Individuelle Wege zum Glück

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Der Meinungsforscher werner beutelmeyer sieht in der zunehmenden Individualisierung mehr Chancen als Risiken.

Die Megaphilosophie Ökonomie ist stark angreifbar. Doch denke ich, es gibt bei der Analyse der Werte beide Seiten zu betrachten. Zunächst einmal das Glück, und das ist das Besorgniserregende: Es scheint in der Gesellschaft zu stagnieren. Es flacht vielleicht sogar ab, obwohl das Geld zunimmt. Vermögensaufbau und Glücksaufbau korrespondieren in den wohlhabenden Gesellschaften nicht. Andererseits sagen derzeit mehr als 60 Prozent der Österreicher, sie seien zuversichtlich, dass es gut weitergeht mit der Wirtschaft und mit ihrer persönlichen Entwicklung. Die Lebenszufriedenheiten schauen insgesamt nicht schlecht aus. Wenn man den Wertewandel fasst als Entwicklung zur Veränderungen im gesellschaftlichen Bereich insgesamt, dann zeigt sich deutlich, dass die Botschaften, die wir heute den Kindern zur Bewältigung der Zukunft mitgeben, sich fundamental von dem unterscheidet, was wir mit auf den Weg bekommen haben. Veränderung in der Programmierung ist wichtig, um die Zukunft zu meistern.

Gegenwart und Zukunft

Da wird das Wort Zukunft wieder wichtig, und wir denken auch gern an die Zukunft, sind aber trotzdem sehr gegenwartsorientiert. Unsere Gesellschaft ist ungemein hedonistisch, will jetzt leben und jetzt Lebensqualität haben, will sich aber auch mit der Planung der Zukunft beschäftigt. Das hat Ursachen im demografischen Wandel. 80 Prozent sagen, sie müssen hier auf eigene Beine kommen. Sie glauben nicht, dass der Staat die Zukunft sicher kann, dass die Vorsorge funktionieren wird. Sie vertrauen dem Staat nicht mehr.

Ich glaube, dass wir, wenn wir den Wertewandel diskutieren, uns von den Wertungen losschrauben sollten. Sonst sehen wir alles himmelhoch jauchzend oder sagen, es sei eine Katastrophe ausgebrochen. Ich sehe das ganz anders. Wo läuft das Programm hin? Werte sind das Gemeinsame, der Klebstoff in einer Gesellschaft. Ein Klebstoff, der möglicherweise dünner wird, aber er geht hin in eine Richtung, die lautet: Die Eltern sagen den Kindern, seid selbstständig, verlasst euch nicht auf andere. Das ist in Österreich die primäre, die stärkste Zukunftsdoktrin der Erziehung. Wichtig ist, dass dieses Daseinsvorsorge-Staatsdenken aufbricht und man sagt, Selbstständigkeit ist eine Dimension der Zukunft. Die nächsten Dimensionen sind, bau dir ein System auf, lerne etwas, entwickle deine Persönlichkeit. Das ist ja das Thema, und Ich-AG ist die schlimmste Bezeichnung, ein massiver Fehlgriff. Man missachtet damit ja jegliche Empfindung.

Keine einsamen Wölfe

Wir leben von der Individualisierung. Man könnte lange diskutieren, ob das wirklich eine ist oder ob wir den Weg zur Individualität vielleicht doch nicht zusammenbringen. Aber ich glaube, dass es darum geht bei der Ich-AG, dass man ermutigt, Nachschau bei seinen Talenten zu halten. Wenn man ermutigt, den Schritt zu tun zur eigenen Persönlichkeit, wenn man sagt, ich habe Stärken, die ich entwickeln kann und mit denen ich mein Glück finden kann. Ich habe zuerst gesagt, das Glück nimmt ab. Glück definiert sich über verschiedene Faktoren. Sehr stark entsteht das Glück des Ichs über das Du. Wir sind Rudeltiere, keine einsamen Wölfe. Wir definieren uns massiv über den Beruf. Dieses Gefühl, etwas weitergebracht zu haben. Die Entwicklung in Richtung Originalität, seinen Kern finden, über seine Persönlichkeit nachdenken, wenn man da einen Ansatz für Individualität, Individualisierung, Freiheit, Unabhängigkeit definieren kann, können das durchaus positive Ansatzpunkte zur Bewältigung der Zukunft sein. Zukunft und Aktivität sind Muntermacher für eine Gesellschaft, die möglicherweise den Weg zum Glück nicht mehr findet, weil die Sicht derzeit verstellt ist.

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