Leselust statt Lesefrust

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Lesen soll Spaß machen, aber viele Kinder lesen nur, wenn sie müssen.

Mindestens ein Buch pro Woche" liest Maria, 16. Sie ist Mitglied der "Jury der jungen Leser", einer Gruppe von Jugendlichen, die sich unter der Leitung von Mirjam Morad regelmäßig im Literaturhaus in Wien trifft, um Jugendbücher zu diskutieren. Einmal pro Jahr vergeben die unterschiedlichen Altersgruppen Kinder- und Jugendbuchpreise. Für Schriftsteller ist die Verleihung eines Preises von jungen Menschen meist eine besonders große Ehre, da sie bestätigt, dass es gelungen ist, einen direkten Dialog zum Zielpublikum aufzubauen.

Heinz Janisch, Träger von zahlreichen Literaturpreisen, ist Autor von vielen Kinderbüchern, hat aber auch Belletristik für Erwachsene geschrieben: Er hält es für besonders schwer, für Kinder zu schreiben: "Im Schreibprozess muss man immer an den kleinen Leser denken, seinen Sprachschatz berücksichtigen und ihm gleichzeitig Lust auf Sprache machen." Das spielerische Annähern an das Instrument Sprache sei sehr wichtig, da die Beherrschung von Sprache eine Schlüsselqualifikation zur kritischen und selektiven Bewältigung des Alltags sei.

Lesen ist unentbehrlich ...

Zweifellos hat Lesen zentrale Bedeutung für die individuelle Entwicklung junger Menschen. Es fördert selbst bestimmtes Denken, Toleranz und Kritikfähigkeit und leistet einen wesentlichen Beitrag zur Persönlichkeitsentwicklung. Lesekompetenz sei schon deshalb unentbehrlich, da Lesen in der Multimediagesellschaft eine Basistechnik ist, so Gerhard Falschlehner, Geschäftsführer des Buchklubs der Jugend. Laut PISAStudie muss man sich darum bei österreichischen Schülern keine Sorgen machen: Im Bereich der Lesekompetenz nahm Österreich den zehnten Platz in der OECD-Studie ein und war somit das beste mitteleuropäische Land. Bedenklicher sind allerdings die Ergebnisse zur Lesebereitschaft. Denn obwohl die österreichischen Kinder und Jugendlichen überdurchschnittlich gut lesen, tun sie das höchst ungern: 40 Prozent der 15-Jährigen lesen nur dann, wenn sie dies wirklich tun müssen, 27 Prozent halten Lesen sogar für eine "Zeitverschwendung".

Um dem entgegenzusteuern, startet das Bildungsministerium gemeinsam mit dem Buchklub dieses Schuljahr die Initiative "Lesefit". Ziel dieser Aktion sei die Förderung von Lesekompetenz und die Vermittlung von Lesefreude, so Bildungsministerin Elisabeth Gehrer. Der Schwerpunkt liege hierbei auf der Zusammenarbeit von Lehrern und Eltern. Das Elternhaus spiele bei der Lesemotivation eine signifikante Rolle, ist auch Heinz Janisch überzeugt. "Wer seine Eltern nie lesen sieht, wird selbst wenig Interesse am Lesen haben." Auch alle wissenschaftlichen Untersuchungen zu diesem Thema zeigen laut Falschlehner den dominanten Einfluss der Familie auf die Lesesozialisation eines Kindes. Dabei kommt es weniger darauf an, was gelesen wird, so Janisch. Auch Comics würden keinesfalls schaden, der ständige hohe Anspruch würde manchmal eher verschreckend wirken. Wichtig sei also nur, dass die Lust auf Sprache geweckt wird.

... und multimedial

Konkurrenz hat die Freizeitbeschäftigung Lesen in den letzten Jahren vor allem durch den Boom von neuen Medien bekommen. Doch auch hier ist die Lesekompetenz äußerst wichtig. Anstelle des klassischen linearen Lesens trete laut Falschlehner multimediales, mehrkanaliges Lesen. Zwar sinke die Lesezeit von Büchern und Zeitungen, doch vervielfache sie sich im Bereich der neuen Medien. Jugendliche lesen mehr Texte im Internet, chatten und schreiben E-Mails und SMS. Dies unterstützt die Reaktionsfähigkeit und die Anpassungsfähigkeit. Das "herkömmliche" Lesen hingegen fördert Qualitäten wie die eigene Fantasie, die Konzentrationsfähigkeit über einen längeren Zeitraum und wirkt entspannend. Eine Kombination aus beidem wird wohl die Zukunft des Lesens darstellen. Die Fähigkeit, sinnerfassend zu lesen, wird also unverzichtbar sein.

Immerhin bezeichnen 43 Prozent der Mädchen Lesen als eines ihrer Lieblingshobbys, auffallend hier der Geschlechterunterschied: Nur 17 Prozent der Burschen sind Leseratten. Diese Tatsache erklärt wahrscheinlich das große Angebot an Mädchenromanen am Markt. Eine häufige Thematik sei die Selbstfindung und das Erwachsenwerden, erklärt Maria. Themen wie Drogen, Aids und Essstörungen seien leider schon "etwas abgedroschen". Maria erwartet sich von einem Buch eher die Abbildung des "alltäglichen" Lebens. Literatur soll sie bewegen, zu eigenen Gedanken anregen und entspannen. Auch Heinz Janisch meint, dass gute Literatur primär von Menschen und Zuständen erzählen soll. "Ein Achtjähriger empfindet genau wie ein 80-Jähriger Zorn, Liebe oder Hass". Sein Traum wäre daher ein Buch, das von beiden mit gleicher Freude gelesen wird. Auch Alexa Hennig von Lange, der auf der Frankfurter Buchmesse der Deutsche Jugendliteraturpreis 2002 verleihen wurde, hat einen konkreten Wunsch: "Jugendliteratur soll Menschlichkeit vermitteln. Das klingt banal - ist aber wichtiger denn je."

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