Knirpse im Betrieb betreuen

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Betriebskindergärten sind selten in Österreich, wenn auch genaue Zahlen nicht existieren. Kein Wunder, denn so eine Einrichtung ist teuer und setzt viel guten Unternehmer-Willen voraus.

Wochenenden findet Max meistens fad. Schließlich ist es im Kindergarten viel schöner als zuhause - mehr Kinder, mehr Spielzeug, mehr Action. Dementsprechend kurz ist am Montag um acht Uhr früh der Abschied: Jacke aus, Hausschuhe an, noch ein kleiner Kuss für den Vater, schon saust der Fünfjährige in den Gruppenraum.

Michael Höllerer ist von dem Kindergarten genauso begeistert wie Sohn Max. Schließlich hat er mit der Einrichtung eine große Gemeinsamkeit: die Zugehörigkeit zur Wiener Städtischen. Diese war für den Subdirektor der Versicherung ausschlaggebend, seinen Filius diesem Kindergarten anzuvertrauen, den die Wiener Kinderfreunde im Auftrag und auf Rechnung des Unternehmens betreiben. Er steht jedoch auch für Kinder aus der Umgebung offen, etwa 30 der 90 Ein- bis Elfjährigen sind keine Mitarbeiter-Sprösslinge.

Drei Jahrzehnte mit Kindern

Seit genau 30 Jahren gibt es die Einrichtung nun, sie war die erste ihrer Art in Wien, vermutlich sogar die erste in Österreich. Auch die Tochter des Betriebsratsvorsitzenden Franz Urban besucht den Kindergarten. Dass das Unternehmen soziale Kompetenz zeige, erhöhe Mitarbeiterbindung und Motivation, ist er sich sicher. "Und damit lohnen sich die hohen Kosten für das Unternehmen." Für die Eltern beruhigend: Der Weg zwischen Kindergarten und Arbeitsplatz nimmt nur wenige Minuten in Anspruch, wenn nötig, können sie auch während der Arbeit kurz nach dem Sproß schauen.

Die Kehrseite der Medaille steht im Familienbericht des Sozialministeriums: Einerseits würden Bekanntschaften mit Gleichaltrigen in der Wohnumgebung nicht gefördert, wie es sonst in Kindergärten meist der Fall ist. Und ein Jobwechsel der Eltern mache oft auch einen Wechsel des Kindergartens nötig.

Der Kindergarten der Wiener Städtischen ist heuer übersiedelt. 450.000 Euro teuer war die Adaption der Räume. Der laufende Betrieb kostet jährlich 21.000 Euro. Wie in den meisten vergleichbaren Einrichtungen sind die Elternbeiträge sozial gestaffelt und machen im Höchstfall etwa soviel aus wie in einem Kindergarten der Stadt Wien, also rund 250 Euro für die Ganztagsbetreuung eines Kindes.

Die Wiener Kinderfreunde als größter Anbieter unterhalten 23 der 35 Betriebskindergärten in Wien, österreichweit dürfte es nicht viel mehr sein. Der Geschäftsführer der Wiener Kinderfreunde, Christian Morawek, schätzt, dass es in allen anderen Bundesländern zusammen weniger gibt als in Wien. Was plausibel klingt: Zum Beispiel weiß die Arbeiterkammer von gerade einmal zwei vergleichbaren Einrichtungen im Burgenland, in Kärnten sind es fünf.

Um notwendige Genehmigungen, mögliche Förderungen, Beratung, Planung, Möblierung und Personal der Einrichtung kümmern sich in der Regel die privaten Betreiber, darunter neben den Kinderfreunden auch "Kinder in Wien" oder die "Kids company" und ähnliche Vereinigungen. Die Firma zahlt die Errichtung und die laufenden Kosten. "Wenn man die Elternbeiträge und die Förderungen abzieht, muss die Firma bei etwa 75 Kindern 200 Euro pro Kind und Monat investieren, wenn es mehr Kinder sind, wird es günstiger", erklärt Morawek. Verlängerte Öffnungszeiten, mehr Betreuungspersonal als gesetzlich vorgeschrieben oder besondere Zusatzangebote wie Englischunterricht durch Native Speaker verteuern die Einrichtung entsprechend.

Schwarz-blaue Streichung

Anlässlich der Präsentation einer Studie zur Kinderbetreuung in Österreich (siehe Kasten) forderte Frauenministerin Maria Rauch-Kallat (ÖVP) jüngst, betriebliche Kinderbetreuung zu forcieren. Für die Sprecherin der Wiener Kinderfreunde, Michaela Müller-Wenzel, ein erstaunlicher Wunsch: "Schwarz-Blau war erst wenige Monate im Amt, schon wurde im Jahr 2000 die sogenannte Kindergartenmilliarde gestrichen", empört sie sich. "Mit diesem Geld von Bund und Ländern wurden ja unter anderem betriebliche Einrichtungen besonders gefördert." Und eine Neuauflage der Kindergartenmilliarde, die tatsächlich 1,2 Milliarden Schilling (87 Millionen Euro) ausmachte, ist nicht geplant. Für den laufenden Betrieb gibt es zwar bundesländerspezifische Förderungen. Aber eben nicht mehr für die Errichtung eines Betriebskindergartens. Und die kann teuer werden.

Investitionen, die sich lohnen

"Pro Gruppe von rund 25 Kindern braucht man 200 Quadratmeter Platz. Dazu kommen noch Bewegungsräume von mindestens 60 Quadratmetern." Oft gibt es diesen Platz einfach nicht oder vorhandene Räumlichkeiten müssten für viel Geld umgebaut werden. "Sieben von zehn Versuchen, einen Betriebskindergarten zu gründen, scheitern an den hohen Kosten, aber auch daran, dass der Bedarf der Mitarbeiter nicht groß genug ist", bedauert Morawek. Ein Kindergarten sei frühestens ab drei Gruppen sinnvoll. In der Regel würden daher nur Firmen ab 500 Mitarbeitern solche Einrichtungen gründen. "Dabei könnten sich ja auch mehrere Firmen, etwa in einer Einkaufsstraße, zusammenschließen. Das passiert nur leider nie."

Dem fünfjährigen Max ist das alles egal. Er hat seinen Kindergartenplatz. Und das nächste Wochenende ist zum Glück noch weit.

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