"Jedem Alter seine Chance"

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Hildegunde Piza hat im Jahr 2000 erstmals zwei fremde Hände transplantiert. Die Chirurgie sieht sie differenziert.

Die Furche: Die Schönheitschirurgie boomt. Es scheint, die Menschen waren noch nie so fixiert auf einen vollkommenen Körper wie heute.

Hildegunde Piza: Schönheitsideale hat es immer gegeben. Aber erst seit kurzem ist es möglich, Idealvorstellungen von Körpern in Sekundenschnelle über den ganzen Erdball zu verbreiten. Bilder von Supermodels erreichen heute via Internet und Fernsehen die entlegensten Orte. Anderseits haben natürlich auch die technischen Möglichkeiten in der Ästhetischen Chirurgie, wie die Entwicklung von Silikon oder von Fillern zur Faltenbehandlung, neue Wünsche geweckt. Allein im Bereich des Faceliftings hat sich in den letzten Jahrzehnten ungemein viel getan. Vieles, was heute technisch möglich ist, war vor 20 Jahren undenkbar.

Die Furche: Im Grunde wird bei einer Schönheitsoperation ein gesunder Mensch dem Risiko einer Operation ausgesetzt …

Piza: Genauso ist es. Und leider nimmt der Boom der Schönheitschirurgie zum Teil verrückte Ausmaße an. Ich plädiere daher sehr dafür, dass plastische Chirurgen ihre ethische Verantwortung ernst nehmen. Ehe wir Klienten zu Patienten machen, müssen wir ausführliche Aufklärungsgespräche führen und die Beweggründe für einen Eingriff herausfinden. Einen Menschen, der sein ganzes Leben lang unter einer Höckernase gelitten hat, kann ein korrigierender Eingriff glücklich machen. Aber nicht jede Frau, die beim Blick in den Spiegel mit ihrer Bikinifigur unzufrieden ist, braucht eine Fettabsaugung. Und wenn jemand durch eine Schönheitsoperation seine Beziehung retten oder gar ein anderer Mensch werden will, ist dies mit Sicherheit der falsche Weg.

Die Furche: Aber gerade ethische Grenzen sind nicht immer einfach und eindeutig zu ziehen.

Piza: Deshalb braucht ein plastischer Chirurg auch ein umfassendes psychologisches Wissen und ein sehr gutes Einfühlungsvermögen. Er muss zum Beispiel erkennen, wenn jemand unter einer Dysmorphophobie, also einer gestörten Körperwahrnehmung, leidet und im Zweifelsfall den Rat eines Facharztes einholen. Wichtig ist vor allem auch Ehrlichkeit. Ein Mensch mit einem breit gebauten Gesicht bekommt kein schmales, nur weil er sich Fett an den Wangen absaugen lässt. Der Chirurg muss unrealistische Erwartungen einbremsen und klarstellen, was sinnvoll ist und was nicht.

Die Furche: Schönheitsoperationen werden aber meist in Privatkliniken oder-ordinationen durchgeführt, und der plastische Chirurg verdient mit jedem Eingriff viel Geld. Besteht da nicht die Gefahr, dass er prinzipiell eher zu-als abrät?

Piza: Auch ein Schönheitschirurg ist in erster Linie ein Arzt und erst dann Geschäftsmann. Wenn es umgekehrt ist, hat er seinen Beruf verfehlt. Im Gespräch kann der Klient herauszufinden versuchen, ob er es mit einem verantwortungsvollen Arzt zu tun hat. Wenn ein Chirurg etwa zu einem Eingriff drängt, vielleicht gar einen Termin am nächsten Tag anbietet, ist er mit Sicherheit der falsche. Der Klient muss immer reichlich Zeit haben, sich das Ganze durch den Kopf gehen zu lassen und sich eine zweite Meinung einzuholen.

Die Furche: Wie beurteilen Sie die zunehmende Thematisierung der Schönheitschirurgie in den Medien, vor allem im Fernsehen?

Piza: Ich stelle vor allem zwei Darstellungsweisen fest. Beide geben kein reales Bild der Schönheitschirurgie wieder: Zum einen wird mit dem Bild geworben, es handle sich hierbei um eine Lappalie. Oft bekommt man sie dann gleich im Weekend-Paket mit angeboten. Dass eine Schönheitsoperation immer ein Eingriff mit Risiken ist, wird in diesem Zuge oft verschwiegen. So etwas ist unseriös und Unfug. Zum andern werden häufig die schlimmsten Fälle herausgegriffen. Dann sitzt beispielsweise die enttäuschte Frau mit der verpfuschten Brust in der Talkshow. Solche negativen Verläufe kommen vor, sind aber sicher nicht der Normalfall in der Schönheitschirurgie.

Die Furche: Wie glauben Sie, wird sich der Trend der Schönheitschirurgie entwickeln?

Piza: Die Frauen haben sich zwar in diese Richtung hineintreiben lassen, es gibt aber bereits einige Anzeichen, dass sich der Trend in einem gewissen Maße wieder wenden wird. Man hört jetzt vermehrt von "pro age", und auch einige Firmen werben bereits mit Frauen, die nicht den "perfekten" Körper haben.

Die Furche: Welchen Umgang mit Schönheit und Schönheitschirurgie wünschen Sie sich?

Piza: Ich wünsche mir, dass jedes Alter seine Chance bekommt. Eine Frau muss altern dürfen. Wenn sie aber das stark hängende Augenlid stört - warum soll sie es nicht korrigieren lassen? Schönheitschirurgie soll vernünftig und angemessen eingesetzt werden. Vor allem aber wünsche ich mir, dass Bilder und Plakate, die wir täglich vor der Nase haben, ehrlicher werden. Sie werden nämlich durch den mächtigsten Schönheitschirurgen - den Computer - manipuliert und erzeugen enormen Druck.

Das Gespräch führte Sabina Auckenthaler.

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