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Traditionelle Vorstellungen im Hinblick auf Familie und Kinder sind hoch im Kurs. Das ergab die aktuelle Ausgabe des "Jugendmonitors“. Das Leben mit Kindern ist dennoch extremen Belastungen und Spannungen ausgesetzt.

Der Fortschritt ist auch nicht mehr das, was er einmal war: Obama doch nur ein ganz gewöhnlicher US-Cowboy, die Kirche hört noch immer nicht auf Herbert Kohlmaier, der neue VP-Chef will die traditionellen Werte wieder stärker betonen - und jetzt noch der jüngste Jugendmonitor: Für die Mehrheit der Jugendlichen und jungen Menschen zwischen 14 und 24 ist Familie ein hoher Wert, ergab diese im Auftrag des Familienministeriums durchgeführte Studie. Und zwar die "klassische“ Familie - also jenes Modell, das dem Zeitgeist und seinen medialen Plattformen seit Jahrzehnten als zumindest hoffnungslos veraltet, wenn nicht gar als repressiv und neurotisierend, jedenfalls als Auslaufmodell gilt. Die vergilbten Vater-Mutter-Kind-Bilder aus den 50er-Jahren oder gleich aus dem 19. Jahrhundert warten nur darauf, einmal mehr aus dem Archiv geholt und auf die Titelseite irgendeines Magazins gewuchtet zu werden …

Vorgriff auf Wünschenswertes

Man kann die Ergebnisse des Jugendmonitors, die erfrischend positive und unideologisch-entspannte Haltung vieler junger Menschen auch als Zeugnis gegen einen tranigen und moralinsauren Kulturpessimismus lesen. Dieser vergewissert sich seiner selbst ja gerne durch die Behauptung, dass "früher alles besser“ war. Aber darum geht es natürlich nicht, ist es auch nie gegangen: nicht um einen Rückgriff auf Überkommenes, sondern um einen Vorgriff auf Wünschenswertes (das freilich in Traditionen wurzelt). Familie ist nicht ein Modell, das irgendwann einmal perfekt funktioniert hätte und seither dem Verfall preisgegeben wäre. Nein, sie ist - gemeinsam mit den sie tragenden Werten wie Treue, Verbindlichkeit, Verantwortung etc. - eine zivilisatorische Errungenschaft, die wie alle zivilisatorischen Errungenschaften stets gefährdet ist und um deren Erhalt und Fortschreibung immer neu gekämpft werden muss - weil Gewalt, Egoismus, das Brutale im Wortsinn (das Rohe) nicht aus dem genetischen Programm des Menschen verschwunden sind.

Die Rahmenbedingungen für ein gelingendes Familienleben sind gleichzeitig leichter und schwieriger geworden. Leichter, weil es einen nie gekannten Zuwachs an individueller Freiheit gibt, der es möglich macht, von Lebens-Entwürfen zu sprechen. Es macht eben einen enormen Unterschied, ob - um einen Punkt aus dem Jugendmonitor aufzugreifen - eine junge Frau heute beschließt, eine bestimmte Anzahl an Jahren bei den Kindern zu bleiben bzw. karrieretechnische Überlegungen hintanzustellen, oder ob ihr aufgrund fixierter gesellschaftlicher Zuschreibungen gar nichts anderes übrig bleibt.

Schwieriger, weil dieser Freiheitszuwachs wesentlich verbunden ist mit einer Flexibilisierung und Beschleunigung aller Lebensverhältnisse, die dem Einzelnen ungeheuer viel abverlangen und nicht wenige überfordern. Das aber gilt noch einmal mehr für ein Leben mit Kindern - wie ja überhaupt Kinder so etwas wie die Seismografen der Gesellschaft sind. An ihnen werden die Defizite und Krankheitssymptome einer Gesellschaft wie unter einem Brennglas überdeutlich sichtbar, sie zeigen einem wie kaum etwas anderes die Grenzen des eigenen Lebensmodells auf, entlarven die "Atemlosigkeit oder den Irrsinn kompensatorischer Wochenenden“ (© Hubert Patterer, Kleine Zeitung).

Kinder als Aufgabe

Nein, unsere Zeit ist nicht prinzipiell kinderfeindlich, jedenfalls nicht kinderfeindlicher als es frühere Zeiten waren. Noch nie wurde - in jeder Hinsicht - so viel Aufhebens von allen kinderrelevanten Fragen und Problemen gemacht, noch nie gab es so viele Möglichkeiten und Angebote, die Kindern offenstehen. Gefühltermaßen ist das Leben mit Kindern dennoch - oder gerade deswegen - ungeheuer kompliziert geworden. Kinder laufen nicht mehr nebenher mit, sie sind mehr denn je eine Aufgabe. Vielleicht spiegelt sich ja auch diese Einsicht in den für manche so reaktionär anmutenden Ergebnissen des Jugendmonitors. Man sollte die Jungen auch hierin nicht unterschätzen …

* rudolf.mitloehner@furche.at

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