Kassieren geht über Studieren

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In ihrem Eifer, das Budget zu sanieren, schießt unsere "treffsichere" Regierung leider immer wieder über das Ziel.

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In ihrem Eifer, das Budget zu sanieren, schießt unsere "treffsichere" Regierung leider immer wieder über das Ziel.

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Das Paket ist geschnürt, jene, denen es demnächst auf den Kopf fällt, und das sind in unterschiedlichem Ausmaß alle, haben bereits mehr oder minder lautes Wehklagen angestimmt. Studierende und Beamte, Saisonarbeiter und bisher mit dem Partner versicherte kinderlose Eheleute, Autofahrer und Raucher, Energieverbraucher und Erben, Pensionisten und Unternehmer - sie alle werden in Zukunft stärker zur Ader gelassen. Denn Österreichs Regierung ist offenbar für ein "Null-Defizit" fast jedes Mittel recht.

Für das Ziel muss man Verständnis haben. 1.742 Milliarden Schilling betrug 1999 die Verschuldung des Staates, das sind 215.700 Schilling pro Kopf der Bevölkerung - wer kann es verantworten, den nächsten Generationen einen solchen, ständig weiter wachsenden Schuldenberg zu hinterlassen? Dass an dieser Entwicklung in erster Linie 30 Jahre sozialdemokratische Budgetpolitik schuld ist, auch wenn die jeweiligen Koalitionspartner (von 1983 bis 1986 die FPÖ und dann für 13 Jahre die ÖVP) Mitverantwortung tragen, ist ein Faktum.

Neben der im Grunde richtigen Zielsetzung, keine Neuverschuldung einzugehen, muss man dem schwarz-blauen Regierungsteam zumindest eines zugestehen: einen an Verwegenheit grenzenden Mut zur Unpopularität. Die Frage ist, ob sie sich diesen Mut noch lange leisten kann. Hatten die EU-Sanktionen eine gewisse Solidarisierung mit der Regierung bewirkt, so dürfte nun eine neue Phase anbrechen, in der das Volk die Innenpolitik des Kabinetts Schüssel weit aufmerksamer und kritischer wahrnimmt.

Was das gegenwärtige Vorgehen der Regierung so problematisch macht, ist nicht, dass so viele aufschreien - das zeigt eher, dass man immerhin so "treffsicher" war, kaum eine Gruppe ungeschoren zu lassen. Jeder wird auch begreifen, dass man es nie allen recht machen kann. Schon eher fehlt einem das Verständnis für das angeschlagene Tempo, weil zwar rasche Weichenstellungen nötig sind, aber blinder Eifer sehr schadet. Das jetzt so beliebte Schlagwort "speed kills" (Geschwindigkeit tötet) zeigt das Dilemma: Die Regierung gleicht einer Truppe, die rasch das Inventar eines brennenden Hauses retten will und dabei Gefahr läuft, mehr zu ruinieren als das Feuer. Zugleich wirkt sie wie ein verschuldeter Schlossbesitzer, dem nichts Besseres einfällt, als rasch Familiensilber, Kunstsammlungen und Bibliothek zu Geld zu machen und durch Knausrigkeiten aller Art Personal und Besucher zu vergraulen.

Man mag die einzelnen Punkte des Belastungspakets bewerten wie man will, eher positiv oder eher negativ, auf jeden Fall lassen sie die heutige Regierungspolitik in einem sehr trüben Licht erscheinen - geprägt von Etikettenschwindel und einem eklatanten Mangel an Gesamtkonzepten. Statt sofort zuzugeben, dass eine rein ausgabenseitige Budgetsanierung nicht möglich ist, präsentierte man vielfach unausgegorene Maßnahmen, die mittels abstruser Sprachregelungen als alles andere, nur nicht als Steuer- oder Tariferhöhungen deklariert wurden.

Dass man dabei über die Vorschläge der Expertengruppe um den Sozialrechtler Wolfgang Mazal hinausging, dass man eine loyale Politikerin wie Bildungsministerin Elisabeth Gehrer, die stets gegen Studiengebühren eingetreten war, in den Regen stellte, dass man dadurch die Glaubwürdigkeit der Regierung stark erschütterte, stimmt bedenklicher als viele der konkreten Vorhaben.

Wenn gespart werden muss, kann auch der Gratis-Zugang zu den Universitäten, so wünschenswert er ist, kein Tabu-Thema sein. Schließlich gibt es schon in sieben der 15 EU-Länder Studiengebühren, wie im Gesundheitswesen ist auch hier ein gewisser Selbstbehalt zumutbar. Wenn man aber an den Hochschulen nicht gleichzeitig Dienstrecht, Strukturen und Stipendienwesen grundlegend reformiert, trifft man nicht wirklich ins Schwarze. Dass sich hier und zum Beispiel bei Saisonarbeitern, die um ganze Monate Arbeitslosengeld umzufallen drohen, Widerstand regt, ist kein Wunder.

Wenn ein Mann wie Werner Welzig, der Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, es für blanken Unsinn hält, von der Einführung von Studiengebühren eine Qualitätsverbesserung an den Universitäten zu erwarten, haben seine Worte, vor allem auch seine Vorschläge - Sparen, wo eine Überversorgung an Fakultäten besteht -, Gewicht. Ob nämlich Studiengebühren wirklich die angepeilten zwei Milliarden Schilling hereinbringen, ist mehr als fraglich - denn etliche werden dann eben nicht studieren.

Natürlich, und da gibt es nichts zu beschönigen, bedeuten solche Sparpakete "Sozialabbau". Man muss aber ehrlicherweise sagen, dass ein Sozialsystem abgebaut wird, das wir uns gar nicht leisten konnten, aber geleistet haben. Darum ist es auch vertretbar, die besser situierten Pensionisten durch Kürzung ihres Absetzbetrages zur Budgetsanierung beitragen zu lassen.

Aber warum trifft das Paket so viele, vor allem den Mittelstand, so hart, die wirklich Reichen aber kaum? Die bekannten Argumente: Der Spitzensteuersatz ist bei uns ohnehin schon so hoch, es gibt nicht so viele Reiche, dass diese Entscheidendes zur Budgetsanierung beitragen können, und wenn man bei der Besteuerung von Stiftungen, Vermögen und Auslandskapital nicht sehr behutsam vorgeht, wandert das Geld (mangels einer Kapitaltransfersteuer) sehr rasch ins Ausland ab. Auch wenn schon die SPÖ-Finanzminister diese Politik betrieben haben, wird sie dadurch nicht sozial gerecht. Vielmehr bedeutet sie die Kapitulation vor den Kapitalisten.

Mit Sicherheit hätte die Regierung nach einem eingehenden Studium der Expertenmeinungen bessere Vorschläge auf den Tisch legen können. Aber wie sie derzeit ohne Rücksicht auf ihre Glaubwürdigkeit ihre "Speed kills"-Politik durchzieht, zeigt, dass ihr rasches Kassieren über Studieren geht.

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