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Die Empörung über die Abschiebung von Kindern hält an. Korrektur in Einzelfällen kann den Kurswechsel nicht ersetzen. Eine großzügige Bereinigung langjähriger Asylverfahren scheint angemessener als Abschiebung integrierter Kinder.

Ein solch beschämendes Schauspiel wird in Friedenszeiten wohl nur selten inszeniert: Der Staat geht mit den stärksten seiner Mittel, Gesetz und Gewalt, auf einige der Schwächsten los, nämlich Schulmädchen. Sie hätten das Land zu verlassen. Empörung und Aufruhr unter den aufrechten Gemütern des Landes haben sich noch nicht gelegt, ganz im Gegenteil: Diese Bundesregierung ist den Betroffenen und der Öffentlichkeit noch einiges an Erklärungen und Klarstellung schuldig, schließlich wohl auch eine Besserung der Gesetzeslage und ihrer Anwendung.

Auch für dieses politische Erfordernis gilt die Erfahrung, wonach gerade größere Strecken in mehreren Schritten zurückzulegen sind. Um genau diese geht es, denn weitere derart groteske und verstandeswidrige Abschiebungen sind zu unterlassen, will sich Österreich als Staat mitsamt seinem Beamtenapparat nicht fortgesetzt als stupides, gedanken- und bedenkenlos agierendes Monstrum präsentieren.

Falsche Quellen richtiger Feststellungen

Das Asyl- und das Fremdenrecht, die beide voneinander zu trennen und dann auseinanderzuhalten sind, eignen sich keineswegs für jenen Zweck, für den sie von manchen genutzt werden: als Kampfplatz im politischen Wettbewerb.

Es gab und gibt problematische Fälle. Einerseits, weil das Asylrecht und Rechtsmittel über Gebühr strapaziert wurden, andererseits, weil Abschiebungen vorgenommen wurden, wo mancher noch Asyl oder Bleiberecht gewährt hätte. Wobei zu sagen ist: Beides probiert, kein Vergleich. Ungerechtfertigter oder ungesetzlicher Aufenthalt ist eine Bagatelle im Vergleich zur unmoralischen, inhumanen und inakzeptablen Abschiebung kleiner Mädchen und dem Trennen von Familien. Das politische Problem liegt ja woanders, nämlich im Umstand, dass in den vielen langen Jahren der Asyldebatte keine der tatsächlichen Schwierigkeiten jemals offen und sachlich angesprochen werden konnte. Die politischen Streitparteien haben es sich verboten, auch nur den Bruchteil einer Wirklichkeit oder Wahrheit dann anzuerkennen, wenn dieser zuerst von einem politischen Gegner ausgesprochen worden war. Im Klartext: Alle Guten verschwiegen sich über das Missliche und Missbräuchliche im Asylwesen, denn damit hätte man ja in irgendeinem Punkt der FPÖ recht gegeben. Und das dürfe nicht sein. Ja, man hat sich sogar der Kritik an Medien und am Medienwesen enthalten, solange diese mit jenen Schicksalen titelten, die gegen die Regierung ins Treffen geführt werden konnten.

Dennoch hat sich, teils ignoriert, teils im Verborgenen wachsend, Missmut über Missbrauch des Asylwesens aufgebaut. Die Abschiebungen von Elternteilen mitsamt ihren kleinen Kindern sind das Ventil, welches die Regierung geöffnet hat, um diesen Missmut zu entladen. Ein Fehler.

Humanität im Fokus des Asylrechts

So hart es einzelnen Mitgliedern der Bundesregierung auch fallen mag, sie sollten in dieser Gemengelage Großzügigkeit zeigen: All die noch anhängigen Asylcausen sollten in einem einfachen Verfahren bereinigt werden, bei bereits eingesetzter Integration ist auf humanitäres Bleiberecht zu entscheiden. Die Gesetzeslage im Asyl- und Fremdenrecht gilt als nahezu unüberschaubar, die Rechtsprechung als teilweise widersprüchlich, die Vollziehung als teils nicht verständlich, die Zuständigkeiten von Behörden und von Gerichten als kompliziert und verwirrend. Daraus ist nicht Asylwerbern und ihren Betreuern ein Vorwurf zu machen, sondern konkret dem Nationalrat, der Bundesregierung, einzelnen Ministerien, Magistraten et cetera. Diese zuletzt Genannten haben einen Zustand herbeigeführt, der niemanden zufriedenstellen kann, der die Betroffenen in Unsicherheit versetzt.

So sieht politischer Totalschaden aus. Dieser ist nur zu beheben, wenn das Wechselspiel aus Konkurrenz der Parteien und Folgsamkeit gegenüber Schlagzeilen durch ein neues Modell langfristiger, humaner, auf Menschen fokussierter Politik ersetzt wird.

* claus.reitan@furche.at

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