"Meine Herren, wir haben eben fusioniert"

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Wenn grausame Wahrheiten aus dem Munde von Schauspielern kommen, sind sie für alle Beteiligten leichter zu ertragen: Die Probleme einer Firma als professionelles Theaterstück aufzuführen, ist das Motto der "company stage".

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Wenn grausame Wahrheiten aus dem Munde von Schauspielern kommen, sind sie für alle Beteiligten leichter zu ertragen: Die Probleme einer Firma als professionelles Theaterstück aufzuführen, ist das Motto der "company stage".

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Sie waren mit ihren Co-Bereichsleitern schon im Kajak den Yukon-River stromabwärts unterwegs, haben beim Bungee-jumping mit dem Geschäftsführer einen Adrenalin-Kick erlebt und kennen alle Top-Seminarhotels ohnehin schon zur Genüge?

Managern und Führungskräften wurde in den letzten Jahren vieles verordnet, um die Kommunikation im Unternehmen zu verbessern und den Teamgeist zu stärken. Jetzt geht auch die oft totgesagte uralte Institution des Theaters als moralischer Anstalt neue Wege. In der Form des "Unternehmenstheaters" ist sie eine - weitere - sinnvolle Verbindung von Wirtschaft und Kunst und ein interessantes Personalentwicklungsinstrument.

Unternehmenstheater ist bedarforientiertes Theater. Unternehmenstheater ist eine Spielform des Theaters, die in Ländern wie den USA, Großbritannien und Frankreich schon eine längere Tradition hat. Auch in Deutschland boomt diese Idee seit einigen Jahren. Firmen wie Daimler-Benz, die Lufthansa, Leica, die Deutsche Telekom, Siemens und Hewlett Packard nützen Unternehmenstheater als Kommunikations- und Personalentwicklungsinstrument. In Österreich gibt es nur einige wenige Anbieter. Einer davon ist "the company stage".

Clown vom Burgtheater "The company stage" wurde vor drei Jahren von Walter Kosar alias Clown Kosilo zusammen mit der langjährigen Leiterin des Hernstein International Management Center, Helga Stattler, gegründet. "Dritter im Bunde" ist der Techniker Dita Hauptmann. Sie repräsentieren drei völlig unterschiedliche Blickwinkel wenn es darum geht, die Probleme eines Unternehmens auf die Bühne zu stellen, um in der Folge neue Lösungsansätze zu ermöglichen.

Der Autor und Regisseur Walter Kosar alias Clown Kosilo spielte selbst viele Jahre lang am Burgtheater. Mit "the company stage" möchte er eine - weitere - Brücke von der Kunst zur Wirtschaft bauen. Denn gerade in Unternehmen, in denen es Kommunikationsprobleme gibt oder in denen nach Fusionen große Unsicherheit herrscht, kann Unternehmenstheater - neben den schon lange angewandten Rollenspielen - ganz gezielt als Instrument zur Konfliktbewältigung eingesetzt werden.

Das Motto der "company stage" ist ein Satz von Max Reinhardt: "Ich glaube an die Unsterblichkeit des Theaters. Es ist der seligste Schlupfwinkel für diejenigen, die ihre Kindheit heimlich in die Tasche gesteckt und sich damit auf und davon gemacht haben, um bis an ihr Lebensende weiterzuspielen."

Helga Stattler ist Expertin für Personal- und Organisationsentwicklung und Trainerin für Konfliktmanagement. Vor knapp drei Jahren hat sie im Rahmen eines Clown-Seminars entdeckt, dass die Möglichkeiten des Theaters für Verbesserungsprozesse in Unternehmen konkret umzusetzen und zu nutzen sind. Dabei ist die Zusammenarbeit mit analytisch arbeitenden Beratungsunternehmen für sie wichtig und äußerst fruchtbar.

Blick in den Spiegel So wird der Auftrag für ein maßgeschneidertes Theaterstück idealerweise im Rahmen eines umfassenden Beratungsprozesses vergeben. Für den Erfolg des Instruments Unternehmenstheater ist es ganz wichtig, dass die Geschäftsführung hinter dem Projekt steht und auch intensiv miteinbezogen wird. Nach der Auftragsvergabe folgt die Phase der Recherche im Unternehmen. Aus diesen Eindrücken entsteht ein "Story-board", eine Geschichte, aus der in Zusammenarbeit mit der Geschäftsführung ein Textbuch erarbeitet wird.

In der nächsten Phase werden professionelle Schauspieler, Regisseure, Licht- und Tontechniker, Masken- und Kostümbildner sowie Bühnenarchitekten speziell für diesen Auftrag engagiert und intensive Proben abgehalten. Nach der Aufführung folgt die Phase der Nachbesprechung und der konkreten Aufarbeitung der Probleme. Die Schauspieler können im Rahmen des Unternehmenstheaters Probleme immer nur aufzeigen - nie lösen.

Um die Probleme einer Firma in einer für alle Beteiligten annehmbaren Form auf die Bühne zu stellen, kommen viele Arten des Theaters - bis hin zum Puppentheater - zum Einsatz. Für die Mitarbeiter ist dieses im Spiel "einen Spiegel vorgehalten bekommen" auf jeden Fall ein intensives Erlebnis.

Die für die verschiedenen Projekte engagierten Schauspieler sagen, dass sie die Härte und Brutalität von für sie anfangs harmlos klingenden Sätzen erst an der Reaktion des Publikums erkannt hätten. "Meine Herren, wie Sie wissen, haben wir gerade eine Megafusion hinter uns gebracht. Darauf wollen wir trinken. Auf die Fusion, meine Herren!" Jedes Wort, jeder Satz und jede Szene ist - vielleicht in weniger überzeichneter Form - im konkreten Leben einzelner Mitarbeiter schon einmal dagewesen und oft mit schmerzhaften Konsequenzen verbunden gewesen.

Dieser Unterschied ist für die Darsteller, die das Burgtheater oder andere große Bühnen kennen, eine außergewöhnliche Erfahrung. Ihr Spiel betrifft jeden im Publikum direkt und erzeugt Betroffenheit und Berührtheit. Dabei darf aber auch der Humor nie zu kurz kommen. "Ohne Humor wäre diese Welt eine traurige Welt", sagt Walter Kosar/Clown Kosilo. "Man muss über jeden lachen dürfen - und anlachen ist nicht auslachen." Auch wenn den betroffenen Zuschauern das Lachen manchmal im Hals steckenbleibt - Walter Kosar geht es vor allem um das befreiende Lachen und um Humor als Brücke zur Seele des einzelnen sowie des Unternehmens.

Einen Anbieter zu beauftragen, ein Stück über die Licht- und Schattenseiten der Firma zu schreiben und aufzuführen, ist für Unternehmer in Österreich heute noch eine ziemlich exotische Möglichkeit der internen Kommunikationsstrategie und Mitarbeiterführung.

Einige sehr große Unternehmer sind sich der Vorteile dieses speziellen Instruments aber schon durchaus bewusst. Zu ihnen zählt Hans Peter Haselsteiner, Vorstandsvorsitzender der Bauholding/STRABAG mit 33.000 Mitarbeitern weltweit; der Jahresumsatz des Konzerns beträgt 75 Milliarden Schilling. Für ihn ist Unternehmenstheater ein zielführendes Instrument in der Personalentwicklung. Das Ergebnis hätte "alle seine Erwartungen erfüllt beziehungsweise übertroffen und ihn sehr befriedigt". Auch über den Auftraggeber des Stückes, den Geschäftsführer selbst, darf und muss im Rahmen eines solchen Stückes alles laut gesagt werden dürfen. "Unser Chef soll eine strenge Vaterfigur und ein harter Arbeiter sein. Ein scharfer Hund wird wenigstens respektiert!" Niemand wird hier mit Glace-Handschuhen angefasst.

Humor ist wichtig Unternehmenstheater als Instrument für Veränderungen und Problemlösungen. Darüberhinaus gibt es aber natürlich auch weitere Möglichkeiten, Theater für unternehmerische Ziele zu nutzen. Die Palette der Angebote reicht vom "unterhaltungsorientierten Unternehmenstheater", das vor allem bei Firmenjubiläen eingesetzt wird, über die informationsorientierte Variante, in der die Leistungen des Unternehmens potentiellen Interessenten nähergebracht werden sollen, bis zu reinen Produktpräsentationen und allgemeinen Theaterworkshops.

Die Freie Universität Berlin hat Unternehmenstheater in einer Studie genau definiert. Demnach handelt es sich um "bedarforientierten Theatereinsatz in Unternehmen, der die Form einer Aufführung hat". Unternehmenstheater weist weiters immer betriebsspezifische Inhalte auf, spielt immer für eine geschlossene Zielgruppe und ist reines Bestelltheater, das heißt: ein Unternehmen beauftrage eine Anbieterfirma, gegen Bezahlung ein professionelles Theaterstück aufzuführen.

Vor vier Jahren betrug der Umsatz aller Anbieterfirmen dieses Bereiches in Deutschland zirka zehn Millionen Mark. Dieser Betrag wurde in den vergangenen Jahren um ein Vielfaches übertroffen. In Ländern wie Frankreich, Großbritannien und den USA ist das Auftragsvolumen ungleich größer. Allein in Frankreich werden geschätzte 2.000 Stücke pro Jahr speziell für Unternehmen geschrieben und uraufgeführt. Tendenz steigend.

Kontakt: "the company stage" Kosilo/Walter Kosar Neudeggergasse 14, 1080 Wien Tel. 408 46 62 Mobil: 0676/301 84 59 E-Mail: office@unternehmenstheater.at Homepage: www.unternehmenstheater.at Dkffr. Helga Stattler: 0676/780 14 17

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