Kindliche "Pseudo-Identität"

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Der Väter- und Geschlechterforscher Gerhard Amendt über Kuckuckskinder.

Die Furche: Die deutsche Justizministerin Brigitte Zypries hat in einem Spiegel-Interview zu heimlichen Vaterschaftstests gemeint: "Wenn wir damit anfangen, sind wir ruck, zuck dabei, dass der Arbeitgeber heimlich ein Glas beim Vorstellungsgespräch nimmt und dann prüfen lässt ..."

Gerhard Amendt: Das ist natürlich Quatsch, und davon ist auch Frau Zypries schon abgekommen. Was sie hier sagt, ist, dass ein Ehemann oder ein Lebensparter, der seine Zweifel hat, genauso ein exploitatives Verhältnis zu seiner Frau hat wie der Arbeitnehmer zu irgendwelchen Leuten in der Lagerhalle. Das ist doch lächerlich. Der Mann will in erster Linie Gewissheit für sich selbst. Bin ich der Vater? Und wenn er es nicht ist, will er, dass er es dem Kind sagen kann, wenn es die Frau nicht tut. Nach dem Motto: Wir müssen jetzt über etwas ganz Schwieriges reden ...

Die Furche: Kann es sein, dass diese Enthüllung für ein Kind schlimmer ist als die Verheimlichung der Wahrheit?

Amendt: Wir wissen aus der Adoptionsforschung, dass das Verheimlichen der Eltern einfach für die Kinder nicht taugt. Vor allem: Die Kinder merken es. Und wenn sie es dann merken und rückblicken auf ihre Kindheit, dann sind ihre Eltern doch die großen Weichensteller und Betrüger gewesen. Die Kuckucksei-Metapher ist ja eine Beschönigung. Im Alltagsleben einer solchen Familie heißt das doch, dass die Mutter dem Kind bei der Beantwortung der Ursprungsphantasie - Wo komme ich her? - ständig etwas erzählt hat, was nicht stimmt. Das ist eine Pseudo-Identität, die dem Kind vermittelt wird. Die Frau wird so zur Schöpferin eines Familienmythos.

Die Furche: Aber gibt es seitens der Frauen nicht die berechtigte Angst, dass der Mann die Familie im Fall einer "Offenlegung" verlässt?

Amendt: Darüber weiß man nichts. Aber nehmen wir an, es kommt heraus, wenn das Kind zwölf Jahre alt ist. Was passiert? Der Mann hat zwölf Jahre mit dem Kind gelebt. Er wird ungeheuer sauer sein. Aber auf wen? Doch nicht auf das Kind, sondern auf die Mutter. Dieser Mann wird, wenn er vernünftig ist, nicht mehr Vater sein, weil er Vater ist, sondern weil er es diesem Kind sein will.

Die Furche: Hier wird aber wohl auch seitens des Kindes eine Ablehnung gegenüber der Mutter entstehen ...

Amendt: Nun ja, die Mutter ist ja nicht nur Kuckucksei-Mutter. Das Kind wird natürlich auf die Mutter zornig sein. Aber auch wenn die Mutter hier etwas Schlimmes gemacht hat, so hat sie natürlich auch ihre guten Seiten. No parent ist perfect!

Die Furche: Tatsache ist, dass solche Tests ein riesen Geschäft sind ...

Amendt: Natürlich. Aber das delegitimiert ja nicht das, was ein Vater treibt, der wissen will, was los ist. Selbstverständlich werden diese Institute systematisch versuchen, die Presse dorthin zu bekommen, dass sie schreibt, es gebe rund 20 Prozent Kuckuckskinder. Das sind 20 Prozent potenzielle Kunden. Aber ich glaube nicht, dass sich ein Mann, der sich seiner Beziehung sicher ist, von der Werbung überreden lässt.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

Ein längeres Interview mit Gerhard Amendt lesen Sie am 10. Februar im "Männer"-Dossier von furche Nr. 6.

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