Korrupte Mediziner, korrumpierende Pharmaindustrie?

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Hätte Hans Weiss doch nicht nur eins, sondern gleich drei Bücher über die "Korrupte Medizin" geschrieben!

Im ersten Buch hätte er aufdecken können, welche Professoren mit welchen Firmen zusammenarbeiten, dass ein von der Industrie gesponserter Workshop für den Arzt schöner ist als Ferien und wie trostlos der Job eines Pharmareferenten ist, der den ganzen Tag nichts anderes tut, als Doktoren mit Gratis-Musterpackungen zu ködern. Die Professoren hätten dann protestieren können, dass ihre Verbindungen mit der Industrie in Papers eh offengelegt werden (die Conflict-of-Interest-Klausel) und dass Forschung ohne Industrie heute kaum möglich ist. Die Firmen hätten betonen können, dass sie sich so arbeitsarme Workshops nicht leisten können und Pharmig Generalsekretär Jan Oliver Huber hätte schließlich sagen können, was er schon in einer Presseaussendung erklärt hat: "Die scheinbare Unzufriedenheit eines vielleicht fiktiven Pharmareferenten, den der Autor gerade einmal einen Tag begleitet hat, disqualifiziert sich von selbst." Damit hätte sich schon die Diskussion um Buch eins erledigt.

In Buch zwei wären die dunkelsten Seiten mancher korrupter Ärzte und mancher betrügerischer Firmen beleuchtet worden: Weiss hätte über den Fall Zyprexa geschrieben, wie Eli Lilly immer weitere Indikationen (er-)fand, obwohl die Firma genau wusste, dass ihre "Wunder-Pille" gravierende Nebenwirkungen haben kann. Dann hätte er gezeigt, wie sich einige renommierte Ärzte für dubiose klinische Studien gewinnen lassen, während andere diese Menschen-Versuche ablehnten, weil sie sie höchst unethisch fanden. Ärztekammer-Präsident Walter Dorner hätte dann seine "Warnung vor Pauschalverurteilung" aussprechen können; der Buch-Autor hätte nochmals betonen können, dass das Problem leider sehr real ist und die Beispiele nicht aus der Luft gegriffen sind.

Viel Zündstoff, wenig Diskussion

Buch drei hätte geheißen: "Umsatz, Umsatz über alles". Darin hätte Weiss erzählt, wie Firmen versuchen, zweitklassige Produkte erstklassig zu verkaufen, wie sie Psychogramme von Ärzten erstellen - von solchen, die Fakten wollen, und solchen, die gerne ausprobieren etc.; wie sie Ärzte segmentieren - in Meinungsmacher und weniger wichtige. Die daraus entstandene Debatte hätte geklärt, inwiefern diese Marketing-Maschinerie zugelassen werden soll oder ob nicht objektivere Informationen wünschenswert wären.

Diese Debatte gibt es nun wahrscheinlich leider nicht. Denn der Autor hat all diese Geschichten nicht in drei, sondern nur in einem Buch verpackt. Seine Kritiker haben das herausgepickt, was am leichtesten zu kritisieren ist. Und sehr viel Zündstoff übersehen. (TM)

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