"Irak ist letztes Bollwerk"

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Schuldumkehr betreibt Abbas Khalas Kunfuth, der irakische Botschafter in Moskau: Nicht der Irak, sondern die USA seien der gefährliche Brandherd.Kunfuth hofft weiterhin auf die Unterstützung von Russland und - im Notfall - auf den Fatalismus seiner Landsleute.

Die Furche: Herr Botschafter, geht man im Irak von einem amerikanischen Angriff aus?

Abbas Khalaf Kunfuth: Wissen Sie, wir sind ein Land, das ständig Aggressionen ausgesetzt ist: Wir ziehen jede Entwicklung in Betracht.

Die Furche: Wie sehr bauen Sie auf Unterstützung von Russland?

Kunfuth: Wir bauen nicht nur auf Russland, sondern auf alle, die zu begreifen beginnen, dass die USA Europa und die ganze Welt ihrem Willen unterwerfen wollen.

Die Furche: Wird Russland eine neue UN-Resolution mit einem Veto verhindern?

Kunfuth: Ich schätze, dass Russland mit Deutschland und Frankreich die Vernichtungsabsichten der USA erkennt. Frankreich, Belgien und Deutschland nehmen nicht zufällig und nicht wegen guter Beziehungen zu uns eine harte Haltung gegen Amerika ein. Der Irak ist das letzte Bollwerk gegen die amerikanische Hegemonie. Die USA will diesen Krieg gerade wegen ihrer egoistischen ökonomischen Überlegungen.

Die Furche: Egoistisch-ökonomische Ziele haben ja auch die, die für eine friedliche Lösung eintreten - wie zum Beispiel Russland.

Kunfuth: Die Amerikaner wollen die ganze nahöstliche Torte wie ein wildes Tier allein essen. Egoistisch-kolonialistisch kündigen sie sogar eine andere Regierung im Irak an - terminologisch wie im 19. Jahrhundert.

Die Furche: Putin hat vor eineinhalb Wochen in Kiew zum ersten Mal härtere Entscheidungen im UN-Sicherheitsrat angekündigt, falls der Irak mit den UN-Inspektoren mangelhaft kooperiert.

Kunfuth: Die Journalisten nehmen nur diesen Absatz. Putin sagte das im Kontext, dass die Situation im Einklang mit der UN-Resolution zu lösen sei und dass die Inspektoren gut arbeiten. Und dass Russland in vielem mit Amerika nicht übereinstimmt. In offiziellen Erklärungen heißt es, dass keine Notwendigkeit für eine neue UN-Resolution besteht.

Die Furche: Aber Putin sagte auch, dass sich Russland in keine Konfrontation mit den USA stürzen wird.

Kunfuth: Was denken Sie, wir sind ja auch Realisten. Ein Konflikt Russlands mit Amerika würde das Ende der Welt bedeuten und ist nicht vergleichbar mit einem Konflikt mit dem Irak.

Die Furche: Ein Politiker von Weltformat äußert aber eine Drohung nicht so selbstverständlich, wenn er nicht etwas andeuten möchte.

Kunfuth: Er deutet nichts an, denn seine Phrase deckt sich ja mit der jetzigen UN-Resolution 1441 - meiner Einschätzung nach hat er nichts Neues gesagt.

Die Furche: Der Vorsitzende des Rates für Sicherheit und Außenpolitik Sergej Karaganow vertritt die Position, dass Russland eine "aktive Diplomatie und eine passive Unterstützung der USA" vertreten muss.

Kunfuth: Russland als Großmacht macht seine Politik gemäß den internationalen Umständen und hat das Recht auf seinen Standpunkt und seine Strategie. Ich kann sagen, dass Russland eine normale Politik bezüglich Irak verfolgt, mit der wir zufrieden sind.

Die Furche: Sie waren aber schon unzufrieden, sodass Sie der russischen Firma "Lukoil" den lukrativen Erdölfördervertrag aufgekündigt haben?

Kunfuth: Das ist eine wirtschaftliche Sache.

Die Furche: Aber der Grund war, dass "Lukoil" mit Amerika geflirtet hat.

Kunfuth: Auch wenn "Lukoil" mit ihnen geflirtet hat, so sind die Vertreter dieser Firma keine russischen Politiker.

Die Furche: Beeinflusst es die russische Position, dass Amerika häufig eine Verbindung von tschetschenischen Terroristen in den Irak behauptet?

Kunfuth: Nein, Russland kennt unsere Position zu Tschetschenien und weiß, dass wir jeglichen Terror verurteilen. Tschetschenische Rebellen werden von Amerika und einigen westlichen Geheimdiensten unterstützt. Mit diesen stumpfsinnigen Behauptungen versucht man einen Keil zwischen Russland und den Irak zu treiben.

Die Furche: Einer letzten Umfrage zufolge sprechen sich 61Prozent der Russen für eine neutrale Position und nur 19 Prozent für eine Unterstützung des Irak aus.

Kunfuth: Ich weiß, wer diese Umfragen finanziert. Ich kenne aber die wahre Stimmung unter den Russen, das ist repräsentativer.

Die Furche: Nach Annahme einer neuen UN-Resolution wollen die USA Hussein noch 48 Stunden geben, um ins Exil zu gehen. Ist ein Exil realistisch?

Kunfuth: Es ist amerikanische Unverfrorenheit und eine wilde Art zu denken, die den Irak nicht kennt. Verrückte Vorschläge kann man nicht kommentieren.

Die Furche: Auch die Variante eines Militärputsches im Irak kursiert. Wie weit ist das möglich?

Kunfuth: Das ist der realitätsferne Wunsch mancher Elemente in den USA und London. Einen Putsch werden sie nicht erleben.

Die Furche: Der irakische Soziologe Faleh A. Jabar hat gegenüber dem österreichischen "Standard" gesagt, dass man wahrscheinlich 30.000 Personen aus dem Hussein-Clan zur Abtrünnigkeit veranlassen müsste; nur so könnte man den engsten Kreis von 300 Personen aus der Hussein-Familie isolieren. Besteht diese Möglichkeit?

Kunfuth: Nein, denn das sind Söhne des irakischen Volkes. Jeder Iraker wird wie ein Tier kämpfen. Abtrünnigkeit gibt es in Europa, aber wir im Osten sind Fatalisten - unser Denken deckt sich nicht.

Die Furche: Sie behaupten, dass der Bruder von US-Präsident George Bush mit dem Bruder von Bin Laden in Geschäftsbeziehungen steht.

Kunfuth: Das ist bewiesen, wir haben die Daten. Amerika soll das selbst prüfen. Amerika hat diesen Hundesohn Bin Laden und El-Kaida finanziert und ausgebildet und ihn zu einem Helden der Nation gemacht, weil er gegen die Sowjetunion gekämpft hat. Amerika liebt und schätzt ihn immer noch.

Das Gespräch in der irakischen Botschaft in Moskau führte Eduard Steiner.

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