Kleine Pille, grosse Aufregung

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Seit Jahresbeginn kann auch in Österreich die Pille danach rezeptfrei gekauft werden. Kritiker fürchten Missbrauch, Befürworter loben den hürdenfreien Zugang im Notfall.

Eine Szene, die in Österreichs Apotheken nun öfter vorkommen wird: Eine Frau wünscht die Pille danach. Die Apothekerin schaut erstaunt: „Wie lange liegt die Panne zurück“, fragt sie. „Es ist noch nichts passiert, es ist nur für Notfälle in der Zukunft.“ Etwas erstaunt folgt der leicht mahnende Hinweis der Apothekerin: „Sie kennen sich mit diesem Präparat aus …?“ Die Kundin, kein Teenie mehr, nickt. „Sie wissen, dass es keine reguläre Verhütung ersetzt? Ich sage das nur, weil wir nun schon einige Frauen hier hatten, die meinten, das könne man zur regulären Verhütung machen.“ Die Kundin verneint und bekommt die Packung mit der einen Pille. So ein Selbstversuch der Redakteurin.

Bei weiteren Recherchen in anderen Apotheken zeigt sich: Die Pille danach wird bisher nicht mehr verlangt als früher mit Rezeptpflicht. Und die Apotheker machen das, was sie auch schon zuvor gemacht haben, als sie das Verhütungsmittel aufgrund des „Notfallsparagrafen“ vorläufig ohne Rezept aushändigen durften: Sie fragen nach und informieren. Die Apotheken sind nun angehalten aufzuklären, dass das Präparat nur für Notfälle eingesetzt werden soll, keine reguläre Verhütung ersetzt, eine bestehende Schwangerschaft nicht abgebrochen werden kann, kein Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten gegeben ist, nicht in jedem Fall eine Schwangerschaft verhindert wird und eine Kontrolle durch den Frauenarzt empfohlen wird. Manche Apotheker sind besonders vorsichtig: Einer Zwölf- bis 13-Jährigen würde er das Präparat aber nicht so einfach aushändigen, sagt Christoph Zeidler von der Bahnhof-Apotheke im 9. Wiener Bezirk. „So junge Mädchen sind seltene Ausnahmen. In diesen Fällen würde ich vorher mit ihrem Frauenarzt Kontakt aufnehmen oder mit den Eltern.“ Das Gesundheitsministerium hat die „Vikela“ aber für Frauen aller Altersgruppen ohne Rezeptpflicht freigegeben.

Erste Erfahrungen hierzulande, viele Erfahrungen in anderen Ländern

Kurz vor Weihnachten hatte SP-Gesundheitsminister Alois Stöger endlich erreicht, was er schon länger angekündigt hatte: Die Pille danach wurde per Bescheid vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen rezeptfrei gestellt. Gegner und Befürworter sind seither in Aufregung. Während erstere vor der Hormonbelastung warnen und vor einer möglichen Zunahme riskanten sexuellen Verhaltens, loben die anderen, dass ein Notfallsverhütungsmittel, das möglichst rasch nach einer Panne genommen werden soll, einfach in den Apotheken gekauft werden kann, ohne etwa an Wochenenden eine überfüllte Ambulanz aufsuchen zu müssen oder umständlich zu einem Arzt-Rezept zu kommen. Österreich folgt damit einer Empfehlung der Weltgesundheitsorganisation. In Westeuropa ist die Pille danach bis auf Italien, Deutschland und Irland rezeptfrei.

Fachleute verweisen auf die vielen Erfahrungen in anderen Ländern: Die Daten einer britischen Studie aus dem Jahr 2005 lieferten folgende Hinweise: Die Rezeptbefreiung führt nicht dazu, dass der Gebrauch der Pille danach ansteigt, dass es zu mehr ungeschütztem Geschlechtsverkehr kommt und dass die Verwendung von regulären Verhütungsmittel abnimmt. Es führt allerdings nicht dazu, dass die Zahl ungewollter Schwangerschaften sinkt. Auch auf die Abtreibungsrate hat die Rezeptbefreiung nach Studien wenig bis gar keinen Einfluss. Der Gynäkologe Christian Fiala, vehementer Befürworter der Rezeptbefreiung, erklärt dies damit, dass Menschen naturgemäß das Risiko oft geringer einschätzten, als es ist. Zur Senkung der Abbruchsraten reiche eine Präventionsmaßnahme nicht aus, so wirksam diese auf individueller Ebene auch sei: jetzt müsse das Bewusstsein geschaffen werden.

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