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In den reichen Ländern steigt die Lebenserwartung kontinuierlich um 2,5 Jahre pro Jahrzehnt. Merkmal des Alterns bleibt aber, dass der Körper dabei regenerative Fähigkeiten verliert.

Ewiges Leben kostet nur 28,30 US-Dollar. Zumindest beim chinesischen "Erfinder“ Alex Chiu. Für diesen Preis verkauft er magnetische Ringe, die ihren Träger angeblich unsterblich machen. Zu fragwürdiger Popularität im Internet brachte es der Esoteriker Chiu allerdings nicht wegen dieser, sondern einer ganz anderen Dreistigkeit. Vor einigen Jahren wurde nämlich bekannt, dass er das Ranking seiner Webseite bei Google mit Hilfe unsauberer Tricks manipuliert hat. Zur Strafe schmiss ihn die Suchmaschine für einige Zeit aus dem Index. Amüsantes Detail am Rande: Wer mit den Ringen unzufrieden ist, kann diese bis zu 90 Tage nach dem Kauf retournieren.

Die biologische Obergrenze ist erreicht

Der Wunsch nach ewiger Jugend hat die Menschheit stets begleitet. Er ist der trotzige Reflex auf das Rätsel des Todes. Dem Tod ein Schnippchen zu schlagen, gelingt aber nur in Märchen und Sagen. Immerhin weist der statistische Trend in Richtung eines längeren Lebens. Genaue Aufzeichnungen über das Ableben für ganze Bevölkerungen gibt es zwar erst seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Doch in dieser Zeit hat sich die durchschnittliche Lebenserwartung eines Neugeborenen laufend erhöht. In den reichen Ländern steigt sie recht konstant um 2,5 Jahre pro Jahrzehnt. Wobei es individuelle Abweichungen gibt. So werden Franzosen und Schweden im Schnitt älter als die übrigen Mitteleuropäer. Als ältester Mensch gilt die Französin Jeanne Calment, die 1997 im Alter von 122 Jahren verstarb. Die meisten Wissenschaftler meinen, dass damit die derzeitige biologische Obergrenze erreicht ist. Was freilich nicht ausschließt, diese durch neue Erkenntnisse weiter nach hinten verschieben zu können.

Extremer Optimismus wie jener des exzentrischen Wissenschaftlers Aubrey de Grey ist unter Fachleuten eine Ausnahmeerscheinung. De Grey glaubt, dass innerhalb der nächsten 20 Jahre der erste Mensch geboren wird, der 1000 Jahre alt wird.

Seriöse Forschung sieht sich mit der Schwierigkeit konfrontiert, dass wohl viele Faktoren eine Rolle beim Altern spielen. Angeborene genetische Dispositionen ebenso wie Umwelteinflüsse und Lebensstil. "Altern ist ein lebenslanger Prozess, der mit der Geburt beginnt“, sagt Beatrix Grubeck-Loebenstein, Direktorin des Instituts für Biomedizinische Alternsforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), das die molekularen Mechanismen des Alterns erforscht. "Unser Ziel ist es nicht, das Leben zu verlängern, sondern die Lebensqualität zu verbessern“, stellt die Immunologin klar.

Wesentliches Merkmal des Alterns ist, dass der Körper mit steigender Lebensdauer seine regenerativen Fähigkeiten verliert. So beginnt sich beispielsweise bereits mit der Pubertät die Thymusdrüse zurück zu bilden, die für die Bildung von T-Lymphozyten zuständig ist. Im Alter von 40 bis 50 Jahren ist dieser Prozess abgeschlossen. Das hat zur Folge, dass keine neuen Abwehrzellen mehr gebildet, sondern die bis dahin gespeicherten sukzessive verbraucht werden. Weil Impfungen das Immunsystem stimulieren, wirken Impfungen bei alten Menschen nicht so gut wie bei jungen. Die Innsbrucker Wissenschaftler haben maßgeblich zu dieser Entdeckung beigetragen. Als praktische Konsequenz gibt es mittlerweile maßgeschneiderte Impfungen für Senioren.

Eine permanente Belastung für den alternden Körper ist der Umstand, dass sich praktisch alle Körperzellen in einem Zustand leichter chronischer Entzündung befinden. Dieses Phänomen wird mit dem englischen Kunstwort Inflammaging (dt. etwa: Altersentzündung) bezeichnet. Es bewirkt unter anderem, dass die Umwandlung von Stammzellen in Knochenzellen schlechter funktioniert. Stattdessen bilden sich vermehrt Fettzellen. Die typische Folge sind vermehrte Knochenbrüche im hohen Alter. "Wir konnten außerdem zeigen, dass Entzündungen im Hirn zur Überproduktion des schädlichen Alzheimer-Eiweiß führen“, sagt Grubeck-Loebenstein. Auf Grundlage der Kenntnis von alterstypischen Körperprozessen lassen sich vielleicht eines Tages Medikamente entwickeln, die sie aufhalten oder zumindest verlangsamen. In den vergangenen Jahren haben Wissenschaftler etliche Substanzen entdeckt, die an Mäusen, Hefen oder Modellorganismen wie dem Fadenwurm Caenorhabditis elegans viel versprechende Resultate zeigen. Wer schon jetzt sein Leben verlängern möchte, sollte sich an die bekannten Prinzipien halten: viel Bewegung, wenig Alkohol, viel Obst und Gemüse und auf gar keinen Fall Rauchen.

Im Kloster leben Männer länger

Substanzielle Erkenntnisse zur menschlichen Lebenserwartung liefert auch die Statistik. Der Wiener Wissenschaftler Marc Luy vom Institut für Demographie der ÖAW leitet eine Langzeitstudie, in der er seit 15 Jahren männliche und weibliche Ordensleute aus katholischen Klöstern beobachtet. "Die Idee dieser Studie ist es, dass in Klöstern die Lebensumstände und Umwelteinflüsse für alle Personen die Selben sind“, sagt er. "Deshalb lässt sich der mögliche Einfluss von biologischen Faktoren auf die Lebenserwartung gut erkennen.“ Ein überraschendes Resultat von Luys bisheriger Forschung betrifft die unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen. Während in der Gesamtbevölkerung Frauen etwa sechs Jahre länger leben als Männer, beträgt der Unterschied bei Ordensleuten nur ein Jahr. Ordensbrüder leben demnach länger als Männer außerhalb der Klostermauern. Dies legt nahe, dass der Einfluss von Lebensstil und Umwelt auf das erreichbare Alter deutlich überwiegt. Für die wichtigsten Faktoren hält Luy Stress und das Rauchen.

Chance auf mehr gesunde Jahre

So zeigt sich ein klarer Zusammenhang zwischen der Lebenserwartung in einem Land und dem Anteil an Rauchern. Künftig will Luy seine Klosterstudie um Gesundheitsdaten der Teilnehmer erweitern. Damit soll eine in der Altersforschung noch offene Frage beantwortet werden: ob nämlich die Zunahme an Lebenszeit mehr "gesunde Jahre“ oder eine längere Phase der Krankheit mit sich bringt.

Ersteres würde bedeuten, dass Menschen länger gesund sind und erst in späteren Jahren erkranken. Analysen sollen eine Erklärung für das "Geschlechterparadox“ liefern, wonach Frauen zwar länger leben als Männer, objektiv aber kränker sind. Möglicherweise ist der Zusammenhang zwischen Gesundheit und Sterblichkeit kein kausaler und das Paradox gar keines. Anders ausgedrückt: vielleicht sind Frauen einfach deshalb kränker als Männer, weil sie länger leben. Ob es eine natürliche Obergrenze für die Lebenserwartung gibt, kann die Statistik nicht beantworten. "Ich glaube nicht, dass sich der Anstieg der Lebenserwartung von derzeit 2,5 Jahren pro Jahrzehnt weiter fortsetzt“, meint Luy. "Andererseits weiß man nie, ob der medizinischen Forschung nicht ein Durchbruch gelingt.“

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