Kirgistan - Spielball der Mächte

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Zentralasien befindet sich im Fokus geopolitischer Machtspiele. Für Amerikaner und Russen ist die politische Stabilität in Kirgistan, dem Armenhaus der Region, auch von zentraler militärstrategischer Bedeutung.

Kent und Manas. Was haben diese beiden Namen gemeinsam? An diesen Orten im fernen Kirgistan befinden sich Militärstützpunkte. Auf einer Distanz von nur wenigen Kilometern unterhalten die USA und Russland Militärbasen. Nirgendwo sonst auf der Welt bietet sich ein derartiges Phänomen. Die physische Nähe der beiden Kontrahenten mag symbolisch sein für die geopolitische Brisanz der gesamten Region. Amerikaner, Russen und auch Chinesen liefern sich dort einen Wettlauf um Einfluss und Ressourcen. Handfeste Interessen der globalen Akteure prallen aufeinander. Russland betrachtet die früheren Sowjet-Republiken in Mittelasien weiterhin gewissermaßen als seinen Hinterhof. Die USA brauchen Zentralasien als Hinterland für ihr Engagement in Afghanistan. Chinas Unruheprovinz Xinjiang, von Uiguren und anderen muslimischen Volksgruppen bewohnt, grenzt an Kirgistan. Moskau, Washington und Peking schielen auf die Rohstoffe der Region, auf Öl, Gas und Uran. Diese sind freilich in der Region nicht gleichmäßig verteilt.

Streben nach Annäherung

Allen Ländern gemeinsam ist, dass sie sich nach der langen Sowjet-Herrschaft und nach rund zwanzig Jahren Unabhängigkeit neu positionieren wollen. Wenn man diese Länder als Europäer bereist und mit der politischen Elite ins Gespräch kommt, spürt man das Streben nach einer Annäherung an den Westen.

Wo bleibt Europa in diesem Machtspiel? #Die Europäer sind noch nicht bereit. Sie wissen nicht, was sie wollen#, so ein Diplomat aus einem stan-Staat, der damit auch auf die Nabucco-Pipeline anspielte. Es gehe um die Wahrung des Gleichgewichts der Kräfte zwischen Russland, China und Europa, erläuterte er den Standpunkt Taschkents. Spielregel: #Wir lassen uns nicht bevormunden.# Das gelte auch für den Aufbau der eigenen Zivilgesellschaft.

Man mag solche Worte als Seitenhieb auf westliche Forderungen nach mehr Demokratie verstehen. #Belehrungen# der EU # was wurde aus deren Zentralasien-Strategie? # hört man nicht gerne. Da tut man sich mit den Russen leichter, die das harte Durchgreifen nach dem Aufstand von Andischan als Anti-Terror-Erfolg lobten. Und mit den Chinesen, die #zahlen und nicht nach Menschenrechten fragen#, so ein Unternehmer.

Auch auf den Umsturz in Kirgistan, den zweiten seit der #Tulpenrevolution# vor fünf Jahren, reagierte die EU lauwarm. Russen und Amerikaner, ihre Militärinteressen vor Augen, schlugen Alarm und sich selbst rasch auf die Seite der neuen Machthaberin. Unter den Nachbarn weckt das Beispiel Kirgistan Ängste. Schon 2005, als Präsident Askar Akajew weggefegt wurde, reagierten sie verschreckt. Vor sechs Monaten stürzte Kurmanbek Bakijew. Die Langzeit-Staatschefs Nursultan Nasarbajew (Kasachstan) und Islam Karimow (Usbekistan) stehen dagegen wie Garanten der inneren Stabilität da.

Zurück zu Kirgistan, wo nun die neue starke Frau Rosa Otunbajewa eine neue politische Ordnung zu installieren sucht. Eine Ordnung, die vom traditionellen System autoritärer Staatschefs abgeht und die Machtbefugnisse des Präsidenten zugunsten des Parlaments beschneidet. Ein absolutes Novum in Zentralasien, wo Parlamente dazu instrumentalisiert werden, Herrschern weitere Amtsperioden zu verschaffen und so in ihrer Machtfülle zu legitimieren.

Rosa Otunbajewa ist die erste Frau an der Spitze eines zentralasiatischen Staates. Geht die Rechnung der Übergangspräsidentin auf, dann wird sie selbst den Staat nur bis 2011 lenken, wenn Präsidentenwahlen stattfinden sollen. Dies wird der dritte Schritt sein nach dem Verfassungsreferendum vom Juni, bei dem 90 Prozent der Kirgisen dem Vorschlag folgten, ein parlamentarisches System nach dem Muster des deutschen Grundgesetzes einzuführen, und den am zweiten Oktober-Sonntag abgehaltenen Parlamentswahlen.

Nationalistische Wahlsieger

Entgegen allen Befürchtungen verlief der Urnengang ruhig. Fünf Parteien schafften den Einzug in das nunmehr aufgewertete Parlament. Allerdings zeichnen sich schwierige Koalitionsverhandlungen ab. Otunbajewas Sozialdemokraten landeten hinter der neuen nationalistischen Partei Vaterland auf Rang zwei, was die Laune der Präsidentin nicht trübte. Von einem #historischen Ereignis# sprach die Fahnenträgerin des kirgisischen Parlamentarismus. Auch die OSZE zeigte sich zufrieden. 2005 spielte Otunbajewa in der #Tulpenrevolution# gegen Akijew eine aktive Rolle. Der 60-Jährigen wird zugute gehalten, dass sie nicht in das Clanwesen verstrickt ist. Von Bakijew distanzierte sie sich, als dieser auch charakterlich in die Fußstapfen seines korrupten Vorgängers trat. Beim Amtsantritt im Juli beschwor sie den Rechtsstaat, den sie aus Kirgistan machen wolle. Ein hehres und ehrgeiziges Anliegen. Denn Kirgistan steht vor großen Herausforderungen.

Soziale Probleme waren der Nährboden für den Ausbruch ethnischer Spannungen zwischen Kirgisen und Usbeken, die wieder aufflammen können. Rund 2000 Tote forderten Juni-Unruhen, die Lage der 75.000 Flüchtlinge im Grenzgebiet zu Usbekistan ist weiter bedrohlich. Das Fergana-Tal gilt als Brutstätte islamistischer Strömungen.

Russland und die USA stehen den demokratischen Bemühungen skeptisch gegenüber. Das Parlament könnte politische Instabilität bringen, so die Sorge, die in Washington hinter vorgehaltener Hand, in Moskau dagegen ganz offen vorgetragen wird. Kreml-Chef Dimitri Medwedew sagte, für Russland wäre dies #eine Katastrophe#. In jüngster Zeit ist die neue Führung in Bischkek gegenüber Moskau und Washington in Sachen Militärkooperation initiativ geworden. Den Russen schlug Kirgistan im September ein neues Militärabkommen vor, das sich auf 49 weitere Jahre erstrecken solle. Für seine Militärpräsenz solle Russland nicht bar, sondern in Waffen bezahlen. Freilich: Bischkek will, dass Moskau seine bisher fünf Stützpunkte auf eine Militärbasis zusammenlegt.

An die USA erging aus Bischkek ein bemerkenswerter Vorschlag: Kirgistan plant ein Joint Venture mit Russland, um die wichtige US-Basis Manas, Drehscheibe für den Nachschub in Afghanistan, mit Treibstoff zu beliefern. Die Lieferungen sollen bisher durch Firmen erfolgt sein, die Bakijew nahestanden. Am Präsidentensitz in Bishkek frohlockte man bereits über eine #neue Ära der multilateralen Zusammenarbeit#. Wohlan! Es ist noch gar nicht so lange her, dass der US-Basis in Kirgistan das Aus drohte.

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