Krankenkassen. Zwar sagen die Krankenkassen, daß im Bereich der Verwaltung alles, was möglich war, bereits eingespart wurde, aber so ganz glaube ich das nicht. Auch mit der Chipkarte könnten man Kosten reduzieren. Das Chefarztsystem steht grundsätzlich zur Debatte. Im Bereich der Telekommunikation gibt es Möglichkeiten. Auch wird man sich etwas bei den Medikamenten überlegen müssen. Soweit ich informiert bin, sind erstmals die Ausgaben für Medikamente höher als jene für die niedergelassenen Ärzte. Hier muß man in Verbrauchergewohnheiten eingreifen. Viele Medikamente werden nicht einmal aufgemacht, bevor sie in den Mistkübel wandern. Auch bei den Ärzten ist eine Kampagne notwendig - auch wenn ich ihnen nicht vorwerfen will, daß sie zu viel verschreiben. Natürlich wird man auch mit der Pharmaindustrie reden müssen.

dieFurche: Viele Experten meinen, der Selbstbehalt sei sozial ungerecht und treffe vor allem die - wie es ihr Chef Jörg Haider oft ausdrückt - kleinen, anständigen Bürger.

Waneck: So wie es angedacht ist, trifft es nicht die sozial Schwachen. Es trifft auch nicht zu, daß der Patient dann mehr ins Krankenhaus geht, wie es Seitens der Krankenversicherung behauptet wird. Selbstbehalte gibt es ja bereits bei den Beamten und Gewerbetreibenden. Der Quartalswert eines Scheines beträgt rund 400 bis 440 Schilling. Wenn man jetzt von 20 Prozent Selbstbehalt ausgeht, dann sind das für drei Monate 80 bis 85 Schilling. Und in diesem Quartal kann der Patient so oft zu diesem Arzt gehen wie er möchte.

dieFurche: Wäre es nicht auch möglich, die Beiträge zur Sozialversicherung zu erhöhen?

Waneck: Ich glaube, daß man auch dieses Thema diskutieren muß. Daher wäre es sinnvoll, wenn alle Beteiligten und Betroffenen an einem Tisch sitzen und ein gemeinsames Konzept entwickeln. Ich erwarte mir, daß auch bei den Krankenkassen ein Kassensturz gemacht wird und nicht irgendwelche Prognosen über Defizite gemacht werden - hinter vorgehaltener Hand wird gesagt, daß das Defizit in Wirklichkeit noch höher sei als die derzeit kursierende Zahl von drei Milliarden. Ich möchte aber noch einmal betonen, daß der Selbstbehalt nicht dazu da ist, das finanzielle Problem zu lösen. Er ist eine von etlichen möglichen Maßnahmen.

dieFurche: Kommen für Sie auch gestaffelte Beiträge für Risikogruppen in Frage, etwa insoweit, daß Raucher höhere Krankenversicherungsbeiträge zahlen müssen?

Waneck: Das ist auch eine Möglichkeit, ohne daß ich die rauchende Bevölkerung jetzt ausgrenzen will. Ich bin grundsätzlich offen dafür, in Bereichen, wo sich Menschen bewußt in ein Risiko begeben, daß man sie hier auch beteiligt. Man kann das aber natürlich nicht nur auf die Raucher beschränken.

dieFurche: Themenwechsel. Wie stellen Sie sich die künftige Regierungsarbeit vor? Sozialministerin Elisabeth Sickl hatte in Portugal vergangenes Wochenende ja nicht gerade einen leichten Start ...

Waneck: Ich habe heute den ersten Rundgang im Ministerium gemacht und habe festgestellt, daß alle Gruppen in den EU-Programmen voll verankert sind. Hier sehe ich überhaupt keine Beeinträchtigungen. In etlichen Gruppen ist Österreich auch federführend. Ich habe noch von keinem gehört, daß Österreicher diskriminiert werden.

dieFurche: Das Sozialministerium war jahrzehntelang in roter Hand. Sehen Sie hier Schwierigkeiten auf Sie zukommen, wenn die Beamtenschaft Ihnen ablehnend gegenüber steht?

Waneck: Bis jetzt bin ich noch nicht auf Ablehnung gestoßen. Die österreichische Beamtenschaft hat eine Eigenschaft, die sie seit der Monarchie noch nie verloren hat: sie sind loyal und sie arbeitet für den Staat. Und ich glaube, daß ich meinen zukünftigen Mitarbeitern sehr offen entgegen gekommen bin und ich werde sicher keine Partei-Personalpolitik machen. Es braucht daher niemand um seine Position zu fürchten. Es ist schon schwierig genug, daß derzeit keine Posten nachbesetzt werden, sodaß eine Personalverdünnung die Folge sein wird.

dieFurche: Das Wochenmagazin "Format" von diesem Montag schreibt, daß Sie im Mai 1989 den Ehrenschutz für eine Veranstaltung des umstrittenen "Mitteleuropäischen Kulturvereins" übernommen haben. Im Programm der Veranstaltung, so das Nachrichtenmagazin, wird unter anderem ein Gedicht mit folgendem Wortlaut abgedruckt: "Fest im Glauben und im Willen ungebeugt, voll Mut und Kraft, Alte deutsche Sehnsucht stillen und der Toten Auftrag zu erfüllen, der ein neues Deutschland schafft". Neben Ihnen hätten damals auch mehrere einschlägig bekannte österreichische Rechtsextremisten den Ehrenschutz übernommen.

Waneck (liest den Artikel): Also ich muß Ihnen ehrlich sagen, daß ich den Mitteleuropäischen Kulturverein nicht kenne und hoffe, daß mir da nicht irgendeine Unterschrift darübergelaufen ist. Ich habe dafür keine Erklärung, da muß ich passen. Vielleicht ist das so zustande gekommen, daß man mir das untergeschoben hat, und ich einen Ehrenschutz für irgendeine Veranstaltung unterschrieben habe.

Das Gespräch führte Monika Kunit.

ZUR PERSON Ein Radiologe als Staatssekretär Am 16. Oktober 1945 in Innsbruck geboren, absolvierte Reinhart Waneck die Volksschule und das Realgymnasium in Wien. Hier promovierte er auch 1971 nach einem Medizinstudium. Nach dem Turnus in Oberösterreich und Wien sowie der Facharztausbildung mit Studienaufenthalten in Deutschland, Schweden und den USA, habilitierte sich Waneck 1985 und wurde 1994 zum außerordentlichen Universitätsprofessor ernannt. Von 1981 bis 1986 war er Vorsitzender des Dienststellenausschusses für Hochschullehrer. Fünf Jahre lang war der Radiologe ärtzlicher Direktor des Krankenhauses der Barmherzigen Schwestern in Wien. Er ist außerdem Vorstandsmitglied des Wiener und österreichischen Verbandes der ärztlichen Direktoren und Primarärzte. Waneck ist mit einer Schwedin verheiratet und Vater von vier Kindern (ein Sohn ist vor vier Jahren an einer unheilbaren Gehirnerkrankung verstorben).

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung