Kunden finden statt Job suchen

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Nicht als Patentrezept wie in Deutschland, sondern als Chance bei entsprechender Eignung wird hierzulande die Unternehmensgründung aus der Arbeitslosigkeit heraus gesehen. Ein Lokalaugenschein bei einer österreichischen Ich-AG.

Heute wirkt der Seminarraum verwaist, aber schon morgen nachmittag werden wieder ungeduldige Kinderhände die Computer einschalten, über die Tastatur sausen und mit ein paar Mausklicks den Weg ins Internet finden. Sie werden mit Grafikprogrammen Blumen zeichnen und eine eigene Homepage ins weltweite Netz stellen. Und vielleicht werden sie einen Computer auseinanderschrauben und wieder zusammenbauen, um sein Innenleben ein bisschen besser kennenzulernen.

Johann Pfneiszl hat die erste große Hürde geschafft: Er hat im vergangenen Sommer, nach sieben Monaten ohne Arbeit, aber mit einer Idee im Kopf, in Wien die "KICO Kindercomputerschule" für Mädchen und Buben zwischen sechs und 14 Jahren gegründet und bereits die ersten jungen Kunden in die Welt der Bits und Bytes eingeführt. In den Ferien gab es zusätzlich zu den Computerkursen auch noch Ausflüge in die Hofburg, in den Tiergarten oder in die Donau-Auen.

Der gebürtige Burgenländer ist einer von österreichweit rund 3.500 ehemaligen Arbeitslosen, die im Vorjahr mit Unterstützung des Arbeitsmarktservices (AMS) den Sprung in die Selbstständigkeit geschafft haben. Mit dem deutschen Modell der Ich-AG hat das Unternehmensgründungsprogramm des AMS aber nicht viel gemeinsam: Während in Deutschland nur finanzielle Beihilfe gewährt wird, ohne auch nur die Erfolgsaussichten der Firmenidee zu prüfen, reicht die Hilfe hierzulande bedeutend weiter. Wer an dem Programm teilnehmen will, braucht ein Konzept, das er dem AMS-Berater erläutert. Gibt der sein Einverständnis, folgt eine sechswöchige Klärungsphase mit einem Unternehmensberater, in dem das Konzept auf Realisierbarkeit und Rentabilität, und der Bewerber auf persönliche und fachliche Eignung hin abgeklopft werden. "Voraussetzung ist, dass die Gründung innerhalb der nächsten sechs Monate realistisch ist", erklärt der Gründungsberater und Projektleiter des Programmes in Wien, Oliver Göstl. Gibt auch der Berater sein Okay, erhält der künftige Unternehmer für sechs Monate eine Gründungsbeihilfe in Höhe des Arbeitslosengeldes, um das tägliche Leben finanzieren zu können. Zusätzlich werden Schulungen, Workshops sowie Beratungsgespräche finanziert.

"Marketing, Buchhaltung und Rechtsfragen sind die wichtigsten Themen", erzählt Göstl. Vor allem das Marketing stelle sich dann auch meist als größte Schwierigkeit in der Anfangsphase des Betriebes dar. Mit oft minimalem Budget Kunden zu aquirieren sei eben schwierig.

Marketing-Probleme

Auch für Neo-EDV-Trainer Pfneiszl, der das kleine Unternehmen gemeinsam mit seiner Frau führt, ist die Vermarktung seiner Idee derzeit das größte Problem: An zahlreichen Schulen hat er Prospekte verteilt und 37.000 Personen direkt angeschrieben. Der Erfolg war bescheiden. Als wertvolle Werbeträger haben sich jedoch seine beiden Kinder entpuppt, die in ihren Schulen vor allem für die Ferienworkshops Interessenten gefunden haben. Durch die wiederum haben andere Kinder von dem Programm erfahren. Inzwischen sind sogar einige Eltern so begeistert von den Kursen, dass auch sie sich angemeldet haben - Pfneiszl hat kurzerhand das Kundensegment entsprechend ausgeweitet. Rentabel ist der Betrieb noch nicht. "Aber ich hoffe, dass er das heuer wird", erklärt er.

Nach seiner Fachhochschulausbildung war der Elektrotechniker 18 Jahre lang in einem Industrieunternehmen tätig, erst als Techniker, später als Marketing- und Verkaufsleiter. Ende 2002 sei er aus der Firma ausgeschieden, "weil ich dort keine Perspektiven mehr gesehen habe." Pfneiszl entspricht dem Durchschnitt der arbeitslosen Firmengründer: 40 Jahre alt, hohes Ausbildungsniveau, gute Position vor der - meist relativ kurzen - Arbeitslosigkeit. 86 Prozent gründen, wie er, ein Einzelunternehmen. Vor allem Handel sowie Wirtschafts- und private Dienstleistungen sind beliebte Branchen.

Der Amtsschimmel wiehert

Alles in allem ist Pfneiszl mit dem Ablauf der Gründung zufrieden. Nur die bürokratischen Hürden sind ihm auf die Nerven gegangen. Dass er zum Beispiel nicht nur mit Göstl, sondern auf eigene Rechnung mit einem zweiten Unternehmensberater sein Konzept besprechen musste, um in den Genuss der Finanzspritze von Bund und Gemeinde Wien zu kommen, versteht er nicht. Auch, dass das AMS eine Bestätigung über die Betriebsgründung von der Gewerblichen Sozialversicherungsanstalt brauchte, die diese in der vorgeschriebenen Frist gar nicht ausstellen konnte, leuchtet ihm nicht ein. Natürlich hat das alles unnötige Rennerei und Zeitverlust bedeutet. "Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Und ich bin mir sicher, dass ich mit meiner Idee erfolgreich sein werde." Laut Statistik hat er damit wahrscheinlich Recht: 80 bis 90 Prozent der vom AMS geförderten Firmen können sich auf dem Markt behaupten.

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