"Junge werden gnadenlos ausgenützt"

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In der neuen Wettbewerbsgesellschaft finden viele junge Menschen genau das, was sie suchen: Drive, Action, Dynamik. Manche macht diese Form der Arbeit bereits richtig süchtig.

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In der neuen Wettbewerbsgesellschaft finden viele junge Menschen genau das, was sie suchen: Drive, Action, Dynamik. Manche macht diese Form der Arbeit bereits richtig süchtig.

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Die Furche: Die Berichte häufen sich, dass auch schon junge Menschen regelrecht süchtig nach Arbeit werden.

Hans Joachim Fuchs: Die Anteile von Arbeitssucht am generellen Suchtverhalten sind in der Tat weit verbreitet. Es gibt inzwischen viele Menschen, die glauben, ohne bestimmtes Suchtmittel nicht leben zu können - das beginnt beim Essen und Trinken und endet bei Sport oder Sex. Solche psychischen Störungen gibt es auch beim Arbeitsverhalten.

Die Furche: Sie sind Präsident der Wiener Gesellschaft für Allgemein- und Familienmedizin und auch als Betriebsarzt viel unterwegs. Wie entsteht dieses Verhalten?

Fuchs: Junge Menschen müssen erst ihr Selbstbewusstsein aufbauen, sie werden damit ja nicht geboren. Das geschieht durch Anerkennung. Man verhält sich so, dass man sich als Mensch annehmbar macht und in seinen Eigenschaften und Verhaltensweisen auch geschätzt und anerkannt wird. Im Moment wird allerdings so getan, als ob Leistung das einzige wäre, was im Leben zählt und Anerkennung bringt. Die Medien und andere Einflüsse treiben uns zu immer mehr und immer höheren Leistungen. Es fehlt oft dann jegliche Vorstellung darüber, dass es im Leben auch noch andere Möglichkeiten gibt, um zufrieden zu sein. Die Phantasie ist hier sehr eingeschränkt geworden.

Es gibt natürlich auch ganz direkte Reize, die so ein Arbeitsverhalten fördern. Gerade junge Menschen werden auf bestimmte Ziele und konstruierte Wertsysteme der Firmen eingeschworen. Es wird zum Beispiel dann immer so getan, als ob die Mitarbeiter ihren ganzen Einsatz und überhaupt das Äußerste geben müssen, damit die Firma bestehen kann. Dazu wird die Konkurrenz in den schwärzesten Farben dargestellt. Es grenzt oft geradezu ans Lächerliche, wie die Leute auf diesen bedingungslosen Konkurrenzkampf eingeschworen werden.

Die Furche: Drive, Dynamik, schneller Erfolg, am Puls der Zeit sein - das sind doch Situationen, die vielen Jungen eigentlich Spaß machen. Whow, das habe ich gut gemacht!

Fuchs: Natürlich, und es gibt ja auch schon Firmen, die beschäftigen dann eben nur mehr junge Leute, um sie dann gnadenlos auszunutzen. Das passiert vor allem im Bereich der neuen Technologien. Es gibt derzeit skrupellose Geschäftemacher, die verlangen immer mehr, damit sie selber ordentlich verdienen. Die sind im Moment noch eine Minderheit, aber die Jungen müssen aufpassen.

Die Furche: Überfordert diese Fixierung auf Arbeit und Leistung nicht allmählich?

Fuchs: Wer sich nur auf diese Schiene begibt, ist verloren. Man verliert nicht nur sich selbst aus den Augen, sondern auch die sozialen Beziehungen zu anderen Menschen.

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