Madame Quote bleibt im Regen stehen

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Wenn -durchaus auch von Frauen -zu hören ist, Feminismus sei unnötig, weil doch die Gleichstellung schon längst erreicht, empfiehlt sich der Verweis auf den Umstand, dass die Hälfte der Bevölkerung in leitenden Positionen der Politik immer noch völlig unterrepräsentiert ist. Hier versagen nicht zuletzt jene Strukturen, die sich Gleichberechtigung auf die Fahnen schreiben. Denn ob und in welchem Ausmaß Frauen am politischen Geschehen beteiligt werden, liegt zuvorderst an den Parteien. Sie bestimmen nicht nur, wer überhaupt zur Wahl steht, sondern bestimmen über den Erfolg der Nominierten, indem sie diesen etwa "sichere" Listenplätze zuweisen.

Zahnlose regelung

Etwa in der Hälfte aller Länder der Welt existieren Quotenregelungen, um den Anteil von Frauen in den nationalen Parlamenten zu steigern. Mehrheitlich handelt es sich dabei um parteiinterne Quoten, in vielen Fällen aber um gesetzliche Regelungen wie etwa in Belgien, Frankreich, Portugal oder Slowenien. Wo der Staat sich für unzuständig erklärt, sind die Parteien am Zug. Die schreiben statutarisch fest, wie die Zuweisung von Mandaten zu erfolgen hat.

Das ist auch innerhalb der SPÖ geschehen: Seit 1985 gilt -Johanna Dohnal sei Dank -eine Quotenregelung. Eben weil die österreichische Wahlordnung einen derartigen Automatismus nicht vorsieht, sieht sie die SPÖ selbst vor und garantiert damit ihren Wählerinnen angemessene Vertretung von und durch Frauen. 2010 wurde die Quote im Parteistatut nochmals nachjustiert und hielt fortan fest, dass bei der Nachbesetzung eines Mandats die Quote zu beachten sei. Bundesfrauenvorsitzende Heinisch-Hosek feierte den Beschluss etwas überschwänglich aber durchaus nicht unberechtigt als "historischen Tag für die Sozialdemokratie."

Heute hört sich das freilich ganz anders an: Die von ihr selbst durchgesetzte Quotenregelung sei nicht mehr als "ein zahnloser Tiger". Allein: Die Regelung selbst schreibt klar fest, wie Nachbesetzungen zu passieren haben, nur braucht es eine Frauenorganisation die sich zu ihr bekennt und für sie kämpft, statt im Parteivorstand dienstbeflissen einen (und keineswegs den ersten) Beschluss mitzutragen, der der selbstverordneten Quote zuwiderläuft.

Das ist die eine Lehre aus der Causa Ablinger: Die besten Regelungen sind das Papier nicht wert auf dem sie geschrieben stehen, wenn Frauen aus Rücksicht auf die Parteiräson anderen Frauen die Solidarität aufkündigen. Auf den Beistand der Männer brauchen diese -auch das wurde deutlich -jedenfalls nicht zu hoffen. Johanna Dohnal sagte einmal, dass eine Frauenbewegung, die nicht lästig sei, über keinerlei Existenzberechtigung verfüge. Dieses Urteil kann mittlerweile wohl auch für die zahnlose Bundesfrauenorganisation der SP unterschrieben werden.

Gruselige Konfliktkultur

Vom Standpunkt der Frauen ist die Causa Ablinger also in mehrfacher Hinsicht ein Skandal. Die Schmierenkomödie, die hier zur Aufführung gelangte, sorgt zu Recht für Ärger. Sie illustriert einmal mehr, dass die SPÖ es mit dem, was sie sonst gerne mit erhobenem Zeigefinger predigt, in der Praxis selbst nicht so ernst nimmt. Das ist für jede Bewegung mit einem moralischen Anspruch unweigerlich mit einem schweren Glaubwürdigkeitsverlust verbunden. Was bei alldem aber leicht außer Sicht zu geraten droht: Die Vorgangsweise des SP-Parteivorstandes wirft ein Schlaglicht auf den Zustand der innerparteilichen Konflikt-und Demokratiekultur.

Und dabei kann einem erst recht gruseln. Denn Sonja Ablinger wurde nicht verhindert, weil sie eine Frau ist. Ablingers Wiederbestellung als Nationalrätin wurde torpediert, weil sie sich in der Vergangenheit mehrmals für eine inhaltliche Neuausrichtung der Sozialdemokratie stark gemacht hat - und sich damit auch gegen die Linie der Parteispitze stellte.

Seltene einigkeit der Kritiker

Auf der Website der oberösterreichischen Landespartei liest man in herzerfrischender Offenheit dann auch: "Offenbar geht es nicht "nur" um die Einhaltung einer Quotenregelung und die Förderung von Frauen, sondern vielmehr um den Umgang der Partei mit innerparteilichen Kritikerinnen und Kritikern."

Es ist dieser "Umgang der Partei" mit kritischen Stimmen, der die Basis alarmieren sollte: Wer sich innerhalb der SP für eine Orientierung nach links ausspricht, sich den Grundsätzen und Werten der Sozialdemokratie verpflichtet fühlt und die Führungsriege weniger an Worten als an ihren Taten misst, wird bei nächster Gelegenheit entfernt -und draußen gehalten -koste es, was es wolle.

In seltener Einigkeit ziehen nun sämtliche Jugendorganisationen gemeinsam mit kritischen Teilen der SP wie der Wiener Sektion 8 vor das parteiinterne Schiedsgericht. Doch wie das statutarisch verbriefte Recht der Frauen auf Repräsentanz, verkommt die innerparteiliche Demokratie zur Farce, wenn gilt: wo kein Gericht, da kein Rechtsanspruch. Zuständig für die Einsetzung des Schiedsgerichts ist der Bundesvorstand der SP. Dass eben jener Bundesvorstand, der sich in der Vorwoche noch lässig über die eigenen Statuten hinwegsetzte, sich nun eines besseren besinnt und an demokratiepolitische Spielregeln hält, darf bezweifelt werden.

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