Allein gelassen - Teilt man die Gesellschaft in drei soziale Schichten, finden sich bei Kindern in der unteren Schicht mehr Kopfschmerzen, Nervosität, Schlafstörungen und Einsamkeit.  - © iStock/imgorthand

Andrea Holz-Dahrenstaedt: "Kuhhandel treiben mit Kinderrechten“

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Wo minderjährige Flüchtlinge diskriminiert werden und wie sich die Situation verbessern ließe, erklärt Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt im Gespräch mit der FURCHE.

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Wo minderjährige Flüchtlinge diskriminiert werden und wie sich die Situation verbessern ließe, erklärt Salzburgs Kinder- und Jugendanwältin Andrea Holz-Dahrenstaedt im Gespräch mit der FURCHE.

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Weil Kinder- und Jugendhilfe weitgehend Ländersache ist, hat jedes Bundesland eine eigene Kinder- und Jugendanwältin. In Salzburg lobbyiert Andrea Holz-Dahrenstaedt für Kinderrechte und bewertet den neuen Gesetzesentwurf.

Die Furche: Der aktuelle Gesetzesentwurf in Salzburg schließt Flüchtlingskinder dezitiert von der Kinder- und Jugendhilfe aus. Ist das in Ihren Augen argumentierbar?

Holz-Dahrenstaedt: Der Gesetzesentwurf verstößt unserer Meinung nach eindeutig gegen zahlreiche Bestimmungen, von der UN-Kinderrechtskonvention bis zur Europäischen Menschenrechtskonvention, und auch gegen das Bundesverfassungsgesetz über die Rechte des Kindes. Alle schreiben sinngemäß fest, dass alle Rechte für alle Kinder gelten müssen. Ob man es kinderrechtlich, humanistisch oder rechtsethisch betrachtet: Für die Ausschlussklausel gibt es keinen sachlich gerechtfertigten Grund.

Die Furche: Argumentiert wird, dass die gesamte Gesetzesnovelle von den Städten und Gemeinden abgelehnt worden wäre, hätte es diesen Passus nicht gegeben. Lassen Sie das gelten?

Holz-Dahrenstaedt: Das ist nicht akzeptabel. Mit Kinderrechten kann man keinen Kuhhandel betreiben. In keinem anderen Bundesland gibt es eine ähnliche Klausel. Die Ursache für den Konflikt ist, dass Flüchtlingsbetreuung Bundessache ist, Kinder- und Jugendhilfe aber Landesgesetz. Für Kinderflüchtlinge will niemand zuständig sein. Deshalb ist die Diskriminierung von Flüchtlingskindern längst Realität: Sie sind in anderen Einrichtungen mit viel geringeren Betreuungsstandards untergebracht. Und wenn sie eine Ausbildung machen, gibt es kein Geld für Fahrtkosten oder Kleidung.Ob Bund oder Land so etwas bezahlen, ist für die Betroffenen egal. Wichtig ist, dass gezahlt wird. Es gibt viele engagierte Projekte, aber ob ein Jugendlicher daran teilnehmen darf, hängt oft vom Zufall ab. An standardisierten, flächendeckenden Angeboten fehlt es. Dabei muss der Fokus darauf liegen, benachteiligte und ausgrenzungsgefährdete Kinder teilhaben zu lassen.

Die Furche: Sie setzen sich dafür ein, dass auch Flüchtlingskinder in Pflegefamilien untergebracht werden können. Warum?

Holz-Dahrenstaedt: In anderen europäischen Ländern ist es längst üblich, dass Flüchtlingskinder genau wie alle anderen Kinder, die nicht in ihrer Herkunftsfamilie wohnen können, in sozialpädagogischen Wohngemeinschaften oder Pflegefamilien unterkommen …

Die Furche: … auch in der Steiermark gab es bereits Flüchtlingskinder in Pflegefamilien. Warum ist das in Salzburg so schwierig?

Holz-Dahrenstaedt: Weil die Zweigleisigkeit der Systeme es nicht vorsieht. Und das ist gar nicht verständlich. Ich glaube, dass sich genug Menschen - vielleicht auch welche aus dem gleichen Kulturkreis, die schon länger hier sind - dazu bereiterklären würden, ein Flüchtlingskind als Pflegekind aufzunehmen. Wir sind sehr dahinter, dass das österreichweit möglich wird.

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