Jenseits von Kollektiv- und Dienstverträgen

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Ist es heute überhaupt noch möglich, einen Betrieb nach christlichen Prinzipien zu führen? Was macht "das Christliche" in einem Unternehmen aus?

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Ist es heute überhaupt noch möglich, einen Betrieb nach christlichen Prinzipien zu führen? Was macht "das Christliche" in einem Unternehmen aus?

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Weltweit werden die wirtschaftlichen Strukturen heute von den Zielvorstellungen einer liberalen Marktwirtschaft bestimmt. Gewinnoptimierung durch maximale Rationalisierung ist die Vorgabe. Wer nicht auf der Strecke bleiben will, ist gezwungen, sich diesem Trend anzuschließen. Die Frage nach der sozialen Stellung des Menschen, dem Wert seiner Arbeitskraft, dem Einsatz seiner Kreativität stellt sich in diesem Denkschema nicht. Sein "Gebrauch" wird von der jeweiligen Marktlage bestimmt.

Angesichts dieser Entwicklung waren die Fragen, mit denen sich Experten aus Wirtschaft, Krankenhausbetrieb und Gewerkschaft bei den 2. Hildegard Burjan-Gesprächen in Wien, veranstaltet von der Caritas Socialis im Pflege-und Sozialzentrum Rennweg, auseinandersetzten, von höchster Aktualität. Vom Sog der wirtschaftlichen Veränderungen sind auch Betriebe, die sich im Eigentum von Orden und religiösen Gemeinschaften befinden, nicht verschont geblieben. Sie sind vor allem von der Knappheit finanzieller und personeller Ressourcen betroffen.

Druck & Anpassung Ordenseigene Krankenhäuser, Heime, Hospize ... können heute infolge der medizinischen und pflegerischen Anforderungen finanziell nicht mehr auf eigenen Beinen stehen. Sie sind auf Zuschüsse des Landes beziehungsweise der Kommunen angewiesen. Das heißt aber auch, sich dem Finanzierungsplan der öffentlichen Hand anzupassen. Im Spitalsbereich kann dies bedeuten, dass erbrachte Leistungen, die via Krankenkassen Geld einbringen, Vorrang vor der erwarteten, aber unhonorierten (!), menschlichen Zuwendung bekommen. "Christliche Positionen dürfen beim geforderten Sozialumbau aber nicht aufgegeben werden" - nachdrücklich warnt der Theologe und Caritaswissenschaftler Heinrich Pompey (Universität Freiburg) vor dieser Entwicklung. Damit stellt sich die Frage: Was erwartet man sich als Patient in einem christlichen Krankenhaus beziehungsweise Heim? Wovon wird die caritative Diakonie geprägt?

Es klingt selbstverständlich und ist in der heutigen Zeit aber selten geworden - sich für den anderen Zeit nehmen, ihm Zeit schenken, ebenso Zuwendung. Den Menschen ernstnehmen mit all seinen Sorgen, Ängsten und Nöten - ihm zuhören. Alles Dinge, die man nicht per Kollektiv- oder Dienstvertrag regeln kann. Das erfordert in diesen Grenzsituationen des Lebens "begeisterte, beseelte Mitarbeiter", die in ihrem Tun und Handeln "Gott erfahrbar machen" (Pompey).

Nachwuchs fehlt Diese Anforderung führt aber zum nächsten Problemkreis, der im personellen Bereich liegt. Orden und religiöse Gemeinschaften, vor allem jene, die sich der caritativen Diakonie widmen, leiden unter großen Nachwuchsproblemen. Die Schar der Schwestern, auch Brüder, die Tag und Nacht im Dienst am Nächsten zur Verfügung stehen, wird immer kleiner. Personal von außen muss aufgenommen werden. Das bedeutet, diese Dienste nur mehr innerhalb einer arbeitsrechtlich vorgegebenen Zeit anbieten zu können, sowie die Hereinnahme anderer Weltanschauungen und religiösen Gedankenguts.

Eine Situation, die gerade am Beispiel der Caritas Socialis-Betriebe verdeutlicht werden kann. Hier sind im Personalbereich Angehörige aus 26 Nationen vertreten. Menschen verschiedener Traditionen, Anschauungen und vor allem religiöser Haltungen finden sich hier zusammen, um Hilfsbedürftigen beizustehen. Doch "Gott hat viele Namen" und die Grundsätze der Mitmenschlichkeit, der Humanität sind in anderen Kulturkreisen und Religionen genauso beheimatet. Trotzdem schafft es Probleme, denn in ihrem Tun und Handeln sollen die Mitarbeiter aber doch den spezifischen Geist ihres "Betriebes" repräsentieren, der hier bei der CS von deren Gründerin, Hildegard Burjan, vorgegeben ist und auch weitergetragen werden soll.

Wie erfolgt also die Identifikation mit dem Charisma dieser Frau, oder, um ein anderes Beispiel zu nennen, anderen Gemeinschaftsgründern wie zum Beispiel mit einem hl. Vinzenz von Paul (Barmherzige Schwestern), Johannes von Gott (Barmherzige Brüder) ... ? Und wie groß ist die Bereitschaft der Mitarbeiter, sich mit Person und Werk auch auseinanderzusetzen? Mit der Erarbeitung eines Leitbildes, mit Schulungen et cetera wird versucht, die Mitarbeiter(innen) zu informieren und zu motivieren. Ein Unterfangen, das infolge der großen Fluktuation gerade im Pflegeberuf aber mit großen Schwierigkeiten verbunden ist.

Die Spiritualität der Gemeinschaft weiterzuführen und gleichzeitig die Wirtschaftlichkeit des Unternehmens zu sichern, erfordert heute von Ordensvorsteherinnen und -vorstehern enormen persönlichen Einsatz. Die eigene Berufung "Sein Leben ganz Gott zu weihen" soll sich mit den Aufgaben eines Betriebswirtes verbinden. Glücklich jene Gemeinschaften, die eine solche Persönlichkeit besitzen, die Garant dafür ist, dass die geistige Verbindung zwischen Orden und Betrieb gewahrt bleibt. Christliche Prinzipien durchzusetzen und zu vertreten beschränkt sich aber nicht nur auf Betriebe, deren Eigentümer Orden oder christliche Gemeinschaften sind.

Das ist für solche Firmen, die sich im freien Konkurrenzkampf bewähren müssen, heute sicherlich schwieriger denn je. Christliche Verantwortung gegenüber den Kunden, den Mitarbeitern und der Umwelt konsequent durchzuhalten stellt nicht immer einzuhaltende Anforderungen an das Management. Das beginnt beim Einkauf von Waren aus Ländern der 3. Welt, wo sich die humanitären Arbeits-und Lohnbedingungen trotz Kontrolle nicht immer nachvollziehen lassen, und endet bei der Einhaltung von Fragen des Anstands und Geschmacks bei der Werbung. Was einem Betrieb letztlich aber die Punze "christlich" aufdrückt, ist vor allem das dort herrschende Arbeitsklima. Dies zeigt sich im Umgang miteinander, in der Solidarität unter den Kollegen und mit der Geschäftsführung; in der Mitverantwortung der Arbeitnehmer durch deren Einbeziehung in die Mitgestaltung des Betriebes.

Vor allem aber auch in der Bewältigung von Konflikten und schwierigen Situationen, wo von beiden Seiten Verständnis und auch Einschränkungen verlangt werden muss, um zum Beispiel den Betrieb durch ein "Tief" hindurchzusteuern. Dieses notwendige Miteinander setzt aber immer voraus, dass sich jeder seiner Verantwortung für das Funktionieren des Betriebes bewusst wird.

Balance finden Dass nicht nur das Management allein die Linie bestimmt, sondern jeder Mitarbeiter, bis zur Putzfrau, seinen Anteil daran hat, ob das "Christliche in einem christlichen Betrieb" auch sichtbar wird. Das bedeutet aber, in Zukunft nicht nur die fachliche Eignung allein zu berücksichtigen, sondern auch mehr die soziale und menschliche Kompetenz der Mitarbeiter zu fördern.

In dem zu Unrecht vergessenen Sozialhirtenbrief der Österreichischen Bischöfe aus dem Jahre 1990 wird das "Anforderungsprofil" des Unternehmers der Zukunft so definiert: Österreich braucht Unternehmer, die über hohe Sachkompetenz verfügen; ... die nicht nur die wirtschaftlichen Notwendigkeiten von heute erkennen, sondern auch die Entwicklung von morgen mitberücksichtigen und den Mut zu unternehmerischen Risiko besitzen ... die ebenso über ein hohes Maß an sozialer Kompetenz und Initiative verfügen ... Wagnis statt Anpassung war stets das Merkmal praktizierten Christentums. Die Herausforderung christlicher Unternehmen wird daher stets darin bestehen "Wirtschaftlichkeit und Menschlichkeit immer wieder neu auszubalancieren" (Pompey).

Die Autorin ist freie Journalistin und Publizistin in Wien.

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