Mit langen Gesichtern nach Pittsburgh

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Wenn Barack Obama am Wochenende seine Amtskollegen aus den wichtigsten Industrienationen der Welt empfängt, um an einer Neukonstruktion der Weltfinanzordnung zu arbeiten, dann gibt es nach aktuellem Stand nicht mehr als einen Gewinner: Die Stadt Pittsburgh. Die einstige Metropole von Ruß und Staub, in der ganze Generationen von Einwanderern ihr Leben in der Stahlindustrie verbrauchten, hat sich zur (laut Economist) lebenswertesten Stadt der USA gewandelt und darf sich in diesem Licht der Welt präsentieren: Saubere Boulevards, reine Luft, modernste Architektur.

Die Stadt könnte dem Treffen auch gleich das inhaltliche Motto verkörpern: Aus weniger mach mehr: Denn Pittsburgh ist trotz wirtschaftlichem Wachstum seit den 50er Jahren um die Hälfte seiner Einwohner geschrumpft, von 680.000 auf 320.000.

Ein solches Abnehmprogramm wäre auch gut für die globalen Finanzmärkte: weniger Geldvolumen, weniger Risikofreude, weniger Leerverkäufe, weniger Spekulation mit lebenswichtigen Gütern, weniger Boni-Zahlungen, dafür aber mehr Kontrolle und mehr von der viel beschworenen Moral.

Wo bleiben die Reformen?

Dass daraus weniger wird, als eigentlich notwendig wäre, dafür ist nicht zuletzt der Widerstand aus jenen Regionen der Welt mit verantwortlich, die den Zusammenbruch der Weltwirtschaft verursacht haben: Die USA und Großbritannien. Dabei kann man Barack Obama und Gordon Brown den guten Willen nicht absprechen. Doch Obamas 85 Seiten umfassendes Programm, das den Kapitalismus zähmen sollte, ist drauf und dran, zum Papiertiger im Kongress zu verkommen. Großbritannien wiederum hat erfolgreich die EU-Forderung nach Beschränkung von Bonus-Zahlungen an Bank- und Investmentmanager verwässert. Zum einen gibt es keine Einigung über eine Obergrenze solcher Sonderzahlungen. Andererseits halten Experten die von den G20-Finanzministern vorbereitete Regelung, Boni an langfristige Erfolge zu binden, für leicht umgehbar.

Begründung: Viele kurzfristige Erfolge ergeben auf Dauer eben auch einen langfristigen Erfolg – an der Geschäftspraxis, den schnellen Gewinn zu suchen, muss sich also nichts ändern. Gar nicht die Rede ist von der Umsetzung einer Regelung zur Kontrolle von Rating-Agenturen. Wie es heißt, haben die Lobbyisten der großen Investmentbanken das Geschehen in den maßgebenden Hauptstädten unter Kontrolle, allein in Washington bearbeiten 2300 von ihnen die Entscheidungsträger.

In New York haben sich Investmentbanker unterdessen ein neues, etwas makabres Milliarden-Spiel ausgedacht : Sie kaufen bestehende Lebensversicherungen von Verkaufswilligen zu einem kleinen Teil der Gesamtversicherungssumme auf. Hernach bezahlen sie die Raten weiter und kassieren im Todesfall des Verkäufers die Gesamtsumme. Natürlich werden die Versicherungen gebündelt und wiederbesichert weiterverkauft. Dieser Handel mit der Todeswahrscheinlichkeit der Kunden verspricht ebenso ertragreich zu werden wie jener mit Immobilienkrediten – und ebenso letal. (tan)

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