Mit der Bergpredigt wirtschaften? Geht doch!

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"'Gute' Menschen halten gerade in wirtschaftlichen Zusammenhängen den Anspruch fest, dass Wirtschaft immer dem guten Leben aller Menschen dient."

Mit der Bergpredigt kann man nicht wirtschaften", lautet ein häufiger Vorwurf, der jenen Menschen an den Kopf geworfen wird, die in wirtschaftlichen Zusammenhängen nach den Menschen fragen. Menschen, die sich weigern, die Maximierung von Gewinnen auf Kosten menschen-und umweltgerechter Bedingungen als Paradigma wirtschaftlichen Denkens und Handelns anzuerkennen. Menschen dieser Haltung werden häufig als "Gutmenschen" verunglimpft. Ein "Gutmensch" ist laut Duden jener Mensch, der "sich in einer als unkritisch, übertrieben, nervtötend o. ä. empfundenen Weise im Sinne der Political Correctness verhält, sich für die Political Correctness" einsetzt.

Menschen, die für sich und andere beanspruchen, die Menschenwürde -der eigenen Person wie aller anderen Menschen -als unteilbar zu verteidigen und ihren absoluten Wert anzuerkennen, sollen hier als "gute Menschen" bezeichnet werden.

Keine doppelten Maßstäbe

In diesem Sinn "gute" Menschen sind bestrebt, ethisch orientiert zu handeln, integer zu bleiben. Also die Standards, an denen sie andere messen, auch an sich selbst anzulegen. Sie versuchen, nicht nach doppelten Maßstäben zu handeln ("Wasser predigen und Wein trinken"), denn sonst wären sie "schlechte" Menschen. Sowohl im allgemeinen Empfinden ethisch reflektierender Menschen als auch nach großen ethischen Prinzipien wie dem Kategorischen Imperativ von Immanuel Kant oder der Goldenen Regel der jüdisch-christlichen Tradition ist das ein Wesensmerkmal guten Handelns. Wer andere nicht menschenwürdig behandelt, versündigt sich letztlich auch gegen seine eigene Würde.

"Gute" Menschen halten gerade in wirtschaftlichen Zusammenhängen den Anspruch fest, dass Wirtschaft im Letzten immer dem guten Leben aller Menschen dient.

"Gute" Menschen in wirtschaftlichen Zusammenhängen sind etwa jene Unternehmerinnen und Unternehmer, die zwar Gewinne anstreben, diese aber nicht um jeden Preis -also zu Lasten jeglicher ethischer Grundsätze -erzwingen. "Gute" Menschen sind z. B. Abteilungsleiterinnen und -leiter, die in ihrer Sandwichposition den oft von oben auferlegten Druck nicht kalt an ihre Mitarbeiter weitergeben, sondern unter Einbeziehung aller Betroffenen eine für alle gangbare "gute" Lösung suchen. "Gute" Menschen können Firmenbesitzer sein, die nicht primär eine maximal hohe Börsennotierung anstreben, sondern ihre Firma ökologisch und sozial nachhaltig führen und den wirtschaftlichen Standort -und damit Arbeitsplätze -in der Region erhalten. "Gute" Menschen können auch in Initiativen und Betrieben "solidarischen Wirtschaftens" gefunden werden.

Der international bekannte Sozial- und Wirtschaftsethiker sowie ehemalige Mitarbeiter der Katholischen Sozialakademie Österreichs, P. Johannes Schasching SJ, orientierte in seinen Gesprächen Unternehmerinnen und Unternehmer mit einer schlichten wie tiefgreifenden Formel: "Wirtschafte stets sachgerecht, menschengerecht und gesellschaftsgerecht." Mit Sachgerechtigkeit unterstreicht er die Notwendigkeit, Wirtschaft so zu betreiben, dass sie wirtschaftlich bleibt. Dies umfasst wirtschaftliche Prinzipien wie die der Kostendeckung, aber auch die des nachhaltigen Umgangs mit Ressourcen, welche die Grundlage für zukünftiges Wirtschaften darstellen. Allerdings ist Wirtschaften kein Selbstzweck, sondern gesellschaftlich eingebettet.

Daher verweist Schasching mit Menschengerechtigkeit auf die unteilbare Würde aller Menschen, die weder als Mittel zum Zweck behandelt noch auf einen reinen Produktionsfaktor in der Bilanz reduziert werden dürfe, der in einem menschenverachtenden und umweltzerstörenden Kampf von Konkurrenz und Profitmaximierung den Kürzeren zieht.

Verantwortung für "unser Haus"

Mit Gesellschaftsgerechtigkeit bringt Schasching ein Prinzip Christlicher Sozialethik ins Spiel: das der Gemeinwohlorientierung. Es hat auch für wirtschaftliches Handeln zu gelten. Die Erde ist -um mit Papst Franziskus zu sprechen -nicht einigen wenigen (reichen, weißen Männern), sondern allen Menschen gegeben. Damit haben alle -ob sie es wissen oder nicht, ob sie wollen oder nicht - Verantwortung für "unser Haus" zu tragen. Diese Verantwortung ist je nach Einfluss-und Wirkungsbereich unterschiedlich, aber nicht delegierbar. Gesellschaftsgerechtigkeit wirtschaftlichen Handelns betrifft also nicht nur die betriebliche Ebene. Auch über Lobbying und Politik werden nationale und internationale Gesetze geschaffen und Strukturen verfestigt. Diese Strukturen wirken. Oft im Sinne des "guten Lebens aller". Oder eben auch im Sinne von "Strukturen der Sünde"(Papst Johannes Paul II.) - wenn Macht-und Profitgier zu Menschenverachtung, Misstrauen, Menschenrechtsverletzungen und nachhaltiger Zerstörung sozialer und ökologischer Zusammenhänge führen.

Der Vorwurf, "mit der Bergpredigt kann man keine Wirtschaft machen" stimmt, wenn ausschließlich die operative Tätigkeit (z.B. des Controllings) in den Blick genommen wird. Wer aber versteht, dass ethisch "gute" Haltungen - wie die Orientierung wirtschaftlichen Handelns an der Menschenwürde und dem guten Leben aller - sich in ethisch "gutes" Verhalten auf Ebene der Entscheidungsträger übersetzt und damit auf ethisch "gute" Verhältnisse, Strukturen und Gesetze einwirkt, der oder die versteht, dass das Gut-Sein das Wirtschaften kultiviert. Weil das gute, friedliche, gemeinwohlorientierte, menschenfreundliche und umwelterhaltende Leben aller allen Menschen dient.

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