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Zu wenig Nachwuchs: hemmungsloser Hedonismus - oder Versagen der Politik?Klarstellungen zu einer ideologisch aufgeheizten Debatte.

Hei, die Aufregung war groß: Eine konservative Ministerin hatte etwas von "mehr Kindern" gesagt und das Von-Party-zuParty-Rauschen der Single-Gesellschaft an den Pranger gestellt. Das wollte selbst eine Parteifreundin und Regierungskollegin nicht so stehen lassen und plädierte dafür, dass die Jugendlichen sehr wohl von Party zu Party rauschen dürften und sich dann um den Nachwuchs kümmern sollten. Ansonsten lief alles nach Plan: die "Frau an den Herd"-Keule sauste durch die Luft, der Verweis auf die Dollfuß-Jahre durfte selbstredend nicht fehlen, nur das "Mutterkreuz" wurde diesmal (noch) nicht ausgewickelt.

Nun, der Reihe nach: Elisabeth Gehrer hat, wie es so ihre Art ist, auch nicht die feine Klinge geführt, sondern - höflich formuliert - ein recht holzschnittartiges Bild gezeichnet: Partys statt Kinder - oder, nicht in Gehrers Worten: Hedonismus pur statt Verantwortung für die kommenden Generationen. Das muss all jene Frauen empören, die hautnah erleben, wie schwierig oder beinahe unmöglich noch immer die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist. Hierher gehört das Thema "Mangel an Kinderbetreuungsplätzen" - für die Betroffenen kein Politikum sondern unmittelbare Realität. Hierher gehört nicht minder, dass ein Blick in ein x-beliebiges Büro zeigt: Männern merkt man es (außer sie sind - selten genug - in Karenz) kaum an, ob sie daheim Kinder haben oder nicht; bei Frauen ist der Unterschied zwischen Müttern und Nicht-Müttern evident - die gleiche Arbeitsleistung im Beruf erfordert ein ungleich höheres Maß an Selbstorganisation und -disziplin. Und das bisschen Mehr an Leistung, das dem beruflichen Fortkommen ja recht förderlich ist, erbringt man mit dieser Mehrfachbelastung halt nicht so leicht. Ja, der Satz: "Kinder können ihre Karriere gefährden", gilt noch immer - wobei viele Mütter unter "Karriere" ohnedies nicht Spitzenpositionen verstehen, sondern einfach einen ihrer Ausbildung und ihren Fähigkeiten einigermaßen adäquatenJob...

Von all dem also hat Elisabeth Gehrer nicht gesprochen. Aber wer sagt schon immer, als Politiker zumal, die ganze Wahrheit! Auch Teilwahrheiten haben ihre Berechtigung - und eine solche hat die VP-Ministerin sehr wohl artikuliert. Denn man wird nicht fehl gehen in der Annahme, dass der Mangel an Kindern nicht nur mit den eben beschriebenen Rahmenbedingungen zu tun hat (wie etwa auch Kirchen- und Glaubenskrise nicht einfach durch - dennoch nötige und richtige - Strukturreformen zu beheben wären). Es ist wohl auch so, wie Susanne Gaschke kürzlich in der Zeit festgestellt hat, "dass uns Kinder - jenseits aller finanziellen Argumente - einfach zu anstrengend sind. Weil wir andere Prioritäten setzen, beweglich sein müssen, aber auch wollen; weil wir Konsum für angenehmer halten als nervtötende Stunden mit Holzbauklötzen - und unseren Nachtschlaf schätzen" (s. dazu auch Helmut Schüllers Kolumne, S. 10). Ja, auch das ist wahr: Wir leben in einer Gesellschaft, zu deren Rhythmus und Pulsschlag Kinder schlecht passen, deren Wertesystem der Lebenswelt von Kindern & Eltern in vielem diametral entgegensteht. Nun ist schon richtig, dass extrem hohe Kinderzahlen in früheren Zeiten mit Rollenbildern und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen zu tun hatten, die sich niemand zurück wünschen wird. Aber gerade, weil wir heute diese Fixierungen zum Glück (weitgehend) hinter uns gelassen haben, sollten wir unbefangener fragen können, ob Kinder nicht der eigentliche Reichtum einer Gesellschaft sind.

In liberalen Gemeinwesen gelten Fragen der persönlichen Lebensführung aus gutem Grund als Privatsache. Aber es gehört zum Dilemma solcher Gemeinwesen, dass es dennoch ein legitimes öffentliches Interesse an manchen dieser Privatsachen gibt. Dazu gehören auch Kinder: Selbstverständlich lässt sich Nachwuchs nicht verordnen (wie die dumme Rede von der "Gebärfreudigkeit" unterstellt) - aber dennoch kann es einer Gesellschaft nicht egal sein, wie es um ihre kommenden Generationen bestellt ist. Zwischen dem wünschenswerten Wandel in den Köpfen und den Aufgaben der Politik besteht, wie immer, ein Wechselverhältnis. Vielleicht ist es ja das, was uns Elisabeth Gehrer eigentlich sagen wollte.

rudolf.mitloehner@furche.at

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