Labour unten, Tories nicht oben

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Tony Blairs Stern strahlt nicht mehr so hell wie gewohnt. Bei den anstehenden Wahlen sollte der verbliebene Glanz aber für einen Sieg noch reichen.

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Tony Blairs Stern strahlt nicht mehr so hell wie gewohnt. Bei den anstehenden Wahlen sollte der verbliebene Glanz aber für einen Sieg noch reichen.

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Sicherlich wird das vergangene Jahr nicht als Glanzlicht in die Annalen der Labour Party eingehen. Grund für den Stimmungsumschwung zu Ungunsten von Labour ist ein Bündel von Faktoren, die von den nicht eingelösten, vollmundigen Versprechungen der Labour-Exponenten bis hin zum abgehobenen, ja arroganten Stil der Regierungspartei reichen. Irgendwie ist die erfolgverwöhnte Partei außer Tritt geraten. Nach einem seit dem Wahlsieg 1997 anhaltenden Hoch in der Bevölkerungsgunst, legte eine Grippe-Epidemie zu Beginn des Jahres die erschreckenden Defizit des staatlichen Gesundheitswesen offen; Premier Tony Blair hatte den Wählern versprochen, es in diesem Bereich besser zu machen als die Konservativen, doch geschehen ist nichts. Das National Health Service ist eine nach wie vor tickende Zeitbombe, bei der sich das typische Blair-Rezept "Nichtstun und Aussitzen" noch rächen könnte. Ähnlich verhält es sich bei anderen Wahlversprechen - Wahlreform, Oberhaus-Reform, eine Lösung der Verkehrsmalaise, Referendum über die Teilnahme am Euro -, an die die Regierung nur ungern erinnert wird.

Die Presse muckt auf Bei wichtigen personellen Entscheidungen bewies die Regierung nicht immer eine gute Hand; man denke nur an die Blamage rund um die Wahl des Londoner Bürgermeisters. Dazu kommt, dass es im Herbst erstmals zu einer für die Regierung bedrohlichen Situation kam, als die Treibstoffkrise das Vereinigte Königreich praktisch lahmlegte. Weiters zeigte das Handling des Notstands im Gefolge der weitläufigen Überschwemmungen die Hilflosigkeit des Staates.

Kein Wunder, dass bislang sehr Labour-freundliche Zeitungen immer öfter kritische Schlagzeilen ins Blatt rückten ("Die Flitterwochen sind vorbei" oder "Tony kann nicht mehr auf Wasser gehen" oder aber auch "No more Mr. Nice Guy" ). Dabei darf man nicht vergessen, dass es der Schwenk der Boulevardzeitung Sun von den Konservativen zu Labour war, der einiges zum Erdrutschsieg 1997 beigetragen hatte.

Dass trotz dieses Befundes die konservative Partei weit abgeschlagen hinter Labour liegt (die dritte Partei, die Liberal Democrats haben aufgrund des Mehrheitswahlrechts praktisch keine Bedeutung) hat vor allem einen handfesten Grund: die wirtschaftsfreundliche Politik des, vom staatskapitalistischen Saulus zum marktwirtschaftlichen Paulus gewandelten Schatzkanzlers Gordon Brown. Großbritannien erfreut sich eines Booms, der seit 1992 andauert. Damals waren zwar noch die Tories am Ruder, aber Brown ist schlau genug, diese Entwicklung nicht zu gefährden. So bilden die konservativen Rezepte sowie die anhaltend gute internationale Konjunktur die solide Basis für eine grundsätzliche Zufriedenheit der Briten; die Arbeitslosigkeit ist auf dem tiefsten Stand seit 20 Jahren. Die TIMES lobte Brown als den Mann, der mehr als andere Minister gelernt habe, was Wirtschaft und Unternehmen zur Entfaltung brauchen und dass es vernünftig sei, sich an der erfolgreichen US-Wirtschaftspolitik ein Beispiel zu nehmen. Diese Politik bietet Konservativen keine Angriffsfläche. Dort, wo die Regierung angreifbar ist - bei der Ineffizienz des öffentlichen Sektors - tun sich die Konservativen mit Kritik schwer, denn auch sie haben in ihrer Regierungszeit kein Geld in die "public services" gepumpt.

Populismus pur In dieser Situation weiß der redegewandte Chef der Tories, William Hague, kein anderes Rezept, als hemmungslosen Populismus. Jörg Haider nicht unähnlich zieht er gegen alles zu Felde, was ihm eine Schlagzeile einbringt. Seien es Asylanten und Einwanderer, oder die Teilnahme am Euro - Hague wettert dagegen und ist schlicht gegen alles, was aus Brüssel kommt. Der Unterstützung durch die englischen Kleinformate kann er sich dabei sicher sein. Selbstverständlich verlangt er mehr Polizei zur Verbrechensbekämpfung, die nötigen Law-and-Order-Parolen hat er immer griffbereit.

Selbst ein Bein stellen Mit diesen Themen kann er die Regierung zwar nicht ernsthaft gefährden, aber es ist klar, dass sich Blair beeinflusst durch die Stimmungsmache der Opposition um eine Entscheidung über den Euro drückt und das Thema auf die Zeit nach den nächsten Wahlen hinausschieben will. Mit Vernunftargumenten ist derzeit nicht durchzukommen, zu sehr ist die öffentliche Meinung durch primitiv-chauvinistische Meinungsmache verbildet.

Nicht die Opposition, die Regierung selbst könnte sich durch eine Vielzahl von innerparteilichen Animositäten ein Bein stellen. Kein Geheimnis ist, dass Blair die Briten am 3. Mai 2001 wählen lassen will. Schon einmal war der Mai für ihn ein Glücksmonat, als er am 2. Mai 1997 seinen Erdrutschsieg gegen John Major einfahren konnte. Mit 416 von 659 Sitzen im Unterhaus verfügt Labour über eine komfortable Mehrheit, was einigen Parteistrategen Sorgen bereitet. Sie befürchten, dass viele Stammwähler zuhause bleiben, weil ein glatter Sieg sicher scheint.

Ein offenes Geheimnis ist, dass einige Kabinettsmitglieder nicht gut aufeinander zu sprechen sind. Vor allem der selbstbewusste und arrogant wirkende Schatzkanzler Brown hat viel Missfallen in seiner Partei ausgelöst. Brown wird oft als heimlicher Premierminister bezeichnet. Seine Ambitionen für dieses Amt verbirgt er auch kaum. Womit die anstehende Wahl doch noch spannend werden könnte; nicht was den Ausgang betrifft, sondern wer danach auf der Regierungsbank sitzt.

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