Konkrete Wünsche an die Kirchenleitung

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Die von der Katholischen Aktion initiierte Online-Umfrage "Wo drückt der Schuh“ bekräftigte den kirchlichen Reformbedarf beim Thema Ehe und Familie - und zeigte darüber hinaus, wie hoch das gesellschaftspolitische Potenzial der Kirche nach wie vor eingeschätzt wird.

E s ist nun genau ein Jahr her, dass Österreichs Bischöfe auf Initiative der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ) den Gesprächs- und Reflexionsprozess "Zukunftsforum der katholischen Kirche“ nähergetreten sind. Anfang 2013 konnte noch niemand ahnen, dass das Pontifikat Benedikts XVI. so schnell zu Ende sein und mit Franziskus auch ein römischer Pontifex völlig neuen Stils ins Amt kommen würde.

Die von der KAÖ lancierte Idee fußte auf der Erkenntnis, dass die Relevanz der katholischen Christen und da insbesondere der Laien in der Gesellschaft gestärkt und sichtbar gemacht werden sollte. Auf vier Themenbereiche für das auf mehrere Jahre angelegte "Zukunftsforum“ einigten sich Bischöfe und KAÖ: 1. Beziehung, Ehe, Familie, 2. Bildung und Arbeitswelt, 3. Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft, 4. Ökologie, Zusammenleben weltweit.

Nach der von KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer und Kardinal Christoph Schönborn geleiteten Auftaktveranstaltung am 5. Oktober auf dem Wiener Yppenplatz waren Interessierte bei der vom Pastoraltheologen Paul M. Zulehner entwickelten Online-Umfrage aufgefordert, kundzutun, wo bei den oben genannten Themen "der Schuh drückt“.

Zu diesem von der KAÖ betreuten Online-Frageprozess kam dann aus Rom unerwartete "Schützenhilfe“: Als Papst Franziskus die Bischöfe der Welt aufforderte, für die von ihm für den Herbst 2014 einberufene Bischofssynode zum Thema Ehe und Familien, den dafür üblichen Fragebogen auch an die Menschen an der Basis weiterzugeben, führte dies zu einer zusätzlichen Motivation, sich am Reflexionsprozess der KAÖ zu beteiligen. Der vatikanische Fragebogen zu Ehe, Familie und Sexualität wurde für das Online-Forum adaptiert - und bis Jahresende 2013 konnte man sich an der Online-Umfrage beteilgen.

Ergebnisse der Online-Umfrage

Mittlerweile liegen Ergebnisse und Auswertung der Online-Umfrage vor und wurden von KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer bereits den Bischöfen überreicht. Für Schaffelhofer stellen die Ergebnisse der Studie auch einen markanten inhaltlichen Input für die Bischöfe dar, die ab 27. Jänner nach Rom zu ihrem Ad-Limina-Besuch reisen werden, wo sie dem Papst und der Kurie über die (kirchliche) Lage in Österreich berichten werden.

Insgesamt haben sich 7435 Personen an der Umfrage beteiligt, was 4609 auswertbare Beantwortungen zur Folge hatte. Für Paul Zulehner ist dabei die Verteilung der Umfrage "überraschend gut“ ausgefallen: Es hätten sich gleich viele Männer wie Frauen beteiligt, die Streuung über die Altersgruppen sei "‚normal‘ und damit anders als in den Gottesdienstgemeinden“ gewesen, es hätten sich Sonntags- und Nichtkirchengeher sowie vier Prozent Ausgetretene oder Nicht-Kirchenmitglieder beteiligt (vgl. dazu auch den nebenstehenden Kommentar).

Als ein unmittelbares Ergebnis ergibt sich aus der Umfrage ein starker Wunsch nach Änderung der kirchlichen Regeln im Umgang mit geschiedenen Wiederverheirateten. 89 Prozent der Teilnehmer stimmten der Ansicht zu, dass die Kirche "ihrem Auftrag zu heilen und zu versöhnen nicht gerecht wird, wenn sie keine Wege findet, geschiedene Wiederverheiratete wieder voll in die Gemeinschaft zu integrieren“ und zu den Sakramenten zuzulassen. Nur sechs Prozent sehen darin eine Gefährdung bestehender Ehe. 87 Prozent plädierendes weiteren für eine zweite kirchliche Heirat nach dem Beispiel anderer Kirchen.

Für KAÖ-Präsidentin Gerda Schaffelhofer ist es erfreulich, dass sich so viele Personen an der Online-Umfrage beteiligt haben. Sie hofft aber auch, dass sich die kirchlichen Verantwortlichen, aus der Umfrage nicht nur jene Ergebnisse herauspicken, die "genehm“ seien und nicht wehtun. Schaffelhofer: "Ein selektives Umgehen mit den Ergebnissen der Befragung wäre der Glaubwürdigkeit der Kirche nicht dienlich.“

Viele Ergebnisse der Umfrage scheinen wenig überraschend - und sind dennoch klar: So halten es 75 Prozent der Befragten für richtig, wenn Paare vor der Heirat zusammenleben. Kirchliche Ehe-vorbereitung wird nur von 29 Prozent als hilfreich angesehen, und in Fragen der Empfängnisregelung halten nur 7 Prozent das kirchliche Nein zu künstlichen Verhütungsmitteln für gerechtfertigt.

Schaffelhofer appelliert an die Bischöfe, die gesellschaftlichen Realitäten, die sich eben auch in der Online-Umfrage des Zukunftsforums widerspiegeln, "ernst- und wahrzunehmen“. Wenn man die Menschen frage, dann müsse man mit den Ergebnissen transparent umgehen: "Die Kirche darf die Erwartungshaltung, die sie nun geweckt hat, nicht enttäuschen!“, bekräftigt Schaffelhofer. Es werde nicht reichen, wenn die Kirchenleitung auf die auch in der Umfrage aufs Neue deutlich gewordenen Wünschen der Menschen nur "pro forma“ eingehe.

Das gelte auch für die anderen Themenbereiche des Zukunftsforums. Die KAÖ-Präsidentin macht auch darauf aufmerksam, dass aus den diesbezüglichen Antworten hervorgeht, wie positiv das gesellschaftspolitische Potenzial der Kirche nach wie vor eingeschätzt wird. So sprechen sich die Befragten eindeutig für ein politisches Engagement der Kirchen aus - vor allem der Einsatz gegen Armut und für Frieden in der Welt, gegen Ausländerfeindlichkeit und für die Erhaltung der Umwelt würden angeführt. Die Gesamtauswertung der Umfrage ist auf der Webseite des Zukunftsforums, www. wodruecktderschuh, nachzulesen.

Auch in Diözesen hoher Rücklauf

Zusätzlich zur Online-Umfrage der KAÖ haben auch die einzelnen Diözesen den vatikanischen Fragenkatalog ausgesandt und alle Gläubigen eingeladen, ihre Antworten via E-Mail und Internet einzusenden. Auch hierbei war - trotz der kurzen Zeit - nach kirchlichen Angaben der Rücklauf der diözesan erarbeiteten Kurzversionen sehr hoch: Von mehr als 30.000 Rückmeldungen berichtete Kathpress. Die Gesamtergebnisse sollen noch im Jänner vorgelegt - und dann eben auch beim Ad-Limina-Besuch der Bischöfe in Rom übergeben werden.

Auch die Reformgruppen "Wir sind Kirche“ und "Laieninitiative“ fordern von Österreichs Bischöfe, die Ergebnisse der vatikanischen Umfrage zu Ehe und Familie zu veröffentlichen. Die beiden Organisationen hatten ihre eigene Version des Fragebogens ins Internet gestellt. Mehr als 4000 meist kirchenkritische Antworten kamen zurück, berichtete die Vorsitzende der Laieninitiative, Margit Hauft, auf einer Pressekonferenz in Wien. Zusätzlich seien fast 7000 Kommentare abgegeben worden. Für Hauft ist das ein Beweis, dass die Kirchenbürger mehr Selbstbestimmung einfordern würden: "Sie sehen es nicht mehr ein, dass Zölibatäre über ureigenste Bereiche wie Sex und Familie entscheiden sollen.“ Der Umgang mit den Ergebnissen sei die Nagelprobe für das Amtsverständnis der Bischöfe.

Dass die Ergebnisse der Online-Umfrage der KAÖ und der Reformgruppen in vielen Punkten zu ähnlichen Ergebnissen führen, dürfte Kenner der Kirchenlage kaum überraschen.

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