"Kirche sieht Leiden der Frauen nicht"

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Sie gilt als eine der energischsten Wortführerinnen für die Sache der Frauen: Renée Schroeder. Vergangenen Mittwoch wurde die am Vienna Biocenter tätige Mikrobiologin, die durch ihre Forschungen über die Ribonukleinsäure (RNA) bekannt geworden war, vom Österreichischen Klub der Bildungs- und Wissenschaftsjournalisten zur "Wissenschaftlerin des Jahres 2002" gekürt. Im Interview mit der Furche spricht sie über die Bioethikdebatte, ihren Wunsch nach Zulassung der Präimplantationsdiagnostik und die Position der katholischen Kirche.

Die Furche: Sie sind nach dem evangelischen Theologen Ulrich Körtner die zweite "Wissenschaftlerin des Jahres", die in der Bioethikkommission der Bundesregierung sitzt. Wie beurteilen Sie die bioethische Diskussion in Österreich?

Schroeder: Sie ist zu emotional belegt, das hat die Ankündigung des ersten Klonbabys wieder deutlich gemacht - egal ob es stimmt oder nicht. Im Mittelpunkt sollte dieses Baby stehen: Was ist seine Stellung? Welche Probleme hat es? Das sind die wirklich ethischen Fragen, nicht jene nach der Unsterblichkeit. Im Mittelpunkt sollte das "Produkt" stehen, und hier sehe ich enorme Probleme. Deshalb bin ich entschieden gegen das Klonen von Menschen.

Die Furche: Bezüglich der Präimplantationsdiagnostik schwimmen Sie gegen den Strom: Nach Ihrer Meinung sei ein Verbot der PID mit Körperverletzung gleichzusetzen. Warum?

Schroeder: Ich halte es einfach für unmenschlich, eine Frau mit einem ungesunden Kind zu "beschwängern", das sie vielleicht nicht haben will. Das halte ich für eine unglaubliche Instrumentalisierung ihres Körpers. Hier denke ich sehr feministisch: Frauen haben die sehr schöne Aufgabe, ein Kind zur Welt zu bringen und großzuziehen. Und das sollen sie kontrolliert machen können und nicht von Kirchen oder anderen Institutionen, die nicht unbedingt mit dieser Aufgabe beschäftigt sind, Befehle erhalten.

Die Furche: Behindertenvertreter warnen vor einer Zulassung der PID, weil der gesellschaftliche Druck zur "Ausmerzung" behinderten Lebens steigen würde. Sehen Sie diese Gefahr nicht?

Schroeder: Doch, nur darf man die Frauen deshalb nicht entmündigen. Wie oft bei ethischen Fragen skizziert man aber ein Horrorszenario und denkt nicht daran, ob es Möglichkeiten gibt, diese Folgen zu beeinflussen. Meist handelt es sich ja nicht um Behinderungen, sondern um genetische Krankheiten, die oft sehr schmerzvoll und für eine Familie belastend sind. Die meisten Behinderungen sind "Unfälle" während der Entwicklung und nicht genetisch nachzuweisen.

Die Furche: Dennoch bestimmt man bei der PID über die Existenz eines anderen Menschen ...

Schroeder: Ja, aber es wird auch über das Leben der Mutter bestimmt, das ist eine Symbiose. Ich habe immer das Gefühl, dass dem Embryo ein viel höherer Stellenwert eingeräumt wird als der Mutter. Die katholische Seite sieht aber dieses Leiden der Frauen nicht.

Die Furche: Unbestritten ist, dass Frauen von den Risiken der Gentechnik besonders betroffen sind ...

Schroeder: Richtig, sie sind die Objekte, deswegen finde ich es auch schade, dass in der Bioethikkommission so wenige Frauen sitzen (nur vier der insgesamt 19 Mitglieder sind weiblich, Anm. d. Red.). Denn wenn es ums Kinderkriegen geht, sollten wirklich die Frauen die Entscheidungen treffen können.

Das Gespräch führte Doris Helmberger.

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