Laufpässe von der Peripherie

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Angela Merkel dürfte schon recht haben. Als sie vor wenigen Tagen zum Thema Flüchtlinge befragt wurde, meinte sie, dass sich das alles zu einer noch größeren Herausforderung für Europa auswachsen dürfte als die Griechenland-Krise. Ich möchte diesen Vergleich etwas ausbauen, aber nicht in Richtung Demagogie, wo gerne von Schuldenflut und Menschenflut die Rede ist. Es geht vielmehr um die Schwäche des europäischen Vertragswerkes. Klingt nicht so spannend, hat es aber in sich. In beiden Fällen, dem Euro aber auch dem für die Flüchtlingsverteilung akkordierten Dublin-Verfahren, wurde ein schöner Plan aufgezogen, ohne dass man die politischen Instrumente dafür entworfen hätte.

In beiden Fällen hätte es harmonisierter Standards bedurft. Nach dem Buchstaben des Gesetzes sieht das Dublin-Verfahren logisch und effizient aus: Ein Asylantrag ist demnach im ersten sicheren Land zu stellen, das der Asylwerber betritt. Im europäischen Fall wären das Bulgarien, Albanien, Serbien, Griechenland, Ungarn und Italien - die Peripherie Europas. Über Jahre ging das gut - so wie ja auch der Euro jahrelang bestens lief, oder einfach gesagt: die Sonne schien, der Süden konsumierte, der Norden produzierte, der Süden steckte Asylwerber in unwürdige Auffanglager, im Norden sanken die Asylzahlen. Und niemand änderte den politischen Rahmen. Niemand kümmerte sich um die unzureichenden staatlichen Strukturen an der Peripherie, sei es auf fiskaler oder asyltechnischer Ebene. Alle Proteste und Appelle auf EU-Ebene wurden ignoriert.

Aber das Pendel schlägt zurück. Heute würde der Euro ohne Milliardenhilfen vermutlich als Ganzes nicht mehr funktionieren. Und auch das Asylübereinkommen funktioniert nicht mehr. Es wird zum Teil gebrochen (Ungarn), umgangen (Bulgarien) oder ignoriert (Serbien). Man lässt die Flüchtlinge weiterziehen. Ob man sich als Österreich oder Deutschland alleine fühlen kann? Sicher. Aber wer soll sich darüber wundern, dass die Überforderten im Süden den Ankommenden den "Laufpass" Richtung Norden geben? Sie stellen uns damit Flüchtling für Flüchtling unsere fehlende Weitsicht in Rechnung.

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