Leute sind interessiert an ethischer Orientierung

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Der Bundesvorsitzende des Wirtschaftsforums der Führungskräfte, Paul Jankowitsch, im FURCHE-Interview. Zivilcourage von Aufsichtsräten und Staatskommissären ist Thema. Schwerpunkte der Arbeit: Lebensplanung, auch für Manager im Alter von über 50 Jahren, und Ethik im Wirtschaftsleben. Das Gespräch führte Claus Reitan

Das Wirtschaftsforum der Führungskräfte (WdF) ist keine reine Interessenvertretung oder Lobby-Organisation, sondern will seinen rund 3000 Mitgliedern Unterstützung und Denkanstöße anbieten. WdF-Bundesvorsitzender ist Dr. Paul Jankowitsch, jahrelang in der Führung von internationalen Unternehmen tätig und nunmehr an der Technischen Universität Wien Vizerektor für Finanzmanagement und Controlling. Im FURCHE-Interview erläutert er, worum es dem WdF geht und warum Österreich die „Komfortzone“ verlassen muss.

Die Furche: Wie schwer oder wie leicht haben es die Führungskräfte in Österreich?

Paul Jankowitsch: Sie haben es nicht leicht, weil die Leute eigenständig sind, selbstständig denken. Das ist gut und zweckmäßig, aber Führungskräfte werden dann nicht sehr positiv gesehen. Dazu kommt der Zeitgeist, wonach man heute in Österreich lieber moderiert, als tatsächlich Orientierung gibt. Das scheint in manchen Situationen attraktiv, denn wer entscheidet, übernimmt ja auch Verantwortung und damit Risiko. Das zeigt sich in der – zugegeben schwierigen – politischen Szene. Wer gegen etwas ist, erntet zustimmende Emotionen. Etwas voranzutreiben hingegen ist sehr schwierig. Damit sind wir auf dem Wege zu einer gewissen Unführbarkeit in Österreich.

Die Furche: Ihre Themen für das neue Jahr sind daher ...

Jankowitsch: ... etwa die Arbeitswelt der Zukunft. Ein klassisches Führungsthema. Ein weiteres ist, den vierten Lebensabschnitt, der völlig verdrängt wird ins Bewusstsein zu holen. Dieser lange Lebenszeitraum der Pflegebedürftigkeit wird ja ausgeblendet. Es besteht zudem ein verhängnisvoller Zug in die Frühpension, der ganz erstaunlich ist. Unglaublich viele Menschen leben nicht heute, sondern heben sich das „für die Pension“ auf. Das ist kein erstrebenswertes Zustand, weil der Gestaltungsspielraum in der Pension ist im Regelfall nicht mehr groß. Es geht uns um die bewusste Lebensplanung, auch im Alter von 50 Jahren. Da beginnen viele zu überlegen, wie sie günstig in Pension gehen können. Da ist in unserem Land einiges zu ändern und aufzuholen. Das Befassen mit den Optionen ist für uns entscheidend, die da und dort festzustellende Passivität einfach erschütternd.

Die Furche: Wie wollen Sie das ändern? Mit Lebensplanung?

Jankowitsch: Man kann nicht wirklich für alle planen, aber das Denken in Szenarien kann gelehrt werden. Die Schulen sollten das Fach Lebensgestaltung anbieten, das wäre ein entscheidender Punkt. Die Passivität der Leute zu drehen, wird ein langer, schwieriger Prozess, aber es muss passieren, sonst wird Österreich ein Problem bekommen. Ich sehe hier wirklich keine Alternative. Aufgrund unserer Kooperationen kenne ich etwa die Studenten an den Universitäten in Brünn oder in Prag. Die sind sehr engagiert, haben ein hohes fachliches Wissen, sind sprachlich hervorragend. Sie können in der Regel um eine Sprache mehr als die Österreicher und sie sind wesentlich „hungriger“ als unsere Leute. Doch viele bei uns leben im Besitzstanddenken, den wohl erworbenen Rechten. Dieser Zustand ist nicht haltbar. As politischer Sicht mag es verständlich sein, den Leuten Sicherheit geben zu wollen. Aber wir werden zurückfallen, wenn wir nicht die Mentalität und den Mindset für Leistung und für Werte haben.

Die Furche: Was folgert unmittelbar für das Wirtschaftsforum der Führungskräfte und Ihre Aktivitäten daraus?

Jankowitsch: Unsere Überlegungen der letzten eineinhalb Jahren ergaben, wir haben hier genug zu tun. Als Führungskräfte wollen wir die Auseinandersetzung über die angesprochenen Themen führen, sagen aber dazu: Es wird nicht einfach, man muss die Komfortzone schon verlassen. Es ist hierzulande ein Wesenszug, sich mit manchen Themen nicht auseinanderzusetzen. Doch es ist wichtig, Position zu beziehen. Würde man das tun, wären verschiedene Vorkommnisse gar nicht möglich. Um auf die Führungswirklichkeit zu kommen: Da muss man ganz klar sehen, dass etwa die Zivilcourage von Aufsichtsräten ordentlich zu beleuchten ist.

Die Furche: Und die der Staatskommissäre.

Jankowitsch: Ja, natürlich. Es war gelegentlich amüsant, bei Sitzungen diese „steinernen Gäste“ zu sehen, die nie etwas sagen. Das wäre doch der Sinn! Und wenn er nur sagt, das eine oder andere komme ihm komisch vor, man möge sich das ansehen... Aber wenn einer überhaupt nichts sagt, dann stimmt doch systemisch etwas nicht. Es fehlt oft an Zivilcourage. Deswegen braucht es eine Organisation wie das Wirtschaftsforum der Führungskräfte, das hat trotz des antiquierten Titels einige Berechtigung.

Die Furche: Und was brauchen die Führungskräfte?

Jankowitsch: Das ist vielleicht auch ein Phänomen der persönlichen Erfahrung: Je mehr man erlebt hat, umso mehr wird deutlich, dass man für gute Führung nicht ständig neue Methoden braucht. Sie können genauso chinesische Weisheiten anwenden, die Regeln des Heiligen Benediktus oder jene des Soldaten Clausewitz. Ich habe soeben den Leadership-Teil eines MBA-Seminars gehalten: Die Leute sind enorm interessiert an ethischer Orientierung! Bei Business-ethik geht es in erster Linie um Anstand und Augenmaß. Dass die Wirtschaft von Gier getrieben wird, ist ja nichts Neues. Das gibt es seit hunderten Jahren, ist ein menschliches Motiv. Die Frage ist doch nur: Wie hält man die Gier, in Schach, wie steuert man sie? Und wo sind die internen Barrieren, die alten, bewährten, anerkannten Regeln, wonach man bestimmte Dinge nicht tut. Es geht um Organisationskultur. Die Kritik, die im vorigen Jahr durch die Krise ausgelöst wurde, ist berechtigt: Das kapitalistische System beruht darauf, dass wir gewisse Regeln einhalten. So kommt man zur Corporate Governance, zu einer Corporate Culture. Die beginnt übrigens bei Auswahl der Personen.

Die Furche: Wo sollten die in Österreich erforderlichen Änderungen noch ansetzen?

Jankowitsch: Die Vorgänge an den Universitäten waren eine sehr klare Botschaft. Man kann diese Organisationen herausfordern, aber man muss auf Augenhöhe agieren, wenn man erwartet, das dieser Sektor die Zukunft gestaltet. Wie es jetzt läuft, ist es nicht gut, die Studenten arbeiten teilweise unter schlechten Bedingungen. Ich vergleiche uns nicht mit großen Ländern. Aber wenn wir Dänemark, Norwegen, Finnland, auch Belgien und Holland ansehen, was dort passiert, dann muss man bei uns blitzartig einiges ändern. Da ist viel zu tun.

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