Klitoris - © Victoria Schwendenwein

Medizinische Leitlinie zur Betreuung von FGM-Betroffenen gefordert

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Betroffene von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) leben zunehmend auch in Österreich. Im Kampf gegen FGM wurde der Mai zum Aktionsmonat.

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Betroffene von weiblicher Genitalverstümmelung (FGM) leben zunehmend auch in Österreich. Im Kampf gegen FGM wurde der Mai zum Aktionsmonat.

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E s war ein ungewöhnlicher Anblick, der sich Anfang Mai in der Wiener Mariahilfer Straße bot: Eine schlanke Figur, drei Meter groß, in purpur-Tönen und fragil anmutend, bewegte sich ausgehend von der Pfarrkirche Mariahilf in der Einkaufsstraße. Die Figur erregte Aufmerksamkeit und ließ so Manchen irritiert innehalten.

Genau das haben sich die Organisatorinnen der „Aktion Regen“ davon auch versprochen. Dargestellt wurde eine Klitoris, die viele auf den ersten Blick wohl nicht als solche erkannt haben, denn: „Wie eine Klitoris wirklich aussieht, weiß kaum jemand“, erklärte „Aktion Regen“-Geschäftsführerin Ines Kohl.

Sie klärte in der Mariahilfer Straße mit Partnerorganisationen wie „Plan International“ oder „Terre de femmes“ unter dem Motto „#togetherweendfgm“ über die gefährliche Praxis der weiblichen Genitalverstümmelung (female genitale mutilation, kurz FGM) auf. Bildung sieht Kohl auf allen Ebenen als wichtigsten Schlüssel im Kampf gegen FGM.

Weltweit leiden Schätzungen der Vereinten Nationen zufolge rund 200 Millionen Mädchen und Frauen unter einer Form der weiblichen Genitalverstümmelung. Ungefähr 6000 bis 8000 davon leben in Österreich, wobei die Dunkelziffer laut der seit 2022 bestehenden Koordinationsstelle und der seit 2003 bestehenden Plattform „StopFGM“ deutlich höher liegen könnte.

Fehlende ärztliche Expertise

Gesetzlich erfüllt FGM in Österreich den Tatbestand der schweren Körperverletzung. Bei den in der Plattform „StopFGM“ gebündelten Hilfsorganisationen geht man davon aus, dass die Praxis in Österreich nicht durchgeführt wird.

Die allermeisten der betroffenen Frauen in Österreich sind durch Migrationsbewegungen hierher gekommen. Tendenz steigend. Ihre gesundheitlichen Probleme führen sie meistens nicht auf die Folgen von FGM zurück. „Sie urinieren lange, haben oft Infektionen oder einen Kinderwunsch“, erklärt Daniela Dörfler. Für die Gynäkologin an der medizinischen Universität Wien ist ein sensibler Umgang mit den Problemen der Frauen wichtig.

„Es gibt wenig Schlimmeres als wenn medizinisches Personal mit Entsetzen auf weibliche Genitalverstümmelung reagiert“, sagt Dörfler. Dabei gäbe es bereits medizinische Möglichkeiten, das Leid zu lindern. Beispielsweise kann die Narbenplatte, mit der die Vulva verschlossen wird, geöffnet werden. Viele Betroffene wissen das nicht.

Auch in der medizinischen Versorgung gibt es in diesem Bereich Lücken, wie eine Erhebung der Wiener Medizinanthropologin Elena Jirovsky-Platter zeigt. Mit ihrem Team hat sie zwischen Mai 2019 und November 2020 einen Überblick über bestehende Strukturen, Hemmschwellen und Hürden in der Betreuung FGM-betroffener Frauen in Österreich erstellt.

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