Kaiserreich Österreich: Was die Monarchie zu leisten verabsäumt hat
Ein Gespräch mit Karl Schwarzenberg über 1914 und das Verhältnis von Österreich und Böhmen.
Ein Gespräch mit Karl Schwarzenberg über 1914 und das Verhältnis von Österreich und Böhmen.
DIE FURCHE: Wenn Sie zurückblicken, unter welchen Bedingungen hätte es der Vielvölkerstaat der K.u.k Monarchie schaffen können?
Karl Schwarzenberg: Das sind natürlich rein theoretische Überlegungen. Aber es besteht kein Zweifel: Der Grundfehler war, daß 1867 zwei der vielen Nationen innerhalb der Donaumonarchie privilegiert wurden. Das waren die verschiedenen deutschsprachigen Gruppen und die Ungarn. Dann gab es den Rest der Völker, die dabei benachteiligt wurden. Die Monarchie hat leider nicht mehr die Kraft gehabt, diesen Zustand in den nachfolgenden Jahrzehnten zu ändern. Wäre es gelungen, um die Jahrhundertwende statt einer dualistischen Monarchie ein echtes Vielvölkerreich zu errichten, mit gleichberechtigten Nationen, dann wäre sicher alles anders verlaufen. Nur, das ist eben nicht passiert.
DIE FURCHE: Wie groß ist, kulturell gesehen, heute noch der alte Einfluß Österreichs auf Böhmen?
Schwarzenberg: Ich halte den österreichischen Einfluß nicht mehr für sehr groß, obwohl es natürlich ein gemeinsames Erbe gibt. Wir müssen zur Kenntnis nehmen, daß Österreich nicht mehr die kulturelle Großmacht von einst ist. Es gibt auch heute noch eine bedeutende Literatur und die wichtigen Schriftsteller der österreichischen Moderne sind auch hier übersetzt und bekannt. Erst neulich habe ich in Prag eine sehr schöne Ausgabe von Handke-Werken gesehen. Aber der Einfluß geht nicht über eine normale gegenseitige Beeinflußung hinaus, wie sie unter Nachbarn üblich ist. Nur mehr die alte Generation, die ihre Matura noch vor 1945 gemacht hat, spricht fließend Deutsch. Bei den Jüngeren fehlen gute deutsche Sprachkenntnisse, Jeder versteht zwar ein bißchen Deutsch, um die Literatur wirklich zu verstehen, reicht es aber meist nicht aus. Man spricht häufiger Englisch. Generell orientieren sich die Leute nach dem gesamten Westen, nach New York, Paris, London... sie schauen nicht nur nach Wien, Innsbruck oder Graz.
DIE FURCHE: Ist Prag auf dem Weg, ein neues europäisches Kulturzentrum zu werden?
Schwarzenberg: Sagen wir, es gibt die Voraussetzungen dafür. Ob sie auch wahrgenommen werden, ist eine ganz andere Frage. Im übrigen wüßte ich gar nicht, wo sich heute noch ein bedeutendes europäisches Kulturzentrum befindet. Man könnte ja auch fragen, wer in Österreich beschäftigt sich heute mit tschechischer Literatur? Wer weiß, was auf kulturellem Gebiet in Polen oder Ungarn geschieht?
Mit Fürst Karl zu Schwarzenberg sprach Felizitas von Schönborn.
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