"Man braucht auch lokales Know-how"

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"Panama Papers": Für den Medienethiker Matthias Karmasin wiegt Interesse an Aufklärung schwerer als Normverletzungen bei der Informationsbeschaffung.

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"Panama Papers": Für den Medienethiker Matthias Karmasin wiegt Interesse an Aufklärung schwerer als Normverletzungen bei der Informationsbeschaffung.

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Matthias Karmasin, Kommunikationswissenschafter an der Uni Klagenfurt, über medienethische und medienökonomische Fragestellungen zu den "Panama Papers".

DIE FURCHE: Die Veröffentlichungen rund um die Panama Papers gilt den einen als journalistische Großtat dargestellt, andere kritisieren sie.

Matthias Karmasin: In der Medienethik ist eine Güterabwägung notwendig. Auf der einen Seite steht das Interesse an Aufklärung, auf der anderen die Frage, welche journalistischen Praktiken man dafür einsetzen kann. Der Zweck heiligt nicht alle Mittel. Aber wenn es sich um kriminelle Machenschaften handelt, ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass man Informationen bekommt, ohne sich in einen Graubereich zu begeben.

DIE FURCHE: Wenn Sie das nun auf die Panama Papers anwenden ...

Karmasin: dann lautet die konkrete Frage: Was wiegt schwerer: das Umgehen von Datensicherungssystemen, was zweifellos ein Überschreiten von Normen ist, oder das öffentliche Interesse an den Daten? Ich vermute: Bei den Panama Papers wiegt das öffentliche Interesse schwerer.

DIE FURCHE: In diesem Fall handelt es sich um derart enorme Datenmengen, die eine einzelne Redaktion nicht bewältigte. Soweit man weiß, kamen die an die "Süddeutsche Zeitung" , und die hat dann ein weltweites Netzwerk befasst. Karmasin: Es gibt da Vorläufer wie die kollaborative Recherche auch durch Einbeziehung von Leserinnen und Lesern beim Spesenskandal im britischen Unterhaus 2009, wo die riesige Menge von Belegen kollaborativ durchforstet wurde. Auch bei Wikileaks und den Snowden-Enthüllungen wurde kollaborativ recherchiert. Die Panama Papers legen ein multinationales Rechercheteam nahe, weil die Steuergesetze der beteiligten Länder sehr unterschiedlich sind. Man braucht da schon lokales Know-how, um das richtig einordnen zu können.

DIE FURCHE: Aber gerade Wikileaks kritisiert an den "Panama Papers", dass es Rechercheteams einzelner Medien sind, die bestimmte Informationen freigeben und andere nicht.

Karmasin: Das ist der Unterschied zwischen einer Plattform im Internet und Medien, deren Geschäftsmodell weitgehend auf Exklusivität der Daten beruht. Kein solches Medium wird sagen: So eine Geschichte stellen wir Open Access zur Verfügung. Wenn man es medienökonomisch sieht, dann haben Medien in diese Enthüllung Personalressourcen investiert. Da ist es in einer liberalen Wirtschaftsordnung nicht unverständlich , wenn die beteiligten Medienhäuser zumindest einen Teil der Investitionen zurückverdienen wollen. DIE FURCHE: Ein anderer Kritikpunkt auch in der Diskussion im Netz ist, dass die Veröffentlichung der Panama Papers bestimmte Interessen bedient -US-amerikanische Daten etwa kämen nicht vor.

Karmasin: Das ist im Kontext der Trollfabriken und der sonstigen Spins, die im Netz gegeben werden, nicht außergewöhnlich. Verschwörungstheoretische Vermutungen werden in letzter Zeit ja gerne über alles geäußert. Angesichts der Zahl an beteiligten Journalisten, angesichts der Zahl der beteiligten Medien mit hoher Reputation gründet sich dieser Vorwurf nicht auf Fakten. Warum Amerika kaum vorkommt: Wenn ich in Delaware oder Nevada Steueroasen im eigenen Land habe, warum soll ich dann nach Panama ausweichen? Es gibt da schon einen pragmatischen Hintergrund.

DIE FURCHE: Wie schätzen Sie die Bedeutung der Panama Papers ein: eine wichtige Enthüllung oder doch nur ein Hype?

Karmasin: Die eine Frage ist: Ist es für den investigativen Journalismus und die Weiterentwicklung des Journalismus wichtig? Da sage ich: Ja, weil hier die medienübergreifende Zusammenarbeiten zu wichtigen und interessanten Ergebnissen führt. Eine zweite Frage lautet: Wie weit soll man im investigativen Journalismus auf Methoden wie Hacking setzen? Da zeigt sich, dass man in Zukunft bestimmte Geschichten nur recherchieren wird können, indem man sich über Firewalls hinwegsetzt. Ob das jedoch realpolitisch dazu führt, dass sich die Steuergesetzgebung ändert, da bin ich skeptisch.

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