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Über die pädagogische Förderung und Forderung von Vorschulkindern könnte gar nicht "genug gestritten" werden.

Weil Unterschiede per se als diskriminierend gelten, muss möglichst alles über einen Kamm geschoren werden: Dieser Ansatz liegt den Positionen der Linken in allen wesentlichen sozioökonomischen Fragen zugrunde. Er bedeutet zumindest der Tendenz nach Nivellierung, vorgeblich zugunsten von Integration. Das Gegenkonzept besteht natürlich nicht in der Zementierung von Differenzen - das wäre so absurd wie inhuman. Es kann nur bedeuten, den Schwachen zu helfen, selbst stark zu werden, dabei aber die Starken nicht zu schwächen - denn das geht zu Lasten der Gesellschaft als ganzer, zumal der Schwachen …

Was das mit der schon lange schwelenden, nun wieder aktuell gewordenen Kindergarten-Debatte zu tun hat? Nun, die Idee eines verpflichtenden Kindergarten- bzw. Vorschuljahres für alle verdankt sich ja ursprünglich einem antidiskriminatorischen Impetus: Nicht nur Kinder aus Familien "mit Migrationshintergrund" oder aus "bildungsfernen Schichten" sollen volksschultauglich gemacht werden - sondern alle in die Pflicht genommen werden, um einschlägige Differenzen möglichst zu kaschieren. Die ÖVP hat hier bislang dagegengehalten. Im Kern geht es also um eine Ausprägung des alten Streits ",Für alle' versus, Für alle, die es brauchen'": Was den Konservativen als treffsicher gilt, halten die Linken für diskriminierend; was Letzteren im Sinne des sozialen Zusammenhalts nützlich erscheint, kritisieren Erstere als (teure) "Gießkannen-Politik".

Nun aber kann sich plötzlich auch VP-Obmann Wilhelm Molterer ein verpflichtendes letztes Gratis-Kindergartenjahr vorstellen - was bei Bildungsministerin Claudia Schmied ungläubig-freudiges Staunen evozierte. Lassen wir einmal alle - in einem Wahlkampf natürlich ganz wesentlichen - strategischen Aspekte des Molterer-Wandels beiseite (er selbst nennt es übrigens "Weiterentwicklung unserer Positionen" - großartig!), und fragen wir nach den sachlichen Argumenten.

Das Thema hat ja viele Facetten, keineswegs nur integrationspolitische. So mag aus bürgerlich-liberaler Sicht eine solche Maßnahme als weiterer Schritt der "Entprivatisierung" von Erziehung und somit als angemaßte Einmischung des Staates in familiäre Angelegenheiten erscheinen. Dem steht freilich die gerade auch in ebendiesen bürgerlich-liberalen Kreisen längst gängige und erwünschte Berufstätigkeit beider Elternteile entgegen. Die Frage ist also meistens nicht mehr, ob das Kind in den Kindergarten geht oder nicht, vielmehr richtet sich das Interesse auf bestmögliche Nutzung dieser Zeit. Damit aber sieht es grosso modo nicht besonders rosig aus.

Jetzt kommt sofort der Einwand, man dürfe den Kindern ihre Kindheit nicht rauben, sie nicht frühzeitig verschulen, institutionalisieren und dergleichen mehr. Alles richtig! Aber so wie es derzeit läuft, ist in einem durchschnittlichen Kindergarten ein durchschnittlich begabtes Kind spätestens im letzten der drei durchschnittlichen Kindergartenjahre deutlich unterfordert. Dreimal hintereinander das ganze Programm vom Laternenfest über Nikolo und Osterhase, das Muttertagsbasteln bis hin zum fröhlichen Fade-out im Juni (irgendwann muss ja Schluss sein mit dem Stress) abzuspulen, bedeutet schlichtweg vergeudete Zeit. Da geht es primär um Aufbewahrung, Betreuung - und das ist gut so -, aber das Potenzial dieser Jahre bleibt weitgehend ungenutzt. Es ist eben ein Kinder-Garten mit dazugehörigen Tanten (leider kaum Onkeln - aber wie das auch schon klingt …!) - und keine pädagogische Einrichtung, die wohl spielerisch, ohne forcierten Leistungsdruck, aber doch gezielt auf die Schule vorbereiten würde.

Bevor man sich also in Debatten über "verpflichtend" oder "freiwillig" verstrickt, gälte es erst einmal das landläufige Verständnis von "Kindergarten" zu überdenken und ein pädagogisch anspruchsvolles, auf der Höhe der Zeit stehendes Konzept für eine solche Einrichtung (am besten mit neuem Namen) zu entwickeln. Dass die hiesige Politik dazu imstande ist, steht indes zu bezweifeln. In der Regierung geht es ja meistens zu "wie im Kindergarten".

rudolf.mitloehner@furche.at

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