Männer, mit Kindern allein zu Haus'

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Wie sich das Erziehungs-Loch stopfen läßt, das abwesende Väter bei ihren Kindern hinterlassen, ist eine vieldiskutierte Frage. Es ist schwer, die gewohnten Bahnen zu verlassen.

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Wie sich das Erziehungs-Loch stopfen läßt, das abwesende Väter bei ihren Kindern hinterlassen, ist eine vieldiskutierte Frage. Es ist schwer, die gewohnten Bahnen zu verlassen.

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Alle sind wir uns einig: falls der Vater, aus welchen Gründen auch immer, im Haushalt oder bei Kinderbetreuung nur halbherzig oder gar nicht mitwirkt, kann das schlimme Folgen haben. Vor allem für die psychische Entwicklung der Kinder, die den Vater zwangsläufig nur nebelhaft, irgendwo am Rande, wahrnehmen, stellt diese Situation oft ein bedrückendes Problem dar: wieso ist immer nur die Mutter da, wenn sie Rat und Hilfe suchen?

Wieso gehen die meisten Versuche, Brücken zum zweiten Elternteil zu schlagen, daneben? Wieso gelingt es nicht, eine vertrauensvolle Beziehung zum Vater anzubahnen, wieso bleibt im Alltag immer noch die Mutter die einzige Anlaufstelle?

Dieses Phänomen und seine problematischen gesellschaftlichen Auswirkungen sind längst bekannt - den Frauen- beziehungsweise Familienpolitikern und Soziologen, bis hin zu Pädagogen, Jugendanwälten und Psychotherapeuten. Doch ein Rezept dafür zu finden, wie man das Loch im Familiengefüge verhindert beziehungsweise stopft, das hier der abwesende Familienvater hinterläßt, ist nicht einfach.

Die Katholische Jungschar hat kürzlich namhafte Fachleute zu einer Tagung nach Wien eingeladen, um sich gemeinsam über dieses Thema Gedanken zu machen und mögliche Lösungsansätze zu erarbeiten.

Die vormittäglichen Referate haben den Tagungsteilnehmern die Ursachen für den unerfreulichen Zustand der Familie aus den verschiedensten Perspektiven vor Augen geführt; einmal aus der Sicht der psychologisch pädagogischen Forschung (Beate Minsel, Staatsinstitut für Frühpädagogik, München), auf Grund von empirisch erhobenen Befunden (Katharina Novy, Katholische Jungschar), und zuletzt aus der Sicht der Männerforschung (Erich Lehner, Sozialwissenschaftler und Psychotherapeut).

Am Nachmittag haben sich die Teilnehmer in mehrere Arbeitskreise verteilt, der Verfasser dieser Zeilen hat sich für die "Politikrunde" entschieden. Die Debatte hat sich hier um ein Thesenpapier des Politikwissenschaftlers und Theologen Franz J. Vock gedreht. Sein Anliegen ist es gewesen, mittels Gesetzen, Vorschriften und Steueranreizen dem Mann den Karenzurlaub, aber auch einen typischen Frauenberuf wie Kindergärtner, gesetzlich zu ermöglichen und finanziell schmackhaft zu machen. Als Referenzland führt Vock Schweden an, wo das Karenzgeld derzeit 70 Prozent des regulären Gehaltes ausmacht, was wesentlich mehr junge Väter als hierzulande dazu motiviert, tatsächlich in die Karenz zu gehen.

Schweigsame Politik Die anschließende Podiumsdiskussion hat der Journalist Paul Yvon routiniert und ausgesprochen liebenswürdig moderiert. Das hat vermutlich daran gelegen, daß er selber die Erfahrungen eines karenzierten Vaters hinter sich hat.

Doris Palz vom Familienministerium hat gleich eingangs allzu große Hoffnungen in die Politik gedämpft, durch Vorschriften und Gesetze ließen sich junge Väter in die Kinderbetreuung einbeziehen. Solange die Mehrheit der Österreicher, das heißt die Wählerschaft, die derzeitige Rollenverteilung in der Familie in Ordnung findet, sind den Politikern die Hände gebunden. Ihre Aufgabe ist es schließlich, den Volkswillen zu achten und in die Praxis umzusetzen. Ganz abgesehen davon, daß man große gesellschaftliche Veränderungen nicht von oben verordnen kann, die in breiten Bevölkerungsschichten, nicht akzeptiert werden. Daß es jedoch wünschenswert wäre, auf dem Gebiet der Familienpolitik etwas in Bewegung zu setzen, daran hat weder sie noch wer anderer im Raum gezweifelt.

Die einen sehen das Problem in der geschichtlich gewachsenen, männerdominierten Gesellschaft, die den Mann von vornherein bevorzugt, eigene Aufgabenfelder für ihn reserviert und ihm gesellschaftlich eine übergeordnete Stellung zuweist.

Andere wiederum sehen das Hauptübel in der Wirtschaft, die die Karrieretür eher dem Mann öffnet und ihn auch finanziell großzügiger als eine Frau entlohnt. Daß der Einsatz der Frau im Haushalt und bei den Kindern in den Augen der Wirtschaftstreibenden kaum Beachtung findet, rundet nur das Bild der Ungleichbehandlung der Geschlechter ab. Es scheint, es liegt letztlich am Mann selber, den für ihn unschmeichelhaften Stand der Dinge entscheidend zu korrigieren. Wie aber soll er das nur anstellen?

Es ist irgendwie naheliegend, daß er sich in erster Linie im Beruf einbringt, wo er sich doch wunderbar entfalten kann! In der Firma sind sein nüchternes, logisches Denken und organisatorische Fähigkeiten gefragt, hier kann er seine strategischen Pläne schmieden, hier darf er seinem Gestaltungswillen freien Lauf lassen, seinem Ehrgeiz ohne unnötige Rücksichten folgen, eventuell das berauschende Gefühl der realen Macht auskosten. Und das Schönste daran, für seinen erfolgreichen beruflichen Einsatz ist ihm viel Applaus und noch viel mehr Geld sicher, obendrauf genießt er aufrichtige Anerkennung und ungeteiltes Ansehen der Bevölkerung, die, mindestens zur Hälfte, horribile dictu, weiblich ist!

Wie soll da ein Mann gegen den Strom schwimmen? In einer Zivilisation, die einerseits von meßbarer Leistung und andererseits von grenzenlosem Vergnügen geradezu besessen ist? Und diejenigen, die da nicht mitmachen und abseits stehen bleiben, nur ungläubig und widerwillig zur Kenntnis nimmt?

Trotz all dem - es gibt Ehepaare, die sich bei Kindergeburt die Frage stellen, wer nun mit dem Kind zu Hause bleibt, und wer seinem Beruf weiterhin nachgeht. Da bietet sich dem Vater eine einmalige Chance, die Welt Schulter an Schulter(chen) mit dem frischgeborenen Kind aufs neue zu entdecken, aus einer ganz anderen Perspektive zu betrachten, die gewohnten Bahnen und zementierten Ansichten für einmal zu verlassen und völlig neue, "kindische" Zugänge zu den Abläufen des Alltags zu suchen.

Daß dabei beide Beteiligten reichlich profitieren, ihren Horizont erweitern und persönlich reifer werden, kann man nicht oft genug betonen.

Hoffnungsschimmer Bei einem Blick in die Teilnehmerliste fällt der hohe Anteil an Akademikern auf, die sich für diese Problematik offenbar besonders interessieren. Dieser Umstand könnte zu der Annahme verleiten, daß die Vorstellung des kinderbetreuenden Vaters eher einem Gedankenspiel von abgehobenen Intellektuellen entspricht.

Trifft das wirklich zu? Ist die bewußt wahrgenommene Vaterschaft ein geistiges Produkt von irgendwelchen Wirrköpfen? Oder ist sie nicht vielmehr genauso unverzichtbar und achtenswert wie die Mutterschaft, die in unserer Zivilisation, sagen wir mal, etwas in Vergessenheit geraten ist?

In vielen ähnlichen Veranstaltungen wird versucht, diesen selbstverständlichen Bestandteil einer jeden (soweit vollständigen) Familie etwas abzustauben, und den jungen Vater daran zu erinnern, den ihm zustehenden Platz in der Familie nicht zu schwänzen.

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