Meilenstein oder Totgeburt?

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Die Inanspruchnahme der Familienhospizkarenz hält sich in Grenzen.

Im Juli 2002 waren die Erwartungen noch ambitiös: Bis zu 15.000 Personen pro Jahr könnten die Familienhospizkarenz in Anspruch nehmen, um sterbende Angehörige zu begleiten, prognostizierte Wirtschafts- und Arbeitsminister Martin Bartenstein (VP). Knapp zwei Jahre nach Einführung der - grundsätzlich von allen Parteien begrüßten - Regelung fällt jedoch die Zwischenbilanz bescheiden aus: Nur rund 600 Anträge auf Hospizkarenz (maximal sechs Monate samt Kündigungsschutz, Kranken- und Pensionsversicherung) wurden bislang gestellt; 222 davon im Jahr 2002, der Rest im Vorjahr.

Der Hauptgrund für die schleppende Inanspruchnahme liegt für den Wiener Caritas-Direktor Michael Landau auf der Hand: Er kritisiert seit jeher die fehlende finanzielle Abgeltung dieser Betreuungsleistung. Gerade in dieser schwierigen Situation, wo es gelte, einen sterbenden Angehörigen zu pflegen, müsse man Sicherheit gewährleisten, so Landau. Er plädiert für einen Rechtsanspruch auf existenzielle Absicherung - zumindest für sozial Schwache.

Zwar wurde vom Sozialministerium ein Härteausgleichsfonds für jene Fälle eingerichtet, wo das "gewichtete Haushaltseinkommen pro Person" unter 500 Euro monatlich sinkt. Ein Rechtsanspruch auf diese Leistung besteht jedoch nicht. Laut Sozialministerium wurden im Vorjahr aus dem Härtefonds rund 155.000 Euro an insgesamt 122 Personen ausgeschüttet (durchschnittlich 483,40 Euro monatlich). Rund 82 Tage ließen sich diese Personen im Durchschnitt karenzieren.

Zudem besteht die Möglichkeit, Pflegegeld zu beziehen. Ein solcher Zuschuss, der mindestens der Pflegegeldstufe 3 (monatlich 413,50 Euro) entspricht, wird jedoch nur Vollzeitkarenzierten gewährt. Teilzeitkarenzierte erhalten keine Unterstützung.

Dieses Manko ist nach Expertenmeinung auch ein Grund dafür, dass sich nur wenige Männer für eine Hospizkarenz entscheiden: Tatsächlich sind über 85 Prozent der Antragsteller Frauen. Für den Organisationsethiker Andreas Heller eine bedenkliche Entwicklung: "Hier ist eine Geschlechterfalle und eine ökonomische Falle eingebaut: Die ganze Versorgungsarbeit wird über Ehrenamtlichkeit abgewälzt", kritisiert er im Furche-Gespräch (siehe Interview rechts).

Auch der katholische Moraltheologe Günter Virt stößt sich an der konkreten Ausgestaltung der Hospizkarenz - wenngleich er das Gesetz nach wie vor für "wegweisend in Europa" hält: "Man muss aber dafür sorgen, dass auch Leute unterstützt werden, die aus finanziellen Gründen nicht die Möglichkeit haben, diese Karenz in Anspruch zu nehmen." DH

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