Kirchenkrise und Dialoghoffnung

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Am Vorabend des ,Dialogs': Nur 16% gehen noch regelmäßig in die Kirche. 61% der Befragten hoffen auf den ,Dialog für Österreich'.

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Am Vorabend des ,Dialogs': Nur 16% gehen noch regelmäßig in die Kirche. 61% der Befragten hoffen auf den ,Dialog für Österreich'.

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Wenn Peter L. Berger sagt, Westeuropa sei das Katastrophengebiet der Religionen und Kirchen, dann spricht auch einiges bei uns in diese Richtung. So liegt nach einer in der Furche erstmals publizierten Telefonumfrage des Meinungsforschungsinstituts ISMA (Auftraggeber waren das Wiener Institut für Pastoraltheologie und die dort angebundene Arbeitsstelle für kirchliche Sozialforschung) der Sonntagskirchgang in Österreich im Schnitt bei 16%, dazu kommen 18%, die monatlich gehen. Die Hälfte geht so gut wie nie. Unter den Männern sind es 11%, von den Frauen gehen fast doppelt so viele (21%): Religion ist, auch wenn sie schwach wird, weiblich. Und sind unter den über 70jährigen mehr 37% regelmäßige Sonntagskirchgänger, so finden wir unter den unter 30jährigen nur 6%. Gut, daß Trends in unruhigen Zeit immer unverläßlicher werden. Dennoch: die Jungen sind meilenweit weg von der Kirche.

Das wird auch deutlich bei der Frage "Auch wenn die Kirche in der Krise ist, fühle ich mich mit ihr verbunden". Immerhin stimmen diesem Satz 53% zu, 38% eher nicht. Den übrigen ist die Frage egal. Und wieder dasselbe Gefälle: Unter den Siebzigjährigen sind 71% verbunden, bei den unter 30jährigen 42%.

n Der Dialog als Chance Sind die akuten Herausforderungen wie die Causa G. und das Kirchenvolks-Begehren der Anstoß zum Dialog für Österreich, der am Delegiertentag einem Höhepunkt zustrebt, dann sind diese harten Fakten der reale Hintergrund. Zwar gehört es auch noch zum dunklen Szenario, daß nur 33% die derzeitige österreichische Kirchenentwicklung positiv sehen. 50% haben eine negative Sicht.

Zugleich aber halten 61% dafür, daß der "Dialog für Österreich" ein Beitrag zu einer positiven Entwicklung sein kann. Hier sind die Jüngeren mit 60% optimistischer als die Älteren mit 55%. Der größte Optimismus ist bei den mittleren Jahrgängen, der enttäuschten Konzilsgeneration. Doch ist bislang die Breitenwirkung begrenzt: Nur 31% haben von der Veranstaltung gehört, 19% bei den Jüngeren.

n Aufgaben Nimmt man diese wenigen gesicherten Anhaltspunkte, dann lassen sich einige Folgerungen für die Kirche ziehen: Die Lage der katholischen Kirche ist mehr als kritisch. Besonders beunruhigend ist die Kluft zu den Jungen. Es braucht daher ein starkes Signal für die Jugend. Eine "Option für die Jugend", einen wiederholten konzilaren Prozeß mit den Jugendlichen?

Bei aller Kritik gibt es als "Reform-Kapital" eine erstaunliche Treue der Leute auch in der Krise. Dieses Potential ist zu nützen, und nicht neuerlich zu enttäuschen.

Eine Tiefenreform ist unerläßlich. Sie braucht Zeit sowie optimale synodale Beteiligung möglichst vieler. Erfolgt sie nicht, trifft die bittere Frage Jesu (Lk 18,8, Evangelium des letzten Sonntags) auch unser Land: "Wird der Menschensohn, wenn er kommt, in Österreich noch Glauben vorfinden?"

Der Autor lehrt Pastoraltheologie in Wien.

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