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In Österreich treten die Muslime gemeinsam mit den Juden fürs Recht auf Schächten ein.

Tierschutz genießt in Österreich einen hohen Stellenwert. Die von großem öffentlichem Interesse begleiteten Debatten um ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz, das am 27. Mai im Parlament beschlossen wurde, geben Zeugnis davon.

In den Brennpunkt geriet dabei einmal mehr das Schächten, wie es Juden und Muslime aus religiösen Gründen praktizieren. Dabei werden dem Tier mit fachmännisch ausgeführtem Schächtstreich die Halsschlagadern so durchtrennt, dass die Betäubung unmittelbar einsetzt und das Tier stirbt. Der Islam bezieht sich dabei auf die Tradition des Propheten Abraham. Die Speisegebote verbieten den Verzehr von Blut, Verendetem und Schweinefleisch. (Koran, Sure 5, Vers 3). Das Schächten ist jene Schlachtmethode, die den Körper des Tieres am meisten ausbluten lässt. Judentum und Islam schreiben es zwingend vor.

Steht also Religionsfreiheit versus Tierschutz? Der Verfassungsgerichtshof fand 1998 klare Worte und betonte, dass ein Schächtverbot einen Eingriff in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechte gesetzlich anerkannter Religionsgemeinschaften darstellt. Zudem sei eine Vereinbarkeit des Schächtens nach islamischem Ritus mit der öffentlichen Ordnung und den guten Sitten gegeben. Auch die EU-Richtlinien garantieren das Schächten für Juden und Muslime.

Kampagnen der FPÖ

Die FPÖ machte sich im Gegensatz dazu stark, das Schächten generell zu verbieten. Dass die anderen Parteien hier nach Auswegen suchten, spiegeln die Veränderungen am Entwurf des §32 wider, der die Tötung von Tieren behandelt. Die ursprünglich vorgelegte Textierung enthielt den absurden Widerspruch, dass das Schächten aus religiösen Gründen eindeutig gestattet wurde, andererseits aber nur unter vorheriger Betäubung stattfinden sollte, was einem Schächtverbot gleichgekommen wäre.

Israelitische Kultusgemeinde und Islamische Glaubensgemeinschaft koordinierten ihr Vorgehen, um bei den Parteien Bewusstheit für ihr Anliegen zu schaffen. Termine wurden gemeinsam wahrgenommen und auch ein gemeinsamer Vorschlag für die Formulierung im Gesetz unterbreitet. Dabei ist es eine besondere Herausforderung, begreiflich zu machen, dass Schächten und Tierschutzgedanke nach muslimischem wie jüdischem Verständnis vereinbar sind: Aber noch geht der Diskurs dahin, das Schächten bestenfalls als religiös begründete Eigenart widerwillig zu tolerieren, als die Frage nach den Schlachtmethoden an sich zu stellen.

Ist vom "betäubungslosen" Schlachten der Juden und Muslime die Rede, wird oft ausgeblendet, dass die Betäubung, wie sie heute an den Schlachthöfen praktiziert wird, nicht aus Tierfreundlichkeit eingeführt wurde, sondern um der Industrialisierung Genüge zu tun.

Die Betäubung der Tiere ist auch keinesfalls mit der Anästhesie im Spital vergleichbar, sondern an sich schmerzhaft. Als Methoden gelangen Elektroschock, Bolzenschuss und Langhirnsstab zum Einsatz, für Schweine auch Gas. Zwischen Betäubung und Tod kann ein längerer Zeitraum liegen. Juden und Muslime sehen es gerade als Vorteil an, dass professionell ausgeführtes Schächten Betäubung mit dem ZuTode-Bringen des Tieres verbindet. Schon in der Vergangenheit musste das Schächten immer wieder dazu herhalten, negative Emotionen wachzurufen, die dann populistisch kanalisiert werden konnten.

Begriffe wie "Blutrausch", "Ritualmord" usw. stehen aber in krassem Widerspruch zum Koran, wo es in Sure 22 Vers 37 heißt: "Ihr Fleisch (der Opfertiere) erreicht Allah nicht, noch ist es ihr Blut, sondern eure Ehrfurcht ist es, die Ihn erreicht. In dieser Weise hat Er sie euch dienstbar gemacht, auf dass ihr Allah für seine Rechtleitung preist. Und gib denen frohe Botschaft, die Gutes tun." Hier geht es um das Opferfest, anlässlich dessen die Muslime in Erinnerung an das Gottvertrauen Abrahams schlachten, bzw. schlachten lassen oder den Gegenwert in Geld spenden. Der soziale Aspekt des Teilens steht dabei im Vordergrund, denn das Fleisch des Opfertiers wird gedrittelt: eines für Bedürftige, eines für Nachbarn und Freunde und nur ein Drittel für den Eigenverbrauch. Und: Wer erinnert sich heute noch daran, dass ein Schächtverbot eines der ersten Gesetze der NS Diktatur war?

Sorgsamer Umgang mit Tier

Als in Oberösterreich Zustände an Schlachthöfen bekannt wurden, in denen vermeintlich betäubte Rinder an den Füßen aufgehängt bei vollem Bewusstsein erleben mussten, wie ihnen die Bäuche aufgeschlitzt werden, löste dies einen Skandal aus. Kurz darauf wurde seitens der FPÖ eine Anti-Schächt-Kampagne gestartet. Das Schächten scheint sich für Sündenbockpolitik geradezu anzubieten.

Darum ist Aufklärung so wichtig. Schließlich ist das Schächten kein Ritual, an dem Juden und Muslime aus archaischen Gründen hängen, sondern eingebettet in die Religion, die die Verantwortlichkeit des Menschen für den sorgsamen Umgang mit der Schöpfung vorschreibt und dem Tierschutzgedanken verpflichtet ist. Im Koran finden sich zahlreiche Erwähnungen von Tieren, die sogar zu Namensgebern von Suren werden, etwa Bienen und Ameisen. Von den Vögeln ist als eigenen Völkern die Rede. Die Betrachtung dieser Lebewesen und die Bewunderung für die Art, wie sie sich organisieren, sollen zum Nachdenken und Ehrfurcht vor der Schöpfung anregen. Tierschutz vermittelt sich auch bei einer der Säulen des Islams, der Hadsch, wo es den Pilgern verboten ist irgendein Lebewesen, und sei es ein Insekt, zu töten. Bereits Kindern wird die Geschichte eines Mannes erzählt, der das Paradies erlangte, weil er, nachdem er seinen Durst gestillt hatte, nochmals in einen Brunnen kletterte, um für einen Hund Wasser zu schöpfen. Andererseits schreckt das schlechte Beispiel einer Frau ab, die sich Strafe verdiente, weil sie ihre Katze verhungern ließ.

In beiden Religionen unterliegt das Schächten strengen Regeln, die dokumentieren, dass kein Tier ungerechtfertigt leiden darf. Ein Tier zu töten ist mit einem hohen Grad an Verantwortungsbewusstsein begleitet, denn dies darf nicht aus niederen Gelüsten geschehen, sondern ausschließlich zur Nahrungsgewinnung und mit der gebotenen Sachkenntnis, um jedes unnötige Leiden zu ersparen. An die muslimische Gesellschaft wird appelliert, eine ausgewogene Kost zu bevorzugen und keinen übermäßigen Fleischgenuss zu praktizieren. Der Schächter soll seine Ausbildung erst an einem toten Tier erhalten und sich durch die Anrufung Gottes beim Setzen des Schächtschnitts der Dimension seines Handelns bewusst werden. Das Werkzeug muss so sein, dass der Schnitt kaum spürbar ist. Die Schlachttiere sollen keinem Stress ausgesetzt, also bis zuletzt bestens mit Wasser und Futter versorgt sein, keine Transportstrapazen erdulden müssen und nicht zusehen, wie Tiere zuvor getötet werden.

Betäubung nach dem Schnitt

Das nunmehr verabschiedete Gesetz genügt den Erfordernissen der islamischen Religion. Politisch einigte man sich auf den Kompromiss, dass nach dem Schächtschnitt das "Post cut stunning" praktiziert werden soll, also unmittelbar nach dem Schächten eine Betäubung gesetzt wird. Geschächtet werden soll in dafür eingerichteten Schlachthöfen durch geschultes Personal und wie bei anderen Schlachtungen auch, unter Anwesenheit eines Tierarztes. Positiv war gewiss, dass durch einen fortwährenden Kommunikationsfluss ein konstruktiver Dialog zwischen ÖVP, SPÖ, Grünen und den Betroffenen greifen konnte. Auch Tierschutzorganisationen wie die "Vier Pfoten" zeigten Verständnis für die jüdisch/muslimische Position. Es bleibt zu hoffen, dass sich das Gesetz in der Praxis bewährt und dazu beiträgt, einen sachlichen Umgang mit dem Schächten weiter zu fördern.

Die Autorin ist Medienreferentin der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich.

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