Instrument und Spiegel der Gesellschaft

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In der Öffentlichkeit ist die Kriminologie gefragt, wenn grausame, unfassbar erscheinende Verbrechen geschehen sind: "Medien und Politik sind dann an schnellen und eindeutigen Antworten interessiert. Wer war der Täter? Warum konnte das passieren? Droht so eine Tat erneut? Oft müssen wir diese Antworten schuldig bleiben und auf langfristig zu untersuchende Entwicklungen verweisen“, berichtet Christian Wickert vom Institut für Kriminologische Sozialforschung an der Universität Hamburg.

Die Kriminologie untersucht die gesellschaftlichen Bedingungen und Erscheinungsformen von Verbrechen. Die interdisziplinäre Wissenschaft bedient sich der Rechtswissenschaft, Psychologie, Soziologie, Pädagogik, Ethnologie und Ökonomie. Um die Jahrhundertwende diente die Kriminologie als Disziplinierungsinstrument des Staates. Seit den Sechzigerjahren untersucht die kritische, soziologische Kriminologie, unter welchen Voraussetzungen Kriminalität entsteht und wie man dieser vorbeugen könne.

Ein Berufsbild für Kriminologen gibt es nicht. "Sie kommen in der Regel in Staatsnähe unter, etwa im Innenministerium oder in der Justiz“, berichtet Christian Grafl, Professor für Kriminologie und Kriminalistik an der Universität Wien.

Unterschied zu Kriminalistik

"Ein guter Kriminologe ist ein Querulant, der weder sich noch anderen das Leben einfach macht“, sagt Wickert. Die praxisorientierte Kriminalistik hingegen befasst sich mit der Verhütung, Bekämpfung und Aufklärung von Verbrechen: Kriminalisten sichern und analysieren Spuren, vernehmen Verdächtige oder erstellen Gutachten. In Österreich gibt es kein Studium der Kriminalistik, sondern polizeiinterne Ausbildungsmaßnahmen. Seit 2009 bietet die Sicherheitsakademie eine standardisierte kriminalpolizeiliche Fachausbildung an.

An den Fachhochschulen entstehen immer mehr Lehrgänge, die im weitesten Sinne mit Sicherheit zu tun haben. Soeben startete an der FH Wiener Neustadt der Lehrgang "Wirtschaftskriminalität und Cyber-Crime“. "Gerade im IT-Bereich müssen sich Kriminalisten permanent fortbilden. Ein Generalist der Kriminaltechnik zu sein, ist heute unmöglich“, sagt Polizeijurist Max Edelbacher.

Die Kriminalisten sollten technisch begabt sein und über interkulturelle Kompetenz sowie Fremdsprachenkenntnisse verfügen. "Zudem benötigen sie die Fähigkeit, Abläufe in Hypothesen durchzuspielen. Genauigkeit und psychische Stabilität sind auch wichtig“, weiß Kriminologe Grafl. Zur Einvernahme Verdächtiger brauche man viel Geduld: "Kriminalisten müssen mit Intuition, aber ohne Voreingenommenheit an Fälle herangehen“, so Grafl. Der Frauenanteil bei den Kriminalisten beträgt zehn Prozent, Tendenz steigend. Edelbacher: "Frauen sind in ihrer differenzierten Auffassungsgabe und beharrlichen Arbeitsweise oft die besseren Kriminalisten.“

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