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Kinder mit Sprachproblemen sollen künftig früher gefördert werden. Doch wer soll wie beurteilen, ob ein Kind gut genug spricht?

Dobro dosli", "Välkommen" oder "Chosch Amaded" - die bunten Begrüßungskarten an der Eingangspforte lassen keinen Zweifel: Hinter dieser Tür herrscht die Vielfalt der Sprachen. Kinder mit 15 verschiedenen Muttersprachen tummeln sich im Kindergarten Lustgasse im dritten Wiener Gemeindebezirk: Kroatische, türkische oder arabische Laute sind ebenso zu vernehmen wie Wörter in Ungarisch oder Hindi.

Sonja Leidolf ist gerade damit beschäftigt, drei Sprachen auf einen Nenner zu bringen. In der Kindergruppe eins sitzt sie am Boden, um gemeinsam mit den serbisch-sprechenden Mädchen Andjela und Stefani sowie der türkischsprachigen Irem in einem multilingualen Bilderbuch zu schmökern. Auch die "Sprachkompetenzbox", die Anfang des Schuljahres von der Stadt Wien an alle 361 städtischen Kindergärten verschickt wurde, ist in Verwendung. Zusätzlich dienen zwei mehrsprachige Assistentinnen als Ansprechpartnerinnen für die Kinder. "Am Anfang haben Irem und Andjela gar kein Deutsch gekonnt", erzählt Leidolf. "Mittlerweile haben sie aber schon große Fortschritte gemacht."

Schnuppern und sprechen

Dass Kindergartenpädagoginnen ihre Ohren näher an den Kindern haben als Experten von außen hat man auch im Unterrichtsministerium realisiert: Statt wie bisher die sprachlichen Fähigkeiten eines Kindes erst im Rahmen der vorgezogenen Schuleinschreibung zu überprüfen, soll dies künftig schon im Kindergarten geschehen. Das Projektzentrum für vergleichende Bildungsforschung an der Universität Salzburg wurde beauftragt, ein entsprechendes "Sprachstandsfeststellungsverfahren" zu entwickeln.

Jene 90 Prozent der Kleinen, die bereits einen Kindergarten besuchen, könnten im Rahmen des täglichen Betriebs getestet werden, erklärt Projektleiterin Simone Breit. Alle anderen Kinder würden zu einem Schnuppertag eingeladen, bei dem spielerisch ihre Sprachkompetenz beobachtet werden soll. Kinder, deren Sprachentwicklung nicht altersadäquat ist, sollten vor Schulstart ein verpflichtendes Kindergartenjahr mit gezielter Förderung durchlaufen. Gehen sie dem nicht nach, drohen freilich - laut Beschluss der beiden Koalitionsparteien - keine Sanktionen.

Zum Glück, meint der Wiener Sprachwissenschafter Hans-Jürgen Krumm: Schließlich wäre der Besuch des verpflichtenden Kindergartenjahres nicht gratis. Gerade Migrantenfamilien könnten sich aber oft die hohen Kindergartenkosten nicht leisten. Noch heftiger kritisiert Krumm den Plan, den Sprachstand der Kinder im Rahmen eines halben "Schnuppertages" feststellen zu wollen. Dies sei in dieser kurzen Zeit nicht möglich (siehe Interview).

Weniger Kritik an den Plänen des Unterrichtsministeriums als am Status quo in der Bundeshauptstadt übt indes die Bildungssprecherin der ÖVP-Wien, Katharina Cortolezis-Schlager. "Bis heute wird die Sprachförderung an den Wiener Kindergärten so unprofessionell gemacht, dass es mich erschüttert", meint sie. Weder seien die Kindergärtnerinnen im Fach "Deutsch als Fremdsprache" ausgebildet, noch sei der Wiener Kindergarten-Bildungsplan (der erste landesweit gültige Österreichs) in seiner "Blumigkeit" evaluierbar. "Ich würde mir für Kinder mit Förderbedarf eher eine halbe Stunde gezielten Sprachunterricht täglich in Kleingruppen wünschen", betont Cortolezis-Schlager. Jene Mittel, die im Zuge des Finanzausgleichs für Sprachförderung zur Verfügung gestellt werden sollen (dreimal zehn Millionen Euro jährlich von Bund, Ländern und Gemeinden ab 2008) könnten dafür herangezogen werden.

Schatz-statt Fehlersuche

Bei Hans-Jürgen Krumm stößt dieser Vorschlag auf wenig Gegenliebe: "Bei Kindergartenkindern sagen wir, dass es nicht um Fehlersuche, sondern um, Schatzsuche' geht. Sprachförderung gehört integriert - und nicht ausgelagert in eine halbe Stunde Unterricht."

Auch im Kindergarten Lustgasse ist man skeptisch: "Vokabelbüffeln hat hier nichts verloren", erklärt Marina Wollmersdorfer, Kindergartenpädagogin mit Schwerpunkt Interkulturelles Lernen sowie Mitautorin beim Wiener Kindergarten-Bildungsplan. Die Kindergärtnerinnen würden von muttersprachlichen Betreuerinnen sowie Psychologinnen und Sprachheilpädagoginnen umfassend unterstützt. "Das wichtigste ist aber, dem Kind zu signalisieren, dass es - wie auch seine Muttersprache - willkommen ist", meint Wollmersdorfer. "Wenn man nur sagt:, Dieses Kind kann nicht Deutsch', dann reduziert man es auf ein Defizit."

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