Kopfgeburt mit Gründungsfluch

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Abgrenzung zur FPÖ und Heide Schmidt als Person - zuwenig Programm für eine Partei!

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Abgrenzung zur FPÖ und Heide Schmidt als Person - zuwenig Programm für eine Partei!

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Über dem Liberalen Forum schwebt der Gründungsfluch: Es ist dem Schoß der FPÖ entschlüpft. Jene, die sich mit Heide Schmidt damals von Jörg Haider verabschiedeten, leben seitdem von zwei Programmpunkten: Von der Abgrenzung zur FPÖ. Das LiF gibt es nur, weil es Jörg Haider gibt. Und von Heide Schmidt als Person.

Das ist zuwenig für eine politische Bewegung von nachhaltiger Dauer und der Grund, warum sich nach der Anfangshoffnung die Wähler des LiF verabschieden. Das Programm ist erschöpft: Heide Schmidt ist immer noch allein und daß mit Haider nicht gut Kirschen essen ist, weiß inzwischen nicht nur die Versammlung der Ex-FPÖler rund um Schmidt.

Die sorgenvolle Ansage, daß alle, die liberale Haltungen im Parlament vertreten haben wollen, das LiF wählen müssen, ist falsch. Das LiF hat Liberalität nicht für sich allein gepachtet, und der Parlamentarismus in Österreich geht bestimmt nicht unter, wenn Heide Schmidt nicht im Nationalrat sitzt.

Liberal als rein verbales Bekenntnis ersetzt weder praktische Politik noch politisches Programm. Anders gesagt: Die praktische Politik des LiF und das, was als Programm erkennbar ist, sind wenig liberal. Arbeitsloses Grundeinkommen und Einheitssteuersätze von vierzig Prozent sind kein wirtschaftsliberales Programm, das auf der Anerkennung individueller Leistung aufbaut.

Liberalität konzentriert sich in Anerkennung der Differenz. In der Anerkennung, daß die Gesellschaft vielschichtig ist, und daß gesellschaftliche und politische Konsequenzen aus dieser differenzierten Vielfalt zu ziehen sind: Jede und jeder haben substantielle Rechte gegenüber der Mehrheit, oder das, was sich für die Mehrheit hält. Daraus resultiert die für unser politisches System unverzichtbare Begründung der Menschenrechte.

Im Grundsatzprogramm der Volkspartei liest sich das so: "Die Wahlfreiheit in der Gestaltung der Lebensmöglichkeiten ist für uns die Voraussetzung einer offenen Gesellschaft. Sie ist Ausdruck der Vielfalt der Meinungen, der kulturellen Lebensäußerungen, der Bedürfnisse und Interessen der Bürger und damit Grundlage für Toleranz und Veränderung."

Man wird ähnliche Formulierungen bei allen Parteien finden, die auf dem Boden des liberalen Rechtsstaats stehen und sich zur offenen Gesellschaft bekennen. Dazu brauchen wir in Österreich also kein LiF.

Was bleibt an Funktion für das LiF übrig? Anerkennung der Differenz bedeutet an der Wende zum 21. Jahrhundert sicher nicht Kirchenkampf. Das ist altmodisch und nicht modern. Weil die Kirche dem liberalen Rechtsstaat nicht im Weg steht. Was soll daher das Gezeter des LiF um die Abschaffung des Konkordats? Ist das die Anerkennung, daß andere - in dem Fall die Kirche - ein Recht auf eine geschützte Existenz haben?

Was soll der merkwürdige Kampf des LiF gegen den Religionsunterricht? Dort wird nicht Teufelsaustreibung gelehrt und Fundamentalismus gepredigt! Werte und Orientierung vermitteln ist wichtig. Daher sollte für intelligente Menschen der Religionsunterricht unbestritten sein. Genauso wie politische Bildung für die Übernahme von Verantwortung als mündiger Bürger wichtig ist. Niemand, dem Liberalität wichtig ist, kann die Vermittlung von Grundwerten aus den Schulen verbannen und durch Beliebigkeit ersetzen.

Was bleibt sonst vom LiF? Die Abschaffung der Selbstverwaltung in den Kammern und Sozialversicherungen? Da liegt ein demokratiepolitisches Mißverständnis vor. Die Tatsache, daß die wichtigsten Versicherungen, die Kranken- und Pensionsversicherungen, nicht dem launenhaften Spielball einer Regierung ausgesetzt, sondern von der Selbstverwaltung getragen sind, ist ein demokratischer Wert an sich, der nicht freiwillig aufgegeben werden darf.

Schmales Programm und nicht besonders kreative Diskussionsbeiträge. So läßt sich die politische Bedeutung des LiF zusammenfassen. Daher: Die Demokratie in Österreich wird sich auch ohne Liberales Forum weiterentwickeln.

Die Autorin ist Generalsekretärin der ÖVP.

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