Clowndoctors: "In jedem Menschen steckt ein Clown“

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Eigentlich sollte er Therapeut werden. Nun verbreitet Giora Seeliger als Gründer und künstlerischer Leiter der "Rote Nasen Clowndoctors“ dort Lebensfreude, wo es sonst nichts zu lachen gibt.

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Eigentlich sollte er Therapeut werden. Nun verbreitet Giora Seeliger als Gründer und künstlerischer Leiter der "Rote Nasen Clowndoctors“ dort Lebensfreude, wo es sonst nichts zu lachen gibt.

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Diesmal ist er nicht als Dr. Check Up in Aktion, als schrulliger Medicus mit Zahnlücke, blauem Hut und roter Nase. Diesmal ist Giora Seeliger nur als Coach dabei, der ein schrilles "Clowndoctors“-Pärchen bei seiner Visite im Wiener Donauspital begleitet.

Es ist eine herausfordernde Aufgabe, die vor ihnen liegt: Ein kleiner Bub wird auf seine Operation vorbereitet. Sein Gesicht ist entstellt - vermutlich ein Geburtsfehler. Obwohl erst drei Jahre alt, ist der Kleine längst ein Profi: Er weiß, was es bedeutet, wenn ihm sein Vater das OP-Mäntelchen überziehen will. Es bedeutet nichts Gutes, es bedeutet Schmerzen, sobald er wieder zu sich kommt. Die "Roten Nasen“ sind gerufen worden, um den Buben bis hinauf in die Intensivstation zu begleiten. Als sich der Kleine gegen das Mäntelchen zu wehren beginnt, fangen die Clowns wie zufällig zu streiten an. "Es geht darum, den Fokus des Kindes von den eigenen Ängsten auf etwas Spannendes, Absurdes, Komisches umzulenken“, erzählt Seeliger einen Tag später im Zentrum der "Rote Nasen Clowndoctors“ im 17. Wiener Gemeindebezirk. "Es hat mich sehr berührt, wie gut das klappt.“

Lebensfreude als Therapie

Diese Verzahnung zwischen ärztlicher Behandlung und clownesker "Therapie“, dieses Einsickern der "Roten Nasen“ in die Institutionen ist ein Herzensanliegen des 58-jährigen Schauspielers und Theatermachers. Mittlerweile 17 Jahre ist es her, dass er gemeinsam mit Monica Culen die "Rote Nasen Clowndoctors“ als "gemeinnützigen Verein zur Förderung der Lebensfreude als Therapie für kranke Kinder“ gegründet hat. 1999 wurde der Wirkungsbereich auf alte Menschen erweitert, seit 2003 ist man auch in Rehabilitationszentren unterwegs - und seit Kurzem auf Anfrage auch in Behinderteneinrichtungen, Flüchtlings- oder Obdachlosenheimen. Mittlerweile sind bereits 250 Künstlerinnen und Künstler in acht Ländern im Einsatz, 60 davon in Österreich. Bezahlt werden sie vom Verein, der sich über Spenden finanziert. Ihre Ausbildung - inklusive psychologischer Schulung - erhalten sie alle in jener "Internationalen Schule für Humor“, die Giora Seeliger 2003 vis-à-vis des Rote Nasen-Büros gegründet hat.

Hier lernen sie, das Vitale dort zu stärken, wo sonst kein Platz für Lebensfreude bleibt. "Wir können nicht das Kranke behandeln, aber wir können das Gesunde ansprechen“, ist Seeliger der "Roten Nasen“ überzeugt. Bei Kindern gelinge das oft durch Spielereien, bei Alzheimerpatienten eher durch gesungene Oldies, die vergangene Jugendtage auferstehen lassen. "Zwangsbeglückung“ sei hier wie dort jedenfalls fehl am Platz: Deshalb seien Anklopfen und Um-Besuchserlaubnis-Fragen ebenso unverzichtbar wie Respekt und Sensibilität.

Warum ausgerechnet ein Clown verschüttete Lebensgeister wecken kann, liegt für den Schauspieler auf der Hand: "Weil er nicht klüger sein will als die anderen“, sagt er schelmisch, "weil er so naiv, ja blöd agiert, dass es herrlich ist, weil er alles darf, außer zu langweilen - und weil er der Einzige ist, der von den Patienten nichts verlangt, sondern einfach nur da ist.“

Der Clown, der eigentlich ein Zustand ist, den jeder in sich hat, fasziniert Giora Seeliger seit jeher. 1953 in Israel geboren, wohin sich seine Eltern vor den Nazis flüchten mussten, kommt er als Kind zurück nach Deutschland. Hier in Düsseldorf betreibt sein Vater eine Wäscherei - und hofft, dass sein Sohn nach seinem Pädagogik- und Psychologie-Studium der erste Akademiker der Familie wird. Doch als der junge Student mit Yves Lebreton und dessen Körper- und Improvisations-Theater in Berührung kommt, ist es um ihn geschehen. "Als ich meinem Vater gesagt habe: Ich mache daraus einmal eine Therapie, konnte er es akzeptieren“, erzählt Giora Seeliger lachend. Er geht nach Paris, absolviert diverse Schauspielschulen und macht sein "Théâtre des Falaises“ zum Zentrum absurd-burlesker Stücke. Nach Wien kommt er durch Samy Molcho, der ihn als Lehrer auf seine Sommerschule bittet. Es folgen Workshops, Regiearbeiten - und die Übersiedelung nach Österreich.

New Yorker Vorbild

Hier unterrichtet er sieben Jahre lang am Reinhardt-Seminar; hier lernt er seine Frau Tamara kennen, mit der er zwei Kinder hat; und hier stößt er 1990 auf die Berichte des New Yorker Clowns Michael Christensen, der seinen an Krebs erkrankten Bruder im Kostüm besuchte. Fasziniert von dieser Idee wagt er 1993 eine erste Visite im Mautner Markof’schen Kinderspital - und initiiert 1994 die "Roten Nasen“.

Heute geht er nur noch manchmal ins Spital: Er will die Bodenhaftung nicht verlieren. Und er will vor Ort sehen, ob jene Arznei, die auch das Elixier seines eigenen Lebens ist, noch immer wirkt: Freude. "Es muss Spaß machen“, sagt der Clown, "sonst geht es nicht.“

Rote-Nasen-Lauf 11. September 2011, 10 bis 16 Uhr,

Prater Hauptallee, Wien. Nähere Informationen unter www.rotenasenlauf.at

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