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Noch immer werden viele Siedlungen, Häuser und Wohnungen hauptsächlich auf die Bedürfnisse junger Menschen ausgerichtet. Innovative Konzepte für Wohnen im Alter werden künftig aber dringend nötig sein.

Wohnen hat immer Konjunktur - das Angebot an entsprechenden Geschäften und Magazinen ist ein deutliches Zeichen dafür. Für nichts geben Österreich so viel Geld aus wie für die eigene Wohnung. Doch passen die Häuser und Wohnungen, ihre Ausstattung, Größe und Lage auch noch, wenn ihre Bewohner älter werden und manche Tätigkeiten nicht mehr so einfach von der Hand gehen?

Die erste Assoziation zum Thema "Wohnen im Alter" ist meistens das Stichwort "Alten- und Pflegeheim". Allerdings leben in Österreich nur rund drei Prozent der Über-60-Jährigen in Heimen, also etwa 50.000 Menschen. Bleibt dieser Prozentsatz gleich, werden es im Jahr 2030 aber schon 80.000 Menschen sein. Wollte man sie in Heimen mit je hundert Betten unterbringen, müsste die nächsten 25 Jahre jeden Monat ein solches eröffnet werden.

Langsames Umdenken

Dieses Gedankenspiel zeigt, dass es in Zukunft mehrere unterschiedliche Angebote geben muss, um mit diesen neuen Bedingungen umgehen zu können. Auch weil die Kapazität der Familien, die nach wie vor den größten Anteil an Betreuungsarbeit übernehmen, weitestgehend ausgeschöpft ist: Gestiegene Erwerbstätigkeiten, beruflich geforderte Flexibilität und geringere Kinderzahlen lassen einen Ausbau der Pflege innerhalb der Familie nicht mehr zu.

Es ist aber nicht nur ein quantitatives Problem: Menschen, die sich über Jahrzehnte zu individuellen und eigenständigen Menschen entwickelt haben, lassen sich nicht so einfach in die groben Schemata von sieben Pflegestufen einordnen. Ihr jeweiliger gesundheitlicher und psychischer Zustand verlangt individuelle Lösungen. Der Wohnungsmarkt beginnt erst langsam, für die Zielgruppe der Senioren Angebote zu entwickeln. Diese sind allerdings meist nur auf Lift und rollstuhlgerechte Sanitärräume ausgerichtet, oft an der Peripherie der Städte, herausgerissen aus dem gewohnten Feld der Alltagsbeziehungen.

An vielen anderen Stellen hat jedoch bereits ein Umdenken begonnen. Viele Kommunen und Pflegeinstitutionen entwickeln alternative Angebote. Die Stadt Feldkirch in Vorarlberg etwa hat vor einigen Jahren ein neues Seniorenkonzept beschlossen. Statt großer, zentraler Pflegeheime ist man zu dezentralen Servicestationen in den einzelnen Stadtteilen übergegangen, in denen verschiedene Dienste angeboten werden; von Pflegebett und Tagesbetreuung bis hin zu mobilen Kranken- und Pflegediensten. Die Bewohner dieser Häuser kommen zum überwiegenden Teil aus dem entsprechenden Stadtteil. So können sie in ihrer gewohnten Umgebung bleiben und den Kontakt zur Familie leichter aufrechterhalten. Eines dieser Häuser steht im Stadtteil Nofels. Das zweigeschoßige Haus ist um einen großen Innenhof orientiert, über den man zu den einzelnen Einrichtungen gelangt. Im Erdgeschoß sind die Tagesbetreuung, der Krankenpflegeverein, die Verwaltung und das Cafe angeordnet. Das Cafe ist nicht nur Aufenthalts- und Speiseraum für die Bewohner, sondern auch offen für Menschen aus der Umgebung. Im oberen Geschoß befinden sich 32 Zimmer für Pflegefälle. Vor den nach außen orientierten Zimmern liegen breite Flure, in denen die Menschen sich tagsüber meist aufhalten. Dieser Bereich wurde nicht auf eine spezielle Funktion hin geplant, er ist Erschließung und Aufenthaltsraum gleichzeitig. Kontakte, ein kurzes nettes Wort zwischen Personal und Bewohnern ergeben sich so ganz selbstverständlich.

Das Konzept ist aufgegangen: Durch das breite Angebot an unterschiedlichen mobilen Pflegediensten können viele Menschen trotz körperlichen Schwierigkeiten weiterhin in ihrer eigenen Wohnung bleiben. Im Heim selber leben deshalb nur noch Menschen, deren Pflege zuhause nicht mehr geleistet werden kann. Ihnen wird hier eine Betreuung gewährt, die über normales business as usual weit hinausgeht. Sogar eine Vogelvoliere wurde eigens eingerichtet. Denn Menschen, die gegenüber dem Betreuungspersonal nie ein Wort gesagt hatten, begannen mit den Vögeln zu sprechen.

Jung und Alt gemeinsam

In Wien Favoriten realisierte das Kolpingwerk das Haus "Gemeinsam Leben": Neben 190 Pflegebetten wurden Appartements, Mutter-Kindwohnungen und eine Beratungsstelle für arbeitslose Jugendliche untergebracht. In den Appartements leben die alten Menschen selbstständig, können bei Bedarf aber auch diverse Dienste zukaufen. Im Mutter-Kind Zentrum wohnen allein erziehende Mütter, bis sich ihre persönliche Situation wieder stabilisiert hat. Ludwig Zack, Präses von Kolping Österreich und Spiritus Rektor des Hauses, hat es mit der Vorstellung gebaut, dass durch das Zusammenleben verschiedener Generationen die Solidarität zwischen den Altersgruppen gefördert wird. Dies wirke sich auch positiv auf die Psyche der älteren Bewohner aus, weil ihre Selbsthilfepotenziale aktiviert werden. Besonders augenscheinlich wird dies im zentralen Eingangsbereich des Hauses. Diese als "Marktplatz" bezeichnete, räumlich großzügig angelegte Zone vereint den Zugang zu den unterschiedlichen Einrichtungen mit einem Cafe, einem Kinderspielbereich und dem Empfang. Hier treffen alle Menschen aufeinander, die in diesem Haus ein- und ausgehen. So entstehen ganz beiläufig Kontakte, und schon manch ältere Bewohnerin wurde so zur Leihoma für eines der hier lebenden Kinder.

Auch hier ist die Verankerung mit dem Bezirk ein wichtiges Thema: Im Veranstaltungssaal finden Abende von lokalen Vereinen statt, die Kinder der nahen Musikschule gaben hier ein Konzert. Auch die Belegung des Hauses geschieht in erster Linie mit Menschen aus dem näheren Umkreis. Davon profitieren alle: die Angehörigen, die weniger weit fahren müssen, die Bewohner, die in ihrer vertrauten Umgebung bleiben können, und die Mitarbeiter des Hauses, denen so einiges an Arbeit abgenommen wird.

Im gleichen Haus wurden auch normale Wohnungen mit dem Hintergedanken gebaut, dass hier Familien einziehen werden, deren Pflegeangehörige nebenan leben, um professionelle Pflege und engen familiären Kontakt zu verbinden. Dieses Angebot wurde bisher allerdings kaum angenommen. Doch Zack ist zuversichtlich: Manche Dinge bräuchten Zeit, Visionen könnten nicht immer sofort und direkt umgesetzt werden.

Wohn-Visionen

Visionen werden für das Wohnen im Alter noch viele notwendig sein. Nicht zuletzt im privaten Bereich, abseits institutioneller Angebote. Die Aufforderung, dafür Phantasie zu entwickeln, ergeht an alle Beteiligten. Denn wie die Menschen im Alter künftig wohnen werden, ist zunächst eine gesellschaftliche Frage und erst in zweiter Linie eine bauliche Herausforderung. Doch auch den Planern und Architekten wird dazu noch einiges einfallen müssen. Die Bauordnungen haben jedenfalls reagiert. Barrierefreie Zugänge und ausreichende Durchgangsbreiten sind bereits geltendes Recht. Die Stadt- und Raumplanung hinkt noch hinterher. Noch immer werden neue Siedlungsgebiete erschlossen, ohne eine soziale Infrastruktur anbieten zu können. Hier wird sich die Frage nach einem Altersheim für viele bald stellen: wenn die nächste Einkaufsmöglichkeit ohne Auto nicht zu erreichen ist und ein Arztbesuch zum Tagesausflug wird. Es wird mehr Weitblick nötig sein, damit Wohnen auch am Ende des Lebens noch Konjunktur hat.

Der Autor ist selbstständiger Planer sowie Lehrbeauftragter am Institut für Architektur und Entwerfen der tu Wien.

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