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Das Gute kommt nie allein, und - Gott sei’s geklagt - der Gute auch nicht. Wird bereits das Erlösungswerk des Höchsten von einem Satan begleitet, so führen auch die niederen Chargen der Heilsvermittlung dunkle Wiedergänger mit sich. Es geht dabei durchaus um Arbeitsteilung: Selbst wenn Knecht Ruprecht dem Nikolaus einen Sack mit Wohltaten hinterher trägt, auszuteilen hat er selbst doch einzig die Rute. Und der etwas südlicher verbreitete Krampus teilt nicht nur besagte Rute, sondern auch allfällige Strafen mit ihr aus.

Was unser Brauchtum hier alle Jahre wieder aufführt, entstammt einer religionsgeschichtlich erprobten Verfahrensweise: Gegen die Ansteckung mit der Bosheit werden von der höchsten Güte Funktionäre des Bösen abgespalten. Ein Beispiel aus dem Alten Testament macht deutlich, wie das vor sich geht: Während im Zweiten Samuelbuch der Zorn Gottes den König David zu einer sündhaften Volkszählung reizt, übernimmt dieselbe Aufgabe in der Nacherzählung derselben Geschichte im Ersten Chronikbuch ein Satan (vgl. 1Sam 24,1 und 1Chr 21,1).

Gott braucht keine satanischen Prüfungen

Dieser Titel bezeichnet einen ganz besonderen Dienstmann am Hofstaat Gottes: den himmlischen Geheimpolizisten und Ankläger, der sozusagen von Amts wegen die Majestät seines Herrn vor Beleidigungen schützen soll. Zum Schaden der Menschen, wie hinzugefügt werden darf. Also böse Prüfungen in guter Absicht? Ijob, der leidende Held des gleichnamigen Buches, begehrt jedenfalls auf gegen derartige Nachstellungen. Und im Lukas-Evangelium sieht Jesus den Ankläger sogar aus dem Himmel hinausgeworfen (vgl. Lk 10,18), auf dass er keinen Platz mehr finde an der Seite Gottes, weil dessen Barmherzigkeit satanische Prüfungen nicht nötig hat.

Die Christgläubigen allerdings scheinen Jesu Aussage weniger als Hinweis auf die Liebe Gottes zu verstehen, sondern verfolgen eher die Fall-Linie des gestürzten Satan, der als diabolischer Unruhstifter auf der Erde aufschlägt. Der Teufel wird in der Folge alle möglichen irdischen Feinde Gottes und seiner Kirche bezeichnen - allen voran das römische Reich, das die Christen verfolgt, was sich die Johannesapokalypse nicht anders denn als teuflische Verschwörung zurecht legen kann.

Aber Christen spielen keineswegs immer die Opferrolle. Denn nicht nur mit, auch gegen den Teufel lässt sich gut kämpfen. Die Reihe der Gotteskrieger, die im Namen des Heils Achsen des Bösen angreifen, ist lang. Man bedenke, dass etwa auch der Tod so genannter Terroristen Menschenleben kostet! Und wen schlägt ein Krampus gleich noch blau? Die bösen Begleiter der Heilsbringer offenbaren hier ein Gewaltpotenzial, das keine Amtsübertragung entschärfen kann. Und wenn das Hochmittelalter den Teufel vor allem als Höllenfürsten kennt, bringt diese infernalische Herrschaft eher das Vergeltungsbedürfnis derer zum Ausdruck, die sich in der Welt zu kurz gekommen wähnen - und weniger den universalen Heilswillen Gottes. Schlimmer noch: Die Bösartigkeit jener höllischen Endgültigkeit fällt auf diesen zurück und macht ihn unglaubwürdig.

So verwundert es kaum, dass bereits Anfang des 19. Jahrhunderts der evangelische Theologe Friedrich Schleiermacher dem modernen Menschen die Teufelsvorstellung nicht mehr zumuten will. Die bleibende Aufdringlichkeit des Bösen bearbeiten seither meist theoretische Erklärungen. Gern verrechnen sie das Böse als den unvermeidlichen Preis der menschlichen Freiheit, wie das etwa Rüdiger Safranski tut. Auf die Frage, ob diese Theorien den Opfern, die leiden und vergewaltigt werden, wirklich helfen, bleibt man allerdings eher wortkarg.

Teufels-Rede um der Opfer willen

Demgegenüber wird deutlich, dass es nur um sie gehen darf, wenn Theologie nicht zum Bösen schweigt und deshalb vom Teufel spricht. Nicht zuletzt unser gegenwärtiger Papst übt sich bisweilen in solcher Predigt. Franziskus scheint mit ihr vor allem für eine entschiedene Nachfolge Jesu eintreten zu wollen (vgl. S. 15).

Andererseits stellen Figuren wie der prügelnde Krampus, der teuflische Versucher oder der satanische Ankläger Personifikationen einer Wirklichkeit dar, die in der Tat böse ist und die Würde des Menschen an ihrer Wurzel antastet. Ihr Maskenspiel veranschaulicht leibhaftig, was Bösartigkeit bedeutet: die Rechtfertigung von Gewalt durch einen vermeintlich guten Grund. Ijob muss es doch verdient haben, dass Gott ihn straft, die Sünder in der Hölle werden sicher zurecht gequält und den bösen Buben hat "Eins hinten drauf“ wohl nicht geschadet - oder?

Nein. Und zwar dreimal nein wegen der unverhohlenen Gewalt, die in solchen Äußerungen steckt. Ihre böse Gewalttätigkeit gilt es aufzudecken. Theologie kommt dem nach, indem sie darauf hinweist, was die Personifikationen des Bösen offenbaren, d. h. was der Mensch unter ihrer Fratze anschauen will. Ob er es sich damit auch vom Leib halten kann, erscheint mehr als fraglich. Denn niemand verkörpert das Böse ungestraft. Mehr noch: Die Schreckgestalt des Leibhaftigen lässt selber keinen Zweifel daran, dass es besser ist, zu ihm auf Abstand zu gehen. Wer sich nicht vor dem Teufel fürchtet, ja, wer ihn zu leichtfertig im Mund führt, trägt den Schaden davon. Weder einem teuflischen Verführer noch dem satanischen Ankläger darf man trauen. Auch ein Teufel erklärt die Wirklichkeit des Bösen nicht. Noch weniger ist sie zu rechtfertigen, und zwar nie, durch nichts und von niemandem! So sagt es auch die Bibel, wo der Ankläger stets zurückgewiesen wird.

Wenn Theologie folglich den Bösen nicht verschweigen darf, dann allein darum, weil eine bestimmte Rede von ihm die Menschen selbst in böser Absicht zu Teufeln machen kann. Vor solchen Strategien der Verteufelung verwahrt sich die Kirche sogar lehramtlich, nämlich auf dem IV. Laterankonzil, das Anfang des 13. Jahrhunderts festhält: "Der Teufel nämlich und die anderen Dämonen wurden zwar von Gott ihrer Natur nach gut geschaffen, sie wurden aber selbst durch sich böse. Der Mensch aber sündigte aufgrund der Eingebung des Teufels.“

Gegen die Verteufelung des Menschen

Steht also am Ursprung des Bösen nicht der Mensch, kann nicht einmal ein Mensch, der wirklich Böses tut, ein Teufel sein und vor allem: darf keiner zu einem Teufel gemacht werden! Dieses Verbot gilt auch, obwohl Menschen wirklich Böses tun. Und genau das ist unfassbar, nicht zu erklären. In diesem Sinn erschließt der Lehrsatz des Laterankonzils eine pastorale Maxime für den Umgang mit Opfern und Tätern in einer Welt, in der Böses wirklich geschieht. Der Glaube bekundet darüber eine Fassungslosigkeit, die Opfer wie Täter gleichermaßen als Opfer der Gewalttätigkeit des Bösen ernst nimmt.

Das bedeutet insbesondere, dass die gläubigen Inszenierungen des Bösen nur in dieser Opferperspektive richtungweisend sein können. Und wenn sie der unfassbaren Wirklichkeit des Bösen eine Furcht erregende Maske - die "persona“ des Teufels - aufsetzen, dann deshalb, weil das Böse wirklich zum Fürchten Anlass gibt. Denn das Entsetzen lenkt wie nichts sonst den Blick auf die Opfer und wendet die Aufmerksamkeit dem Notschrei der Vergewaltigten zu.

Vielleicht liegt darin ein Anfang für Rettung, für die Befreiung vom Bösen. Ans Ziel allerdings wird sie nur kommen, wenn die Täter nicht von der Erlösung ausgeschlossen bleiben. Deshalb hat jeder, der vom oder mit vermeintlich Bösen spricht, darauf zu achten, dass ihn nicht selber die Bösartigkeit des Teufels infiziert.

Wie wir das vermeiden können? Vielleicht durch einen Blick auf das Kreuz, an dem bekanntlich zusammen mit den Menschen auch der Gottessohn hängt - der Gute mit den Bösen. Und wie sie, so wird auch er verstummen. Zuvor allerdings redet er als Gekreuzigter neben und mit den anderen Gekreuzigten - ein unglaublicher Akt gott-menschlicher Solidarität, der sich nicht vor dem Kontakt mit dem Bösen scheut, weil er die Sünder, weil er uns retten will.

Von nichts anderem als dieser Erlösung handeln die letzten Worte Jesu. Aus ihnen spricht kein Ruf nach Vergeltung, ebenso wenig Beschönigung. Sie geben vielmehr die einzige Antwort, welche der Bosheit wirklich ein Ende setzt: "Heute noch wirst du mit mir im Paradies sein“ (Lk 23,43). Substanzielleres als diese Verheißung hat Theologie zum Bösen bis heute nicht zu sagen.

Der Autor lehrt Fundamentaltheologie und Dogmatik am Institut für Kath. Theologie der Otto-Friedrich-Universität Bamberg

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