Keine Chance für "Alte"

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Menschen ab 45 Jahren weht ein rauer Wind am Arbeitsmarkt entgegen.

Weg mit den Alten, ist die Devise am Arbeitsmarkt. Ab 45 Jahren wird es für viele Menschen schon kritisch, denn in der Wirtschaft gilt man heutzutage nur noch im Alter zwischen 25 und 35 Jahren als jung. Das Zeitfenster, in dem es leicht fällt, Arbeit zu finden, wird zusehends enger.

Die BA-CA ist ein klassisches Beispiel: Die Bank will ihren Personalstand um bis zu 700 Beschäftigte kürzen. Es trifft vor allem ältere Mitarbeiter, die mit Sonderabfertigungen und Frühpensions-Aktionen (Teile des Gehaltes werden bis zum Pensionsantritt weitergezahlt) zu einem freiwilligen Ausscheiden aus dem Betrieb bewegt werden sollen. Der Wille, hohe Kosten zu senken, ist oft der Grund für die "Freisetzung" von Mitarbeitern. Doch vielfach ist die Erhöhung von bereits bestehenden Gewinnen die wichtigere Komponente. Auch hier ist die BA-CA beispielgebend: Im Zwischenbericht zum 30. September 2006 ist die Rede von einem "Rekordergebnis in den ersten neun Monaten: Periodenüberschuss ohne Fremdanteile steigt um 86% auf 1533 Millionen Euro". Dennoch, die Personalkosten müssen, so scheint es, runter.

Wissen veraltet schnell

Die Arbeitslosenstatistik des Arbeitsmarktservices (AMS) spricht eine deutliche Sprache: Ende Jänner 2007 waren von rund 295.000 Arbeitslosen 55.123 älter als 50 Jahre. Für Maria Hofstätter, Leiterin der Forschungsabteilung beim AMS, liegt der Grund vor allem darin, dass die Arbeitswelt sich derart rasant weiterentwickelt. Die Halbwertszeiten von Wissen liege im IT-Bereich bei fünf bis sechs Monaten und in den anderen Bereichen der Wirtschaft bei drei bis fünf Jahren. Da haben Arbeitnehmer, deren Ausbildung 20 Jahre zurückliegt und die kaum Weiterbildung im Unternehmen genossen haben, wenig bis gar keine Chancen im Wettbewerb mit den jungen Arbeitssuchenden, die gerade eine berufsbildende höhere Schule (BHS) oder eine Hochschule abgeschlossen haben. "Die Unternehmen sind immer auf der Suche nach innovativem Wissen, und bislang war es üblich, sich dieses bei neuen jungen Mitarbeitern zu holen."

"Die Betriebe messen der Weiterbildung nicht die Bedeutung zu, die sie haben soll", sagt Hofstätter. Die Arbeitsmarktexpertin kann sich ein Modell gut vorstellen, bei dem die Fortbildung dort stattfindet, wo einst das Wissen erworben wurde. So würde ein Mitarbeiter nach 15 Jahren Arbeit für ein halbes Jahr auf die Hochschule oder die BHS gehen, um sein Wissen aufzufrischen. Dies wäre ein Lösungsansatz, um das Argument zu entkräften, dass Mitarbeiter mit 45 Jahren nicht mehr auf dem neuesten Stand wären.

Markt analysieren

Das AMS selbst bietet natürlich für jene, die bereits ihre Arbeit verloren haben, Weiterbildungskurse an, doch dies ist kostspielig und dauert von einigen Monaten bis zu mehreren Jahren. Obwohl darauf geachtet wird, dass die Kurse auch dem entsprechen, was sich die Arbeitslosen vorstellen, bedeutet das nicht, dass nach Kursende sofort eine neue Arbeit angetreten werden kann. Das AMS-Qualifikationsbarometer, das Stellenanzeigen in 74 Medien untersucht, hilft herauszufinden, welche Qualifikationen derzeit in der Wirtschaft gesucht sind, somit können die Weiterbildungsmaßnahmen zielgerichteter eingesetzt werden.

Ausbildung reicht nicht

Auch mit den Firmen gibt es hierbei eine Zusammenarbeit. Das bedeutet, dass Betriebe mit offenen Stellen sich beim AMS melden und angeben, welche spezifische Weiterbildung eine Person vorweisen sollte. Das AMS sucht dann eine Person, die dem Profil entspricht und leitet die Fortbildungsmaßnahmen ein. Oft wollen aber die Betriebe neben dem neuen Wissen auch noch zwei bis drei Jahre Arbeitserfahrung in dem Bereich. "Und das können wir nicht schaffen", sagt Hofstätter. "Da haben wir das gleiche Problem wie mit den jungen Leuten, die die Praxis noch nicht haben. Die bekommt man aber nur, wenn man in einem Betrieb arbeitet." Für Hofstätter ist klar: Das Argument, dass ältere Arbeitnehmer zu viel kosten, ist dem gewichen, dass diese Arbeitnehmer nicht das Wissen haben, das in der Arbeitswelt verlangt wird.

Roman Valent, Initiator der Plattform Generation 45 plus, ist dennoch überzeugt, dass die Kostenfrage der Hauptgrund für Kündigungen ab einem gewissen Alter ist. Die Initiative für ältere Arbeitssuchende zählt rund 230 Mitglieder aus allen Berufsgruppen - vom Koch bis zum Manager -, und alle haben Probleme mit dem Wiedereinstieg. Valent sieht die Fortbildungsmaßnahmen kritisch. Er stimmt zu, dass Kurse im Bereich der EDV, der neuen Medien und der Sprachen durchaus sinnvoll für ältere Menschen sind. "Ein Bewerbungstraining für einen 62-Jährigen ist aber nichts anderes als ein Aufbewahrungskurs", sagt Valent.

Zu nichts mehr nütze

Der Lobbyist für die Sache der älteren Menschen am Arbeitsmarkt echauffiert sich vor allem darüber, dass aus Potenzialen Sozialfälle gemacht würden. Viele Betroffene werden mit der Situation nicht fertig, dass sie mit Ende 40 oder in ihren 50ern zu nichts mehr nütze sein sollen. Wenn die Hoffnung einmal fahren gelassen wurde, dass sich nicht doch noch eine Arbeit finden lässt, wünsche sich der eine oder andere sogar eine schwere Krankheit, um der elenden Sucherei ein Ende zu machen, und in den Ruhestand gehen zu können.

Fit für den Notstand

Valent kennt einige dieser Fälle, und erzählt von einer Betroffenen, der ihre Lebenssituation derart zugesetzt hat, dass sie auch nur noch den Wunsch hatte, früher als üblich in Pension zu gehen. Die Behörden lehnten ihr Ansuchen allerdings ab und gewährten stattdessen eine Kur. "Nun ist ihr Gesundheitszustand wieder soweit hergestellt, dass sie das Leben in der Notstandshilfe besser aushält." Die in vielen Jahren Berufsleben gesammelten Erfahrungen zählen nichts gegen das aktuelle Wissen gepaart mit den Kosteneinsparungen, die ein neuer, junger Mitarbeiter mit in ein Unternehmen bringt. Es stimme schon, dass die älteren Mitarbeiter nicht in allen Bereichen up to date sind, dafür bringen sie aber soziale Kompetenz sowie die Fähigkeit zur Problemlösung und Teamfähigkeit mit. Die Jungen brauche man auch, ist sich Valent bewusst, aber es gehe ihm vor allem um ein gelebtes Miteinander von Jung und Alt in einem Betrieb. So könne die junge Generation von der alten lernen und umgekehrt.

Neben dem Paradoxon, dass auf der einen Seite die Marketing-Experten die Generation ab 45 entdeckt haben, diese aber teilweise gar nicht mehr in der Lage ist, die tollen Produkte zu kaufen, die "spziell für sie" angepriesen werden, blüht Österreich vonseiten der EU ein neues Problem. Um die Lissabon-Ziele zu erfüllen, müssen 50 % der älteren Menschen bis zum Jahr 2010 Arbeit haben. 2005 berechnete die OECD für Österreich eine Beschäftigungsquote bei den 55 bis 64-Jährigen von nur 28,7 %. Auch in diesem Bereich hat der Norden Europas die Nase vorn: Gesellschaft und Politik fördern ältere Menschen. Somit liegt die Erwerbsquote der über 55-Jährigen in Schweden bei 70 %.

Arbeitsmarktdaten

Die EU strebt im Rahmen der Lissabon-Ziele die Anhebung der Beschäftigungsquote auf 70 % bis ins Jahr 2010 an. Um dieses Ziel zu erreichen, muss unter anderem die Erwerbsquote der 55 bis 64-Jährigen auf 50 % gehoben werden. In Österreich arbeiteten laut OECD 2005 in dieser Gruppe nur 28,7 %. Die EU-Kommission stellte im Februar ihre jüngsten Zahlen vor, somit zählt die Beschäftigungsrate für ältere Arbeitnehmer in Österreich mit 31,8 Prozent (2005) zu den niedrigsten in der EU. Der Durchschnitt liegt in der EU bei 42,5 %. Politikwissenschaftler Emmerich Tálos geht in diesem Segment von einer jährlichen Steigerungsrate von 1,5 % aus. Somit ist das Lissabon-Ziel mit den aktuellen wirtschaftspolitischen Maßnahmen nicht erreichbar.

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