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Übersteigerte Eifersucht, wie sie schon den Mohren von Venedig quälte, macht krank. In der Eifersuchtsambulanz der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie finden solcherart Gepeinigte Hilfe.

Der dreijährige Philipp fühlt sich seit der Geburt seines Bruders Felix beinahe unsichtbar: Alles scheint von dem schreienden Eindringling dominiert zu sein. Diagnose: Eifersucht. Wenn eine dritte Person in eine fest gefügte Zweierbeziehung eindringt, entsteht bei dem, der sich verdrängt fühlt, das Gefühl der Eifersucht: die Tochter ist eifersüchtig, als ihr Vater - seit Jahren von der Mutter geschieden - mit seiner Freundin zusammenzieht. Manche Väter sind auf die Freunde ihrer Töchter eifersüchtig und manche Mütter fühlen sich von der Lebenspartnerin des Sohnes ausgebootet. Eifersüchtig verfolgen sie, was ihr Sohn so alles für seine Geliebte tut.

Diese Eifersucht als notwendige entwicklungspsychologische Begleiterscheinung im Konkurrenzkampf ist gesund - sie gilt es, vom Eifersuchtswahn einerseits und vom Neid andererseits abzugrenzen. "Eifersucht gehört zur biologischen Grundausstattung des Menschen, die an sich nicht krankhaft ist", erklärt Harald Oberbauer, Facharzt für Psychiatrie und Neurologie an der Innsbrucker Universitätsklinik für Psychiatrie. Zum Wahn wird sie freilich dann, wenn sie sich in krankhafter Bezogenheit auf den Partner oder die Partnerin, pausenlose Selbstentwertung und Kontrollzwang äußert. Für Menschen, die vom "giftigen Stachel Eifersucht" geplagt sind, gibt es seit vier Jahren in Innsbruck eine im deutschen Sprachraum einzigartige Anlaufstelle: die erste Ambulanz für Eifersuchtskranke.

Vergiftete Beziehung

Eifersucht, so Oberbauer, setzt stets eine Beziehung, eine Paarbeziehung, voraus - egal, ob es sich nun um ein homo- oder heterosexuelles Liebespaar, ein Geschwister- oder Elternpaar handelt. Wer hingegen Neid empfindet, muss nicht zwingend in einer Beziehung leben: Schon eine bessere Position, ein schöneres Auto oder ein größeres Haus können Neidgefühle auslösen, die nichts mit Eifersucht zu tun haben. Selbstverständlich ist Eifersucht in unterschiedlicher Ausprägung in allen Menschen angelegt: Wer schickt meiner Frau Blumen? Warum geht mein Mann jetzt so oft zum Friseur? Mit wem hat der Partner/die Partnerin denn so ausführlich am Telefon geschäkert und jetzt erschrocken aufgelegt? In die Eifersuchtsambulanz von Harald Oberbauer kommen Menschen, die selbst unter ihrer krank- oder wahnhaften Eifersucht leiden oder Partner von krankhaft Eifersüchtigen, die die ständigen Beschuldigungen, Verfolgungen und ungerechtfertigten Unterstellungen nicht mehr ertragen wollen.

Ahnherr dieser Gequälten ist William Shakespeares Othello, jener Mohr von Venedig, der 1604 erstmals die Bühne der Weltliteratur betrat. Die rasende Eifersucht des vermeintlich betrogenen Othello, sein von der Glut der Eifersucht verwundetes Herz rührt seit jeher die Gefühle des Publikums an. "Mein Leben soll aus Eifersucht bestehen und wechseln wie der Mond, in ewigem Schwanken" - so beteuert Othello die Liebe zu seiner Frau, der tragischen Heldin Desdemona.

Kranker Held

Othello - der erste Eifersuchtskranke? Nach dem Studium der Literatur zum so genannten Othello-Syndrom hat Harald Oberbauer die Kategorien der Abgrenzung zwischen gesunder und kranker Eifersucht erarbeitet. "Man kann von krankhafter, also wahnhafter Eifersucht sprechen, wenn die eigene Lebensqualität beeinträchtigt ist oder die Lebensqualität dessen, auf den sich die Eifersucht bezieht", erläutert der Psychiater die Skala der Eifersucht. "Der Patient kann sich schlecht distanzieren, er kann sich nicht in andere Gedankeninhalte der Partnerin oder des Partners einstellen. Der Zwang, den vermeintlich Untreuen kontrollieren zu müssen, nimmt stetig zu."

Oberbauer nennt drei Anzeichen für einen Eifersuchtswahn, die in der Psychiatrie als grundsätzliche Kennzeichen einer Wahnerkrankung gelten: unabänderliche, subjektive Gewissheit des Kranken, Unmöglichkeit des Verdachts und Unkorrigierbarkeit der Verdächtigung. "Dass ein Ehemann seine Frau betrügt, ist an sich nicht unmöglich. Aus der Situation des jeweiligen Patienten aber wird die konkrete Unmöglichkeit ersichtlich. So beschimpft ein 84-jähriger Patient seine gleichaltrige Ehefrau, ein sexuelles Verhältnis zu einem 50-Jährigen zu haben. Auch er selbst leidet unter dieser Vorstellung, die Frau ist am Ende und beteuert ihre Unschuld und Treue.

Seit Gründung der Innsbrucker Eifersuchtsambulanz vor vier Jahren hat Oberbauer knapp 500 so genannte Erstkontakte gezählt. Viele Patienten wurden zu weiteren Behandlung an einen niedergelassenen Therapeuten, in Partner- und Familienberatungsstellen vermittelt. Im Zuge der Erstgespräche erkannte der Psychiater, dass er nur wenig an der Oberfläche der Eifersucht kratzen musste, um eine tiefer liegende Krankheit zu entdecken. "Eifersuchtswahn kommt als Symptom einer Schizophrenie vor oder kann bei Menschen mit Gehirnschädigungen, Perinatalschäden, Schädel-Hirn-Traumata, Gehirntumor oder Depressionen als so genanntes Epiphänomen auftreten", so Oberbauer.

Wird die Grunderkrankung behandelt, ist eine erfolgreiche Behandlung des Wahns möglich: "Manche Patienten haben Alkoholentzug und Psychotherapien durchlaufen. In der Folge sind die Eifersuchtssymptome immer schwächer geworden und schließlich ganz abgeklungen." In der weiteren Therapie gehe es immer weniger um das Thema Eifersucht: Im Zuge von Selbstsicherheitstraining, Psychotherapie oder - bei Depressionen - dem Einsatz von Psychopharmaka ist der Eifersuchtswahn bald verschwunden. Bei dem 84-jährigen Patienten ist die Grundkrankheit beispielsweise jahrzehntelanger Alkoholmissbrauch: Der Mann ist im Zuge seiner Alkoholexzesse aggressiv und tätlich geworden. So hat sich nach 60 Ehejahren ein massiver Eifersuchtswahn entwickelt.

"In vielen Fällen steckt hinter dem Eifersuchtswahn die so genannte Losigkeitssymptomatik - lustlos, kraftlos, schlaflos", berichtet der Neurologe. Der eine Betroffene fühlt sich minderwertig: Er ist nicht so, wie er sein möchte. Die andere Patientin fühlt sich zu dick und zu alt, sie zweifelt an den Gefühlen ihres Partners und beginnt, an seinen Sakkos zu schnuppern, seine Post zu öffnen, ihn im Schachklub unangemeldet zu "überraschen", ihn immer stärker zu kontrollieren.

Verdächtige E-Mails

Waren es früher Hotelrechnungen oder die Belege für gewagte Seidenteile und üppige Blumengebinde, nach denen der vom Wahn Befallene in der Post und in den Taschen suchte, so verunsichern die neuen Wege der Kommunikation in Form von SMS, E-Mails und Chatrooms die Patienten. Wer hat meinem Partner eine SMS geschickt? Mit wem trifft er sich - natürlich unter falschem Namen - gleich in mehreren Chatrooms? Warum bekommt er so viele Mails, wer steckt hinter diesen E-Mail-Adressen? Oberbauer kennt all diese quälenden Fragen von seinem Alltag in der Eifersuchtsambulanz. Gestellt werden sie vom 17-jährigen Mädchen bis zum 84-jährigen Greis, von Männern und Frauen in homo- oder heterosexuellen Beziehungen, unabhängig vom Bildungsgrad. Sie alle sind froh, in der Innsbrucker Klinik losreden zu können, ohne gleich Vorwürfe zu ernten. Nach einem Erstgespräch keimt bald die Hoffnung, die eigenen Kontrollhandlungen endlich aufgeben zu können, dem geliebten Menschen wieder vertrauen zu können - und sich nicht mehr wie Othello "wechselnd wie der Mond in ewigem Schwanken" zu fühlen.

Eifersuchts-Test

Wer den Großteil der folgenden Fragen mit "Ja" beantworten muss, sollte sich an einen Psychotherapeuten, Psychiater oder die Innsbrucker Ambulanz für Eifersuchtskranke wenden:

* Denken Sie oft bis zu mehrmals täglich an Untreue Ihres Partners?

* Durchsuchen Sie persönliche Sachen Ihres Partners auf eventuelle Beweisstücke?

* Fällt Ihnen auf, dass Sie bestimmte Verhaltensweisen des Partners in Richtung Untreue deuten?

* Lassen Sie Ihren Partner selten allein oder spionieren Sie ihm nach?

* Fragen Sie Ihren Partner oft nach Untreue oder beschimpfen Sie ihn?

* Fragen Sie andere Personen über Aktivitäten und Aufenthaltsort Ihres Partners?

* Kennen Sie Kontrollanrufe?

* Werden Sie von Ihrem Partner ständig kontrolliert?

* Gibt es in Ihrer Beziehung häufig Streit wegen vermuteter Untreue?

Aus der Broschüre "Eifersucht - eine Leidenschaft, die krank machen kann", hg. von der Allgemeinen Psychiatrischen Ambulanz der Universitätsklinik Innsbruck. Kontaktaufnahme täglich von 8 bis 16 Uhr unter (0512) 504-36 48.

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